Viren schreiben Geschichte. Ulrich Kübler
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Dr. med. Ulrich Kübler
Viren schreiben Geschichte
als Erreger des Ausnahmezustandes und verändern die Evolution
Copyright: © 2020 Dr. med. Ulrich Kübler
Lektorat: Erik Kinting – www.buchlektorat.net
Umschlag & Satz: Erik Kinting
Verlag und Druck:
tredition GmbH
Halenreie 40-44
22359 Hamburg
978-3-347-08481-0 (Paperback)
978-3-347-08482-7 (Hardcover)
978-3-347-08483-4 (e-Book)
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Die Geschichte zeigt nur die negative, die tödliche Seite der Viren und Bakterien. Pocken, Pest und Ebola: Als biologische Reiter der Apokalypse bedrohen sie seit dem Mittelalter die Menschen und vergrößern die Macht der Obrigkeit. Vergessen und übersehen wird ihre am Leben teilhabende, das Leben fördernde und seine Entwicklung beschleunigende, ja oft erst ermöglichende Seite. Um dies zu erkennen, bedarf es einer Revolutionierung unseres Denkens. Das würde auch einen entspannteren Umgang mit tatsächlichen oder behaupteten Pandemien ermöglichen.
Viren sind ubiquitär, sie sind die ältesten biologischen Informationsträger und Katalysatoren. Sie können unsere Feinde sein und unsere Freunde.
Die mit dem Nobelpreis ausgezeichnete Virusforscherin Prof. Karin Mölling schrieb in ihrem Buch Supermacht des Lebens1: Virale und bakterielle Sequenzen sind selbst bis in unser Erbgut vorgedrungen. – Was wollen sie dort?
Viren sind Elemente, die selbst keine Proteine herstellen können, dennoch sind und waren sie wandelnde und wandelbare Informationsträger, Agenten, Eindringlinge, Katalysatoren, Trittbrettfahrer. Sie standen und stehen am Beginn des Lebens. Sie sind Agenten der Replikationsfähigkeit von Informationen. Sie sind molekulare RNA- oder DNA-Ensembles, oft mit einer geliehenen Eiweißhülle. Sie existieren, aber sie leben nicht, denn sie besitzen keinen Stoffwechsel und verfügen über keine Energiequellen. Anders wird es, wenn sie sich das eine oder andere verschaffen, dann erwachen sie zum Leben und verändern sich selbst und andere, seit Jahrmillionen, für immer und für alle Zeit. Es gibt sogar Viren ohne eigenes Erbgut, das leihen sie sich dann.
Viren benötigen zwar Energie für ihre Replikation, das muss aber keine Energie aus Zellen sein, es genügt chemische Energie, die sie schon vor Millionen von Jahren den heißen Emissionen von Vulkanen in der Tiefsee entnehmen konnten.
Alle heutigen Viren benötigen Zellen zu ihrer Vermehrung, das war nicht immer so: Die erste vermehrungsfähige RNA, ein Viroid, benötigte anfänglich keine Zellen. Viren sind die Erfinder der genetischen Mannigfaltigkeit, ohne sie gäbe es keine wandelbaren Zellen, nur molekulare Entitäten.
Nach dem Eindringen in eine Zelle können sie persistieren, integrieren, replizieren oder die Zelle lysieren. Handelt es sich dabei um eine Tumor-Stammzelle, ist das segensreich. Reo- und bestimmte Adeno-Viren verfügen über diese Fähigkeit, die sich therapeutisch verwenden lässt. Sie lysieren die Tumorzelle dann so, wie das Bakteriophagen mit Bakterien tun können. Viren können aber auch Krebs auslösen, beispielsweise können Epstein-Barr-Viren das Burkitt-Lymphom auslösen oder Morbus Hodgkin.
Viren kontrollieren also den Kampf um die Zelle. Wie gelangen sie in die Zellen? Indem Sie mit der Zellmembran verschmelzen oder an einen Rezeptor dieser andocken. Sie gelangen dann in das Zellinnere, wo ihre Information ausgepackt, gegebenenfalls in das Wirtsgenom integriert und repliziert wird. Je nachdem, wo und wie das im Gastgenom geschieht, wird dann im Manuskript des Lebens der Zelle ein neues Kapitel geschrieben.
Ich fragte mich im Laufe der Jahre mehrfach, ob Zellen endogen-transfektiöse Schädlinge herstellen können und wenn ja, wie? Das würde dann bedeuten, dass die Zelle sich einen Krebs- oder Krankheitserreger selbst herstellen kann, möglicherweise als Ergebnis endogener oder exogener Noxen.
