Das Paradies der Damen. Emile Zola

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Das Paradies der Damen - Emile Zola


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günstiges Angebot halten, und das wird genügen, um unseren Verlust am ›Pariser Glück‹ zu decken. Warten Sie nur ab! Ich will, daß das ›Pariser Glück‹ in acht Tagen die ganze Stadt in Aufruhr bringt, verstehen Sie? Es ist das große Los, es wird uns den Sieg sichern und uns zum Erfolg führen. Man wird von nichts anderem als von diesem Stoff reden. Sie sollen sehen, wie das unsere Konkurrenz im Kleinhandel trifft! Begraben lassen können sie sich allesamt, diese Trödler, die in ihren Kellern nach und nach am Zipperlein eingehen!«

      Die Angestellten ringsum lächelten und lasen ihm die Worte vom Munde ab. Er hörte sich gern reden und wollte immer recht behalten. Und Bourdoncle gab wieder einmal nach.

      »Den Fabriken ist am schlimmsten dabei zumute«, bemerkte nun Bouthemont. »In Lyon ist man wütend auf Sie; die Leute behaupten, daß Ihre niedrigen Preise sie zugrunde richten. Sie wissen, daß Gaujean mir mit aller Entschiedenheit den Krieg erklärt hat. Er will lieber den kleinen Häusern langfristige Kredite gewähren, ehe er meine Preise annimmt.«

      Mouret zuckte die Achseln.

      »Wenn Gaujean nicht zur Vernunft kommt«, sagte er, »wird er den kürzeren ziehen. Was wollen die Leute denn? Wir bezahlen bar und nehmen alles, was sie produzieren. Da ist es doch das wenigste, zu verlangen, daß sie billiger arbeiten! Im übrigen kommt es darauf an, daß das Publikum zufrieden ist.«

      Einen Augenblick sah Mouret noch den Arbeiten zu, dieser Geschäftigkeit beim Auspacken der Waren, die allmählich den Keller fast bis an die Decke füllten; dann entfernte er sich wortlos, mit der Miene eines Feldherrn, der mit seinen Truppen zufrieden ist. Bourdoncle folgte ihm.

      Langsam durchschritten sie den Kellerraum; durch die in gleichmäßigen Abständen angebrachten Fenster fiel ein mattes Licht herein; in den dunklen Winkeln, den schmalen Gängen brannten ständig Gasflammen. Im Vorübergehen warf Mouret einen Blick auf die Heizung, die am nächsten Montag zum erstenmal in Betrieb genommen werden sollte. Weiter links, nach der Place Gaillon zu, lagen die Küche und die Speiseräume, ehemalige Keller, die in kleine Säle umgewandelt worden waren. Endlich gelangte er am anderen Ende des Geschosses in den Warenabgang. Hierher kamen alle Pakete, die die Kunden nicht mitgenommen hatten. Sie wurden auf langen Tischen nach Zustellungsbereichen sortiert; über eine breite Treppe, die gerade dem »Vieil Elbeuf« gegenüber mündete, wurden sie dann in Wagen verladen.

      »Campion«, sagte Mouret plötzlich zum Leiter der Abteilung, »weshalb sind sechs Paar Laken, die gestern gegen zwei Uhr von einer Dame gekauft wurden, nicht noch am gleichen Abend zugestellt worden?«

      »Wo wohnt die Dame?« fragte Campion.

      »Rue de Rivoli, an der Ecke Rue d'Alger ... Frau Desforges.«

      Zu dieser frühen Morgenstunde waren die Sortiertische noch leer, die Regale enthielten nur wenige Pakete, die vom Abend vorher zurückgeblieben waren. Campion blätterte in einem Buch und suchte dann unter den Paketen; Bourdoncle betrachtete mittlerweile Mouret und dachte bei sich, dieser verteufelte Mensch merke doch alles, beschäftige sich mit allem, selbst an den Tischen der Nachtlokale und in den Schlafzimmern seiner Geliebten. Endlich entdeckte der Vorsteher den Fehler: die Kasse hatte eine falsche Hausnummer angegeben, und das Paket war zurückgekommen.

      »Welche Kasse?«

      »Nummer zehn.«

      »Nummer zehn? Das ist Albert, nicht wahr?« fragte Mouret, zu Bourdoncle gewandt. »Wir werden mit dem jungen Herrn ein Wörtchen reden.«

      Vor seinem Rundgang durch das eigentliche Geschäft wollte er jedoch noch in die Versandabteilung hinauf, die mehrere Räume des zweiten Stocks einnahm. Hier liefen alle Bestellungen aus der Provinz und dem Ausland zusammen. Mouret kam jeden Morgen, um sich die Korrespondenz anzusehen. Seit zwei Jahren wuchs sie von Tag zu Tag. Ursprünglich waren hier zehn Angestellte beschäftigt gewesen, jetzt konnten dreißig nur mit Mühe die Arbeit bewältigen.

