Die Abenteuer des Schwarzen Gerard. Karl May

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Die Abenteuer des Schwarzen Gerard - Karl May


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Waren zehnmal ab, ehe ich sie einmal bekam. So ein Kerl sollte mein Schwie...« Er besann sich und hielt mitten im Wort inne. In Gegenwart dieses Gastes durfte er unmöglich in seine Lieblingslitanei verfallen. Darum fuhr er fort: »Ich möchte wissen, was für ein Landsmann er ist. Wohl auch ein Deutscher und am Ende gar aus Pirna, denn die Leute dort sind ganz ungeheuer tapfer. Wie hatte denn der Königstein nach Pirna kommen können, wenn sie ihn nicht für sich erobert hätten? Und dies hat ihnen bis jetzt noch niemand nachgemacht. Aus welchem Land seid Ihr denn eigentlich gebürtig?« – »Aus Frankreich«, entgegnete der Jäger. – »O weh! So seid Ihr ein Franzose?« – »Natürlich!« – »So! Hm! Hm! Das ist gut, Señor!«

      Pirnero drehte sich schnell um und machte keinen Versuch, das Gespräch fortzusetzen. Es war klar, daß die Franzosen aus irgendeinem Grund bei ihm in Mißkredit standen. Nach einer Pause erhob er sich und verließ das Zimmer, gab aber vorher seiner Tochter einen Wink, ihm zu folgen. Sie gehorchte und fand ihn in der Vorratskammer.

      »Du«, sagte er, »hast du gehört, was er ist?« – »Ja, ein Franzose«, antwortete sie. – »So maß ich dich warnen.« – »Warum?« – »Das darf ich dir nicht sagen, aber da das Schweigen gefährlich werden könnte, so muß ich mit dir darüber reden. Weißt du, daß uns die Franzosen einen deutschen oder vielmehr einen österreichischen Prinzen herübergebracht haben, der Kaiser von Mexiko werden soll?« – »Warum sollte ich dies nicht wissen, man spricht doch überall davon.« – »Nun, so will ich dir sagen, daß die Österreicher alle gute Kerle sind. Sie rechnen zwar nach Gulden, die bloß siebzehn Groschen gelten, aber mich gehen die übrigen drei Groschen ja gar nichts an. In Pirna ist man nobel. Ich habe gegen die Österreicher gar nichts, und dieser Prinz Max soll ein guter Mensch sein. Den Mexikanern gefällt es jedoch nicht, daß er sich von den Franzosen bringen läßt, und darum wollen sie von ihm nichts wissen. Sie sagen, der Napoleon sei ein Lügner, er werde seine Versprechungen nicht erfüllen und auch den Prinzen Max später sitzenlassen. Sie wollen keinen Kaiser haben, sie wollen einen Präsidenten, und der soll Juarez sein.« – »Der jetzt in Paso del Norte ist?« – »Ja. Die Franzosen wollen ihn daher gern fangen. Sie haben bereits das ganze Land besetzt und ihn in Chihuahua beinahe ergriffen. Er ist ihnen aber glücklich nach Paso del Norte entkommen. So weit zur Indianergrenze wagen jene sich zwar nicht herauf, aber man spricht davon, daß sie ein Streifkorps absenden wollen, um ihn aufzuheben. Darum muß man vorsichtig sein und sich vor jedem Franzosen hüten.« – »Du doch nicht. Was geht dich Juarez an?« – »Oh, sehr viel«, antwortete er mit wichtiger Miene, »ich habe es dir bisher verschwiegen, daß ich eine außerordentliche Begabung für Politik habe.« – »Du?« unterbrach sie ihn im höchsten Grad erstaunt. – »Ja, ich. Alle Leute in Pirna sind groß in Politik. Das haben wir noch vom Finkenfang bei Maxen her. Ich habe drüben in Präsidio noch einige Ländereien, und weil ich daselbst eine Stimme besitze, so ist es mir nicht gleichgültig, ob wir den Prinzen Max bekommen oder den Juarez. Der Max ist gut, aber er kann sich unmöglich halten. Er hängt von den Franzosen ab. Der Napoleon hat, um ein mexikanisches Kaiserreich zu gründen, zwei Anleihen gemacht; davon ließ er Mexiko lumpige vierzig Millionen zukommen, fünfhundert Millionen aber hat er für Frankreich selbst behalten. Das ist der offenbarste Betrug, und der arme Max weiß sich nun keinen Rat. Juarez hingegen kennt unser Land; er will nichts von den Franzosen wissen, und darum wollen wir ihn. Dazu gehört aber Geld. Darum hat er zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gesandt, um sich mit ihm zu verbinden und eine Anleihe zu machen. Vor einigen Tagen nun ist der Bote zurückgekehrt und hat die Nachricht gebracht, daß die Staaten von einem mexikanischen Kaiser, den der Franzose bringt, nichts wissen wollen und uns dreißig Millionen Dollar bewilligt haben. Einige Millionen sind bereits unterwegs. Sie sollen durch die Llano estacado zu Juarez transportiert werden. Davon aber haben die Franzosen Wind bekommen, und es ist wahrscheinlich, daß sie den Geldtransport überfallen wollen. Er kommt in schleunigen Tagemärschen heran. Im Fall der Not soll er, wenn es unmöglich ist, ihn weiterzubringen, hierher nach Fort Guadeloupe geschafft und in unserem Haus einstweilen versteckt werden. Deshalb wird Juarez eine stärkere Besatzung herlegen, deshalb haben wir aber auch die Franzosen doppelt zu fürchten. Sie werden Kundschafter senden, um uns auszuhorchen, und ich ahne, daß der Kerl, der jetzt drin sitzt, ein solcher Spion ist. Er spricht nur wenig und verwendet keinen Blick vom Fenster, um ja genau zu sehen, was draußen vorgeht. Nicht einmal dich sieht er an.«

      Resedilla wußte dies besser; sie hütete sich aber, es zu verraten.