Der Kampf um die Zelle
Viren sind autonome Informationseinheiten, die sich in das Genom der Zelle einklinken können, wenn sie vom Immunsystem nicht erkannt und eliminiert werden. Geschieht dies, können sie wichtige Gene ausschalten oder Gene aktivieren, die dann unerwünschte Proteine herstellen können. Dies kann zu autoimmunen Erkrankungen führen oder einer gestörten Zellteilungsbalance.
Beispielsweise kann es zu einer epithelialmesenchymalen Transition kommen, wenn ein Virus das Tumor-Suppressorgen p53 ausschaltet. Dazu ist das JC-Virus in der Lage, ebenso das Epstein-Barr-Virus, das bovine Leukämie-Virus, das Papilloma-Virus Typ I und das STLV1-Virus, ebenso das Sarkom-Virus Y73. – Das JC-Virus (humanes Polyoma-Virus) gehört ebenso wie das SV40-Virus in die Familie der Polyoma-Viren. Lange Zeit wurde davon ausgegangen, dass die Übertragung des Virus ausschließlich über den Resperationstrakt erfolgt, da virale DNA in Lymphozyten der Tonsillen nachgewiesen werden konnte. Inzwischen gibt es auch Hinweise auf einen oralen Übertragungsweg mit Virusnachweis im Stuhl.
Vor einigen Jahren vertrat ein englischer Forscher die Hypothese, das Polyoma-Virus könne zumindest als Kofaktor Kolonkarzinome auslösen. Dieser Hypothese hat sich inzwischen der frühere Chef des Deutschen Krebsforschungsinstitutes und Nobelpreisträger Prof. Harald zur Hausen zu eigen gemacht.
Die Durchseuchung erfolgt offensichtlich während des Kindesalters oder auch später beim Verzehr rohen Rindfleisches, sodass etwa 85 % der Erwachsenen weltweit ein JC-Virus in sich tragen, ohne zunächst klinische Symptome zu zeigen. Das Virusgenom kann latent in adulten Epithelzellen innerer Organe, z. B. der Niere oder in den Gliazellen des Gehirns überleben.
Nach einer Abschwächung des Immunsystems, beispielsweise durch Umweltschadstoffe (toxische Kohlenwasserstoffe), Entzündungsmediatoren kann es zu einer Reaktivierung der Viren kommen, mit der Folge einer Veränderung des Methylierungsprofils von Onkogenen und/oder Tumor-Suppressorgenen.
Eine besondere Funktion hat hier der Wächter des Genoms, der Tumor-Suppressor p53. Fällt dieser aus, kommt es zur epithelial-mesenchymalen Transition, d. h. gesunde epitheliale Zelle verwandeln sich in mesenchymale Zellen, diese verlassen den Zellverband, rekrutieren sich Blutgefäße und dringen in den Kreislauf ein. Dort können sie durch vermehrte Expression von Escape-Molekülen vom Typ PD-L1 das Immunsystem in Bezug auf ihre Anwesenheit täuschen und den Kreislauf wieder verlassen. Es entsteht dann entweder ein CuP (Cancer of unknown Primary) oder ein manifester Tumor, der aber schon in statu nascendi metastasiert hat.
Inzwischen wird mitgeteilt, dass man in der Mehrzahl aller Lungenkarzinome virale Softwares im aktiven Zustand finden kann, die offensichtlich in der Lage sind, aus normalem Gewebe Tumor-Stammzellen herzustellen.
Beim heute üblichen Vorgehen des sog. Next Genomic Sequencing, also der Analyse des Blutes anstatt der Zellen lediglich auf DNA und RNA, erschlossen sich diese molekularen Fakten nicht. Durch entsprechende wissenschaftliche Presseerklärungen haben wir auf diese Fakten bereits vor Jahren hingewiesen. Wir sind der Meinung, dass Krebs eine molekulare und virale Genese haben kann und das Stammzellkonzept um diese Fakten ergänzt werden muss. Wir berücksichtigen dies bereits bei der sog. Liquid Biopsie. Durch diese können wir die Zahl der im Kreislauf zirkulierenden instabilen Tumor-Stammzellen analysieren, deren genomische Instabilität untersuchen, das epigenomische Profil analysieren und begleitende virale Phänomene erfassen, wenn es zur Therapie kommt, und antivirale Maßnahmen auf molekularer Basis ergreifen, beispielsweise Polymerase-Inhibitoren einsetzen und antivirale NK-Zellen.