      Oben angelangt, fragte Mouret wie gewöhnlich:

      »Wieviel Briefe haben wir heute, Levasseur?«

      »Fünfhundertvierunddreißig«, erwiderte der Abteilungsleiter.

      »Ich fürchte, daß ich nach Eröffnung des Sonderverkaufs mit meinen Leuten nicht auskommen werde. Gestern sind wir nur mit knapper Not fertig geworden.«

      Bourdoncle nickte befriedigt. An einem Dienstag hatte er nicht mit fünfhundertvierunddreißig Briefen gerechnet.

      Dies war eine der kompliziertesten Abteilungen des Hauses, denn es war Vorschrift, daß alle am Morgen eingelaufenen Bestellungen bis zum Abend ausgeführt sein mußten.

      »Sie sollen so viel Leute bekommen, wie Sie brauchen, Levasseur«, sagte Mouret, der mit einem Blick festgestellt hatte, daß hier alles reibungslos lief.

      Im Stockwerk darüber, unter dem Dach, befanden sich die Schlafkammern der Verkäuferinnen. Doch Mouret ging jetzt hinunter und begab sich zur Hauptkasse, die neben seinem Arbeitszimmer lag. Der Raum war durch eine Glaswand mit Gitterfenstern gesichert: im Hintergrund sah man, in die Mauer eingelassen, einen riesigen Stahlschrank. Zwei Kassenführer verwalteten hier die Einnahmen, die Lhomme, der erste Kassierer, jeden Abend heraufbrachte; sie bestritten daraus sämtliche Ausgaben, bezahlten die Fabrikanten, das Personal und alle die Leute, die zu der kleinen Welt des Geschäfts gehörten. Von der Kasse gelangte man in einen zweiten Raum, wo zehn Angestellte damit beschäftigt waren, die Fakturen zu prüfen. Dann kam die Abrechnungsstelle; hier waren sechs junge Leute dabei, die Provisionsforderungen der Verkäufer an Hand der Kassenblocks zu überprüfen. Diese erst kürzlich eingerichtete Abteilung funktionierte schlecht.

      Als Mouret und Bourdoncle plötzlich eintraten, fuhren die jungen Leute, die sich unterhalten hatten, anstatt zu arbeiten, überrascht zusammen. Anstatt ihnen einen Verweis zu geben, setzte Mouret ihnen auseinander, daß er ihnen von nun an für jeden Fehler, den sie in den Kassenabrechnungen entdeckten, eine kleine Prämie aussetzen wolle. Als er hinausgegangen war, hatte das Lachen und Scherzen ein Ende; die Angestellten stürzten sich mit einem wahren Feuereifer auf ihre Arbeit und suchten nach Fehlern.

      Im Erdgeschoß ging Mouret geradeswegs auf die Kasse zehn los, wo Albert Lhomme auf Kunden wartete und sich soeben die Nägel polierte. Man sprach im Hause schon von der »Dynastie Lhomme«, seitdem Frau Aurélie, die Direktrice der Konfektionsabteilung, zuerst ihrem Mann den Posten des ersten Kassierers und dann auch noch ihrem Sohn die Stelle eines Abteilungskassierers verschafft hatte. Albert war ein blasser, liederlicher Bursche, der es nirgends lang aushielt und ihr viel Kummer machte.

      Als sie bei dem jungen Mann angekommen waren, trat Mouret in den Hintergrund; es widerstrebte ihm, sich durch die Rolle des Gendarmen etwas zu vergeben; er wollte lieber der väterliche Gebieter bleiben. Er stieß Bourdoncle, den Zahlenmenschen, leicht mit dem Ellbogen an und betraute ihn wie üblich stillschweigend mit dem Strafgericht.

      »Herr Albert«, sagte Bourdoncle laut, »Sie haben schon wieder eine Adresse falsch notiert, und das Paket ist zurückgekommen! ... Das geht so nicht weiter!«

      Der junge Kassierer suchte sich zu verteidigen und rief den Laufburschen Joseph, der das Paket fertiggemacht hatte, als Zeugen herbei. Dieser Joseph gehörte auch zur Dynastie Lhomme; er war ein Milchbruder Alberts und verdankte seine Stelle ebenfalls dem Einfluß von Frau Aurélie. Als Albert ihn drängen wollte, zu sagen, die Kundin sei selbst an dem Irrtum schuld, begann er zu stottern und zupfte an seinem schütteren Bart, der sein blatternarbiges Gesicht noch länger erscheinen ließ; er schwankte zwischen seiner Ehrlichkeit und der Dankbarkeit gegenüber seinen Beschützern.

      »Lassen Sie doch Joseph in Ruhe!« rief Bourdoncle endlich, »und widersprechen Sie nicht immer! ... Ihr Glück,


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