Im Zeichen des Drachen. Karl May
Читать онлайн книгу.als ein Dollar. Hier, nehmt das Rohr!“
Ich überzeugte mich, dass er richtig gesehen hatte. Die meisten Punkte wurden größer; wir hatten es mit fünfzehn Fahrzeugen zu tun, die, wie sich nach ihrem Bau vermuten ließ, je mit einem Mann besetzt waren.
„Tretet hinter dieses Riff!“, meinte ich. „Wir wissen nicht, in welcher Absicht sie kommen, und haben also keine Ursache, uns vorzeitig blicken zu lassen.“
„Wird uns der Mann da vorn nicht bereits wahrgenommen haben?“, fragte der Zimmermann.
„Nein“, antwortete Roberts. „Wir stehen zu seinem Auge zwar hoch gegen den Himmel, aber bevor wir nicht seinen Bord genau erkennen, kann er auch uns nicht bemerken. Übrigens muss er ein sehr gewandter und kräftiger Bursche sein. Schaut, Charley, wie geschickt er den Wind und mit den Rudern jede Woge benutzt! Er kommt wahrhaftig wie mit Dampfkraft näher und arbeitet, meiner Treu, als ob er verfolgt würde.“
„Das scheint auch wirklich der Fall zu sein, Käpt’n. Ich kann ihn mit dem Rohr deutlich erkennen und sehe, dass er sich zuweilen erhebt, um zurückzublicken.“
„Was tun wir, Charley?“
„Wir müssen die Sache untersuchen, ehe die anderen in Augenweite kommen. Sie mögen ihn verfolgen oder nicht, sie mögen uns freundlich oder feindlich gesinnt sein: Wir müssen uns so vorbereiten, als hätten wir einen Angriff zu erwarten.“
„Hm, ja, Ihr habt Recht. Aber – – hm! Werde ich an Bord angegriffen, so weiß ich, was ich zu tun habe. Hier zu Land jedoch – – hm! Ist es nicht am besten, wenn wir unsere Leute alle hier oben aufstellen? Wir wären dann gedeckt und könnten das ganze untere Gelände bestreichen.“
„Sehr richtig! Aber ist es nicht besser, die Gegner zwischen zwei Feuer zu nehmen?“
„Wieso?“
„Wir teilen uns. Während wir bei unseren Sachen für alle Fälle eine Wache zurücklassen, nimmt die eine Hälfte hier oben Stellung, die andere aber geht längs des Strandes vor, um auf jener Klippenreihe da links den Korallenring zu gewinnen. Dort legen sie sich, um nicht bemerkt zu werden, platt zur Erde. Falls es zum Kampf kommen sollte, eilen sie auf ein Zeichen längs des Rings bis zu der Stelle da gerade vor uns, wo die Korallen die Bucht umschließen, in die die Malaien allem Anschein nach eindringen werden. Auf diese Weise sind die Feinde eingeschlossen und müssen sich ergeben, wenn sie nicht sterben wollen.“
„Richtig, ja, das ist das Beste, Charley! Aber wie erfahren wir, was die Leute herbeiführt und welche Gesinnung sie gegen uns hegen?“
„Ich werde den Mann im ersten Boot empfangen und mit ihm sprechen.“
„Wirklich, das wollt Ihr? Wenn er Euch nun tötet?“
„Das wird er nicht tun, Käpt’n, darauf könnt Ihr Euch verlassen. Diese Leute sind entweder nach alter Weise mit Schleudern, Keulen, Pfeilen und Bogen, Lanzen und Wurfspießen bewaffnet, also einer guten Büchse gegenüber ungefährlich. Oder sie besitzen Schießgewehre, und dann sind das sicherlich nur alte Musketen und Steinschlossflinten von Anno Tobak her, die gegen unsere Bewaffnung nicht aufkommen. Wenn Ihr wollt, könnt Ihr mit Bob gleich hier bleiben; ich werde das Nötige anordnen.“
„Tut es, Charley! Ich weiß, dass Ihr das Richtige treffen werdet.“
Ich eilte hinab.
„Was habt Ihr gesehen, Sir?“, fragte mich der Steuermann, als ich unten anlangte.
„Fünfzehn Wilde, die in ebenso vielen Booten nach der Südbucht kommen.“
„Well, das ist gut, denn dann können wir ja gleich erfahren, welchen Namen diese verwünschte Insel hat. Ihr kommt doch, um uns zu sagen, dass wir uns bewaffnen sollen?“
„Allerdings. Huck und Classen mögen hier bei den Sachen bleiben. Ihr, Maat, geht mit der Hälfte der Leute da hinaus auf den Ring und bewegt Euch vorsichtig vorwärts, bis Ihr die Bucht erblickt. Da legt ihr euch platt nieder, damit ihr nicht von den Feinden bemerkt werdet! Kommt es zum Kampf, so erhebt ihr euch beim ersten Schuss oder auf ein Zeichen von mir und lauft vorwärts, um die Bucht zu umschließen. Habt Ihr mich verstanden?“
„Aye, aye, Sir!“
„Dann vorwärts! Es ist keine Zeit zu verlieren.“
Der Steuermann verteilte schnell Waffen und Munition unter seine Leute und eilte mit ihnen davon.
