Die Piraten des indischen Meeres. Karl May

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Die Piraten des indischen Meeres - Karl May


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Haie hätten mich längst verschlungen, wenn du mich nicht gerettet hättest. Ihr müsst nämlich wissen, Charley, dass ich einmal mit meiner Dampfjacht eine Fahrt um diese langweilige Insel unternahm. Ich kam an die Bänke von Negombo, und da ich die Perlfischerei sehen wollte, hielt ich mich an den Wanten fest. Wir aber kannten das Fahrwasser nicht, streiften an ein Riff, und ich wurde von dem Stoß, der dabei erfolgte, über Bord geworfen.“

      „Man stoppte doch sofort die Maschine, Sir?“

      „Hat sich ein Stoppen, Charley! Da ich die Jacht stets selber befehlige und der Steuermann verteufelt beschäftigt war, vom Felsen abzuhalten, war niemand da, der dem Maschinisten den Auftrag hätte erteilen können. Übrigens hatte, wie sich später herausstellte, kein Mensch meinen Unfall bemerkt. Hist, ich sage, kein Mensch, und das ist nicht wahr, denn dieser brave Bursche hier hatte es doch beobachtet. Er war drei Minuten lang unter Wasser gewesen und kam ermattet und mit einer schweren Ladung Muscheln zur Oberfläche empor. In diesem Augenblick sah er mich fallen, ließ die Muscheln wieder zur Tiefe, kam auf mich zu und fasste mich. Es dauerte allerdings eine gute Weile, bis er mich hatte, denn die Strecke von ihm bis zu mir war ganz bedeutend, und obgleich ich kein übler Schwimmer bin, fühlte ich mich vollständig ermattet, sodass er gerade zur rechten Zeit kam, mich über Wasser zu halten. Auf der Jacht hatten sie endlich doch bemerkt, was geschehen war. Man setzte ein Boot aus und holte uns an Bord. – Du bleibst jetzt hier, Kaladi, und wartest auf uns! Ihr aber, Charly, begleitet mich zum Mudellier!“

      Wir schlossen den Singhalesen ein und gingen.

      Vor der Wohnung des Beamten lungerte eine Menge seiner Untergebenen herum. In diesen Länderstrichen hat jeder wohlhabende Mann für jede besondere Handreichung auch einen besonderen Bedienten. Das ist bedingt durch das Kastenwesen und wird ermöglicht durch die überaus große Billigkeit der Löhne und aller Dinge, die zur Notdurft des Leibes und des Lebens erforderlich sind.

      „Wollt ihr zum großen Mudellier?“, fragte einer von den Leuten.

      „Allerdings.“

      „Da müsst ihr morgen kommen. Jetzt ist es zu spät.“

      Raffley nahm den Mann und schob ihn fort.

      „Fool, Narr, mach dich beiseite!“

      Im Nu waren wir umringt. Einige hatten sogar die Verwegenheit, uns anzufassen. Sir John ließ durch eine ihm eigentümliche Bewegung der Gesichtsmuskeln, die auf gute Laune des Sonderlings deutete, den Klemmer auf die Nasenspitze vorrücken, erhob den Schirm und zog damit dem ihm zunächst Stehenden einen Hieb übers Gesicht, dass dieser weit zurücktaumelte.

      Das setzte uns sofort in die gewünschte Achtung, sodass wir nun ungehindert eintreten konnten.

      „Seht Ihr, Charley, was meine Chair-and-umbrella-pipe zu bedeuten hat? Sie ist ein Allerweltsreisegerät, wie es sicher kein zweites gibt“, lachte höchst befriedigt der Engländer. „Vielleicht kann ich es gleich zum zweiten Mal beweisen.“

      Wir waren durch die Veranda in ein Vorzimmer gelangt, dessen Wände die Decke nicht erreichten, sondern nur bis etwas über Mannshöhe emporgingen, um der Luft den freien Zustrich zu gestatten. Man findet diese dem Klima angemessene Bauart fast an jedem Haus von Point de Galle. Hier saßen auf Bastmatten zwei Diener, die sich erhoben und die schon vorher an uns gerichtete Frage wiederholten.

      „Ihr wollt zum großen Mudellier?“

      „Ja.“

      „Er ist am Abend nicht zu sprechen. Wer hat euch eingelassen?“

      „Wir selbst, wenn’s euch beliebt.“

      „Geht und kommt morgen wieder!“

      „Das wird sich nicht gut machen, meine Jungens.“

      Raffley schritt ohne Umstände auf den Eingang des nächsten Zimmers zu, doch stellten sich ihm die beiden Männer sofort entgegen.