      »Ich glaube nicht, daß er das Auge eines Spions hat«, meinte sie. – »Nicht? Da irrst du! Nun muß du aber wissen, daß man es einem Diplomaten gleich ansieht, was für ein großer Mann er ist. Darum will ich mich lieber vor diesem Franzosen gar nicht sehen lassen. Er könnte es meiner Miene ansehen, daß ich zur großen Schule gehöre, und Verdacht schöpfen. Darum sollst du allein ihn bedienen. Aber ich bitte dich um des Himmels willen, laß dir nicht merken, daß ich ein Anhänger von Juarez bin.«

      Resedilla unterdrückte ein Lächeln und antwortete:

      »Habe keine Sorge! Ich habe von dir eine diplomatische Ader. Er soll mich nicht fangen.« – »Ja, ich glaube selbst, daß du diese Ader hast. Das ist die Erbschaft vom Vater auf die Tochter, ohne daß man weiß, woher es eigentlich kommt. Also kehre in die Schenkstube zurück und mache deine Sache gut. Sei sogar etwas liebenswürdig mit ihm, um ihn kirrezumachen. Ein guter Diplomat muß seine Feinde mit dem Lächeln fangen, ich kenne das von Pirna her!«

      2. Kapitel.

      Resedilla ging in die Schenkstube zurück, wo der Gast während der langen und sonderbaren Unterredung ganz allein gesessen hatte. Auf ihrem Gesicht lag ein Ausdruck allerliebster Schelmerei. Sie nahm an ihrem Fenster wieder Platz, ohne ein Wort zu sagen, da er aber auch schwieg, so wurde ihr diese Stille denn doch zu drückend, und sie beschloß, eine Unterredung zu beginnen und dabei sofort auf ihr Ziel loszugehen.

      »Seid Ihr wirklich ein Franzose, Señor?« fragte sie. – »Ja«, antwortete er. »Sehe ich etwa aus wie ein Mann, der Euch belügen könnte, Señorita?« – »Nein«, gestand sie aufrichtig. »Ich glaubte nur, Ihr hättet Scherz gemacht. Man liebt hier in dieser Gegend nämlich die Franzosen nicht« – »Ich liebe sie auch nicht.« – »Ah!« sagte sie erstaunt. »Und doch seid Ihr selbst ein Franzose?« – »Ja. Ich meine aber damit nur, daß ich zwar in Frankreich geboren bin, daß ich jedoch niemals wieder in mein Vaterland zurückkehren werde.« – »Habt Ihr es denn gezwungen verlassen?« – »Nein, ich bin freiwillig gegangen, aber ich habe mit meinem Vaterland nichts mehr zu schaffen.« – »Das muß traurig sein.« – »Nicht so traurig wie andere Dinge, zum Beispiel Untreue und Verrat.« – »Habt Ihr die erduldet?« – »Leider.«

      Bei diesem Wort trat der melancholische Ausdruck seiner Züge und seines Blickes deutlicher hervor. Aber seine Antwort hatte die Wißbegierde des schönen Mädchens in hohem Grad erregt. Es wollte nun auf alle Fälle mehr erfahren und fragte daher:

      »So ist Euch vielleicht eine Geliebte untreu geworden?« – »Allerdings.« – »Das muß ein böses, hartes, herzloses Mädchen gewesen sein, Señor.«

      Resedilla sagte dies so eifrig, und ihr Gesicht hatte den Ausdruck solcher Aufrichtigkeit, daß der Gast bemerken mußte, sie selbst würde ihm gegebenenfalls wohl nicht untreu werden. Dennoch änderte sich kein Zug seines ernsten Gesichtes, und er erwiderte nur:

      »Sie war mehr als das, sie war schlecht.« – »Darf ich ihren Namen wissen?« – »Sie wurde Mignon genannt.« – »Mignon? Erst konnte ich diesen Namen sehr gut leiden, nun aber gewiß nicht mehr. Doch, Señor, Ihr grämt Euch wohl gar noch über sie?« – »Ja, Señorita.« – »So habt Ihr sie sehr liebgehabt?« – »Sehr«, antwortete er kurz und einfach. Aber gerade dies zog das unerfahrene Mädchen am meisten an. Ein anderer hätte einer Dame gegenüber wohl das alles verschwiegen, so wenigstens dachte sie und sagte dann:

      »So müßt Ihr sie zu vergessen suchen, Señor!« – »Das geht nicht. Ich habe sie zwar jetzt nicht mehr lieb, doch hat sie mich so unglücklich gemacht, daß ich sie unmöglich vergessen kann.« – »Das begreife ich nicht, Señor. Wie könnt Ihr unglücklich sein, wenn Ihr sie nicht mehr liebt?« – »Weil mein Unglück eigentlich nicht


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