„Ihr anderen geht hinauf zum Kapitän! Nehmt seinen Schiffssäbel und seine Flinte mit, auch für den Zimmermann ein Gewehr!“
Sie hatten sich bereits bewaffnet und schritten der Anhöhe zu. Ich selber steckte das Messer und den Revolver ein, griff zum Stutzen und eilte längs des Hangs hin, um dem Inhaber des ersten Boots entgegenzugehen. Die Insel war nicht groß: Ich bekam ihn bereits nach zehn Minuten zu Gesicht. Er näherte sich schon dem Korallenring, der nur eine so schmale Durchfahrt frei ließ, dass man sie mit einem guten Anlauf überspringen konnte. Sein Segel war jetzt gerefft und er bediente sich bloß der Ruder, um die schwierige Stelle zu überwinden.
Es gelang ihm. Die Brandung trieb ihn durch den engen Kanal in das ruhige Wasser der Bucht. Hier erhob er sich hart hinter den Korallen. Er hatte die Ruder weggelegt und zu Pfeil und Bogen gegriffen. Nach der Insel gewandt, legte er den Pfeil auf den Bogen und schoss. Der Pfeil erreichte das Land an einer Stelle, die etwa zwanzig Schritte von der Küste einwärts lag.
Jetzt war ich gewiss, dass er von den anderen verfolgt wurde. Jedenfalls beabsichtigte er, vom Land aus die Durchfahrt zu verteidigen, und hatte erproben wollen, ob ihm das mit dem Pfeil möglich sei. Nun griff er wieder zum Ruder und kam herbei.
Diese Seite der Insel zeigte eine dichtere Vegetation die nördliche, auf der wir unser Lager aufgeschlagen hatten. Es gab hier hohen, breitwedeligen Farn, der ein unbemerktes Anschleichen begünstigte. Ich pirschte mich so schnell wie möglich näher.
Er stieß sein Kanu ans Ufer. Es war eins der auf den Gesellschaftsinseln gebräuchlichen, einfach aus einem Stamm gehauenen Fahrzeuge mit einem runden Boden. Durch diese Bauart vermag ein solcher Kahn rascher zu segeln, würde aber auch sehr leicht umschlagen, wenn er nicht durch einen so genannten Outrigger3 davor bewahrt würde.
Diese Ausleger bestehen aus zwei quer über das Kanu befestigten Stangen oder Hölzern, die nach rechts hinaus einen leichten, kufenartig geschnittenen Balken halten, der gleichlaufend mit dem Kahn unter die Hölzer gebunden ist. Der Balken schwimmt also, etwa vier Fuß vom Steuerbord des Kahns entfernt, auf dem Wasser und ist mit Baststricken fest an die Querhölzer geschnürt. Ein Umschlagen des Fahrzeugs, ja selbst ein Schaukeln wird dadurch zur Unmöglichkeit gemacht. Denn das Boot kann nicht nach links hinüberkippen, weil es dann den ganzen nahezu eineinhalb Meter abstehenden Balken aus dem Wasser heben müsste; und nach rechts ebenso wenig, da sich der aus leichtem Holz bestehende Balken mit den Querstangen und auf diese Entfernung hin nicht unter Wasser drücken lässt. Diese Kanus fahren daher selbst bei unruhiger See sicher und zuverlässig. Freilich würde man sich ohne die Ausleger nur äußerst vorsichtig darin bewegen dürfen, da der runde Boden der geringsten Neigung des Körpers folgt; bei der kleinsten Schwankung liefe man nicht nur Gefahr, zu kentern und ein unfreiwilliges Bad zu nehmen, sondern man könnte diesen an und für sich kleinen Unfall leicht mit dem Leben bezahlen, da die Buchten und sonstigen Wasser dieser Inseln von gefräßigen Haien wimmeln.
Der Verfolgte zog sein Boot halb aus dem Wasser, hing sich den Köcher über, nahm den Bogen zur Hand und griff dann auch nach einer Flinte, deren Riemen er über die Schulter legte. Er schritt nach der Stelle, wo sein Pfeil lag, hob ihn auf und marschierte dann in gleich großen Schritten und gerader Linie landeinwärts. Jedenfalls wollte er die Entfernung messen für den Fall, dass seine Verfolger in die Bucht drangen und zu landen versuchten. Sein Benehmen war das eines kühnen und dabei doch vorsichtigen Mannes, der keinen Umstand, der ihm nützlich sein kann, unberücksichtigt lässt. Er näherte sich mir dabei so, dass ich ihn deutlich seine Schritte zählen hörte.
„Satu, dua, tiga, ampat, lima, anam, tudschuh, dalapan, sambilan, sapuluh“,