Historische Translationskulturen. Группа авторов

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Historische Translationskulturen - Группа авторов


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      Pekka Kujamäki / Susanne Mandl / Michaela Wolf (Hrsg.)

      Historische Translationskulturen

      Streifzüge durch Raum und Zeit

      Narr Francke Attempto Verlag Tübingen

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      Covergestaltung: Pocket watch, annca ©Pixabay

      DOI: https://doi.org/10.2357/9783823393849

      © 2020 · Pekka Kujamäki / Susanne Mandl / Michaela Wolf

      Das Werk ist eine Open Access-Publikation. Es wird unter der Creative Commons Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen | CC BY-SA 4.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/) veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, solange Sie die/den ursprünglichen Autor/innen und die Quelle ordentlich nennen, einen Link zur Creative Commons-Lizenz anfügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden. Die in diesem Werk enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der am Material vermerkten Legende nichts anderes ergibt. In diesen Fällen ist für die oben genannten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen.

      Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG

      Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen

      www.narr.de[email protected]

      E-Book-Produktion: pagina GmbH, Tübingen

      Print-ISBN 978-3-8233-8384-0

      ePub-ISBN 978-3-8233-0214-8

      Zur Konstituierung und Verortung von Translationskulturen in Theorie und Praxis. Eine Einleitung

      Pekka Kujamäki

      Die Praxis des Übersetzens und Dolmetschens ist, wie nicht zuletzt an ihrer historischen Reflexion erkennbar, Teil multiperspektivischer, (pluri)kulturgebundener Prozesse, die zur zeit- und ortsgebundenen Etablierung von Translationskulturen führen. Den Hintergrund des vorliegenden mehrsprachigen Sammelbandes bildet ein Forschung und Lehre verschränkendes Projekt, in dessen Rahmen sich Lehrende des Grazer Instituts für Translationswissenschaft von diesem Grundgedanken ausgehend einem translatorischen Phänomen in einer ausgewählten historischen Periode widmeten. Den hier vorliegenden Artikeln gemein ist das Ziel, einen Beitrag zur Beschreibung von Translationskulturen in Arbeitssprachen und -kulturen des Instituts sowie zur Analyse ihrer sozialen und kulturellen Relevanz zu leisten, ihre Ausformungen, Bedingungen und die historische Dynamik dieser Translationskulturen zu identifizieren und sie im Kontext ihrer makro- und mikrohistorischen Einflussfaktoren bzw. Steuerungsmechanismen zu korrelieren. Die Diskussion um das translationshistorisch relevante Phänomen der Translationskulturen wurde außerdem, nach einer internationalen Begutachtungsrunde, in den sprachspezifischen translationsdidaktischen Lehrveranstaltungen des Instituts fortgesetzt, in denen die Artikel mit den Studierenden in eine weitere Sprache übersetzt wurden.1

      Potenzial des Konzepts Translationskultur

      Im Mittelpunkt des Bandes steht das von Erich Prunč seit 1997 entwickelte Konzept, das auf unterschiedliche Sprach- und Kulturräume übertragen, in diesen erprobt und dadurch eventuell auch erweitert wird.

      Ein Blick auf Prunčs Umgang mit seinem Konzept ergibt einen seit seiner Ersterwähnung im Jahr 1997 stabil gebliebenen begrifflichen Kerninhalt, den Prunč etwa 2001 wie folgt zusammenfasste:

      Unter Translationskultur wollen wir das historisch gewachsene, aktuell gegebene und grundsätzlich steuerbare Subsystem einer Kultur verstehen, das sich auf das Handlungsfeld Translation bezieht und aus einem Set von gesellschaftlich etablierten Normen, Konventionen, Erwartungshaltungen und Wertvorstellungen aller in dieser Kultur aktuell oder potentiell an Translationsprozessen beteiligten Handlungspartner besteht (Prunč 2001: 285; vgl. auch Prunč 1997: 107, 2008: 24f. u. 2017: 32f.)