      „Halt! Der Eintritt ist verboten. Geht zurück!“

      „Well! Und dann wieder vorwärts. Kommt her, Jungens!“

      Er fasste den einen mit dem rechten und den anderen mit dem linken Arm, trug sie zum Eingang zurück und schleuderte sie hinaus unter die anderen, denen ihre bereits erschütterte Fassung jetzt vollends verloren ging. Ein fürchterliches Geschrei war die Folge des ungewöhnlichen Angriffs, Raffley aber blieb von dem Lärm unberührt. Er schob seinen Klemmer zurück und fasste mich am Arm.

      „Kommt, Charley, sonst verkriecht sich dieser Mudellier und denkt, dass er auch hinausgeworfen werden soll.“

      Wir traten in das nächstfolgende Gemach. Es war aus Bambuswänden gefertigt, die eine Bekleidung von Bananenblättern trugen. Von der Mitte des deckenlosen Raums hing an einer Kreuzschnur eine Lampe hernieder, die ihren matten Schein über einen kostbaren persischen Teppich breitete, auf dem der, nach dem wir suchten, mit untergeschlagenen Beinen in der Stellung saß, die der Türke Rahat atturmak, d. i. Ruhe der Glieder, nennt. Der kleine, schmächtige Beamte war in gelbe Seide gehüllt, und seine groß auf uns gerichteten Augen, seine halb geöffneten Lippen und der erstaunte, ängstliche Ausdruck seines Gesichts bewiesen, dass er den von uns verursachten Lärm vernommen hatte und unseren Eintritt keineswegs als ein gleichgültiges Ereignis betrachtete.

      „Good day, Sir!“, grüßte John Raffley englisch, obgleich er wusste, hier einen Eingeborenen vor sich zu haben.

      Dieser erwiderte den Gruß und auch meine stumme Verneigung mit einem leisen Nicken seines Haupts und fragte dann:

      „Was wollt ihr?“

      „Uns setzen!“, bemerkte der Englishman einfach, indem er sich sofort zur rechten Seite des Mudellier niederließ und mir einen Wink gab, dasselbe auch auf der linken zu tun. Ich folgte seinem Beispiel, dann fuhr er fort: „Du bist der weise Mudellier, der Gericht hält über die Sünden der Stadt Point de Galle?“

      „Ja.“

      „Wie ist dein Name?“

      „Meine Name ist Oriwana ono Javombo.“

      „Well, du hast einen stolzen und wohlklingenden Namen. Aber ich sage dir, Oriwana ono Javombo, dass du nicht lange mehr Mudellier sein wirst.“

      Der Beamte horchte auf.

      „Was sagst du? Ich verstehe dich nicht.“

      „Sag, wem gehört diese Insel?“

      „Der großen Königin in Anglistan.“

      „Und wer hat dir dein Amt gegeben?“

      „Der Gouverneur, der ein Diener unserer mächtigen Herrscherin ist.“

      „Er kann es dir auch wieder nehmen?“

      „Ja, wenn es ihm beliebt.“

      „Nun wohl, es wird ihm belieben.“

      „Warum?“

      „Weil du dich versündigst an dem Eigentum derer, die über dich zu gebieten haben.“

      „Hüte dich, Franke! Dein Mund redet die Unwahrheit von einem treuen Sohn der großen Königin.“

      „Kennst du den Namen Kaladi?“

      „Ich kenne ihn. Kaladi ist zweimal entsprungen, um dem Tod zu entgehen, doch meine Leute sind hinter ihm und werden ihn wiederbringen.“

      „Welches Recht hast du, ihn zu verfolgen?“

      „Er hat einen Menschen getötet.“

      „Er hat bloß einen nichtswürdigen Chinesen getötet. Kanntest du den Toten?“

      „Es war ein Mann von der Dschunke Haiang-dze. Er hatte die Verlobte Kaladis angerührt und dieser stach ihn nieder. Der Kapitän der Dschunke kam zu mir und verlangte Gerechtigkeit.“

      „Hast du sie ihm gegeben?“

      „Ich werde sie ihm geben, sobald Kaladi wieder vor mir steht.“

      „Well, das ist es ja, was ich


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