      Mit Translationskultur wurde von Prunč ein multiperspektivisches Konzept entworfen, das sowohl die translatorischen Handlungsformen als auch den sie prägenden zeitbedingten, normativen und diskursiven Handlungsraum erfassen sollte. Im Gegensatz zu diesem Kerninhalt erfuhr das Konzept die stärksten Änderungen vor allem in seiner theoretischen Untermauerung: Wo sich das Konzept zunächst (vgl. Prunč 1997; 2001) noch primär an funktionale Translationstheorien bzw. translatorische Handlungstheorien (vgl. u.a. Vermeer 1983; Holz-Mänttäri 1984; Reiß/Vermeer 1984; Nord 1989; Vermeer 1990) und Begrifflichkeiten der deskriptiven Translationswissenschaft anlehnte, wurde es später stärker mit soziologischen Perspektiven, insbesondere mit Bourdieus Kapital- und Habitus-Begriffen, verknüpft (vgl. Prunč 2008). Die konsequent vollzogene gesellschaftliche und kulturelle Einbettung der Translationskultur als „gesellschaftliches Konstrukt“ stellte das „innovative und produktive“ Potenzial des Konzepts (vgl. Schippel 2008) immer deutlicher in den Vordergrund, wobei dieses bis heute alles andere als ausgeschöpft ist.

      Ob in der Praxis des Gebärdensprachdolmetschens (Grbić 2010) oder des modernen Translationsmanagements (Risku 2010), im Spannungsfeld des Community Interpreting in Einrichtungen der Sozialverwaltung oder bei der Polizei (Pöllabauer 2006, 2010), gemein ist diesen und anderen Projekten, in denen das Konzept bisher erprobt wurde, die Tatsache, dass dies in der deutschsprachigen Translationswissenschaft geschah. Außerhalb derselben sind derartige Anwendungsversuche viel seltener, was sicherlich in nicht geringem Ausmaß damit zusammenhängt, dass Prunčs theoretische Ausführungen nur beschränkt auf Englisch vorliegen. Dementsprechend unsichtbar ist das Konzept in dem einschlägigen englischsprachigen Diskurs auch geblieben. Eine kurze Diskussion des Konzepts ist in Anthony Pyms (2006) Einführung zum Sammelband Translation and interpreting: Socio-cultural perspectives wie auch in Sonja Pöllabauers (2006) Beitrag zu demselben Band zu finden. Auf Englisch wird auf das Konzept auch in einigen Beiträgen aus dem finnischen Forschungsprojekt In Search of Military Translation Cultures flüchtig eingegangen, in dem der Versuch unternommen wurde, die translatorische Praxis mit ihren AkteurInnen und Rahmenbedingungen im Zweiten Weltkrieg in Finnland als Translationskulturen zu rekonstruieren (vgl. z.B. Kujamäki 2012; Kujamäki/Footitt 2016). Anzumerken ist schließlich auch, dass das englische Pendant translation culture terminologisch gesehen nicht ohne Probleme zu sein scheint, weil damit gelegentlich auch das benachbarte Konzept Übersetzungskultur ins Englische übertragen wird und weil auch andere ähnlich klingende Bezeichnungen wie cultures of translation (vgl. Baer 2011) oder translational cultures (Simon 2011: 17; Flynn/Doorslaer 2016: 76) oft irreführend einen ähnlichen Begriffsinhalt vermuten lassen.

      Über das oben genannte Potenzial ist nichtsdestotrotz nicht hinwegzusehen. Es schlägt sich vor allem in der Perspektivenvielfalt nieder, die aus dem Konzept abgeleitet werden kann. Wie auch der angeführten Definition zu entnehmen ist, wird Translationswissenschaft mit der Translationskultur vor zwei Aufgaben gestellt, bei denen das Konzept je nach den Zielsetzungen den Forschungsgegenstand oder die methodologische Grundlage der Analyse darstellen kann: Zum einen geht es um die Rekonstruktion und kritische Auswertung historischer bzw. gegenwärtiger Translationskulturen, um Gesetzmäßigkeiten von Translation, ihre jeweilige gesellschaftliche Rolle und ihre kommunikativen Ausprägungen, das Beziehungsgeflecht der im Handlungsraum beteiligten Institutionen und Akteur/innen sowie das manipulative Potenzial der translatorischen Agency aufzuzeigen (vgl. Prunč 1997: 107; Prunč 2017: 32). Zum anderen steht die Translationswissenschaft aber auch vor der ethisch und moralisch geprägten Aufgabe, unter anderem auf Rekonstruktionen und kritische Status-quo-Deskriptionen aufbauend, im Sinne einer Konstruktion von Translationskulturen zu agieren, wobei der Idealtypus bzw. die „Utopie“ einer demokratischen Translationskultur mit ihren vier Prinzipien (Kooperativität, Loyalität, Ökologizität und Transparenz) den angestrebten Zielwert darstellt (vgl. Prunč 2008: 30–34; 2017: 32–36).

      Im Mittelpunkt des vorliegenden Buchs steht die erstgenannte historisch-rückblickende Aufgabe,


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