Die Musikantenstadt. Max Geißler

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Die Musikantenstadt - Max Geißler


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sah ein wenig betreten nach seiner beerensuchenden Frau. Das verstand der Wildschütz.

      „Ah pah!“ sagte er und schlug in den Wind. „Angst haben die Weibsleut nur die ersten zwei Male, hernach — es fehlt nicht viel, so lüden sie sich selber ein Schiesseisen auf. Das kennen wir. Und nun gerade die deinige, — wenn sie heute den Wächter so fein heimgeschickt hat!“

      Das verschlug. Sie wurden einig: in der Samstagnacht erwarten sie einander beim Steinhof, kriegen den Bock und machen halbpart.

      Weil die Annemirl aber immer noch Schwarzbeeren las, sagte Veit:

      „Pechschaber, es ist möglich, ich bring da noch zwei Leute mit! Nicht, dass ich dich vergrämen will, aber die Förster und Heger sind uns daheroben seit einiger Zeit höllisch dicht auf den Fersen. Ich denke, wir vier, wir können uns aufeinander verlassen. Schmuggeln und Wilpertschiessen, Schwämme suchen und Holz lesen, — wovon soll denn sonst einer leben im Wald? Keiner ist, der nicht darauf aus wär’. So machst du’s halt auch mit. Und dabei lässt sich leben. Mit der Musik ist’s nicht mehr weit her, Girgl, gelt?“

      Der schlug in die Luft: „Gar aus ist’s mit der Kunst, Mann!“

      Veit schickte sich an, sich sein Bündel Astholz wieder aufzuladen, wobei ihm der Pechschaber half. Die Annemirl war auch herangekommen.

      „Also, b’hüt Gott miteinander und auf Samstag Nacht!“

      Das Holz hatte eine schwere Last; denn wie der Wildschütz damit über den Wurzelgrund stampfte, schütterte die Erde.

      Eine Weile später schnürten sich auch die Pechschaberleut ihre Bündel auf den Rücken. „Annemirl, gut ist’s, dass wir uns gegenseitig nicht so eine Last sind!“ sagte der Mann.

      Die Frau nickte frohgemut. Dann nahm jedes einen Ast in die Hand: als Stütze den Bergabhang hinab. Und die Annemirl trug die gesammelten Beeren sorgsam vor sich her.

      So langten sie beim Steinhof an. Die Sonne umgoldete die Bergkuppen und warf roten Sammet in die Wipfel der Fichten. Da flatterten die Amseln in das purpurne Licht und flöteten.

      Während die Annemirl bald darauf einen Teil des eingetragenen und zerkleinerten Holzes hinter dem Ofen sauber aufschichtete, stand der Pechschaber mit der Axt vor dem Schupfen hinterm Haus. Und wie er das Dürrholz kleinschlug, dachte er:

      „Ein gescheites Weib muss der Mensch haben; ein Musikantenpärlein braucht er auch; dazu ein Dach und ein Bett; und ein — Schiesseisen tät auch not. Glaubt einer gar nicht, wieviel sein muss, eh’ er sich sein kleines Glück zusammenrichtet!“

      Und das Schiesseisen machte dem Girgl heimliche Sorgen.

      6.

      Am Samstag, wie die Sonne niederging, legte der Pechschaber seinem Weib die Hände auf die Achseln:

      „Annemirl, heut nacht wird etwas geschehen, musst dich aber nicht fürchten! Wenn die Mitternacht vorbei ist, pocht es ans Fenster.“

      Da wurden die Augen der Frau weit: „Wilpert schiessen wollt ihr gehen miteinander! Sag’s nur frei heraus, Girgl!“

      „Justament erraten hast’s, du!“ lachte er. „Das heisst, diesmal lauf ich nur so mit; zuschauen, weisst.“

      Die Annemirl hob den Finger:

      „Mitgegangen, mitgefangen, mitgehangen, Brüderlein!“

      „Pah!“ machte der Pechschaber, trat ans Fenster und richtete sich ein altes Rauchpfeiflein zurecht.

      „Du,“ rief ihm die Annemirl hin, „teueren Rauchtabak willst auch wieder in die Luft blasen?“

      „I nein,“ begütigte der Girgl, schaute dabei aber nicht auf, „ehbevor wir nicht den Bock erwischt haben, eh’ kommt kein Rauchtabak ins Haus.“

      Dabei beschied sich die Frau.

      Sie hatte sich gewöhnt, dem Pechschaber ein wenig nachzurechnen. Der war seintag nicht mit dem Gelde zurechtgekommen und war von jener Art Leute, die sich einbilden, ein Silbergulden wär ein solcher Haufen Geld, dass er gar nicht totzukriegen sei. Aber wenn der Mann sonst keinen Fehler hat und der Frau neidlos das Geldtäschlein überlässt, weil er sich sagt: ‚Nun bin ich auch noch dieser letzten Sorge ledig und bin der glücklichste Mensch auf der Welt‘, so ist schon fein mit ihm leben.

      So dachte auch die Annemirl. Sie hatte sich den Girgl nun vier Jahr lang angeschaut: Fehler hatte er sonst keinen.

      In den Fenstern löschte die Sonne aus.

      Da legten sich die Pechschaberleut im Steinhof aufs Stroh, und wie die Bettstatt geseufzt hatte, redeten sie noch ein paar Wörtlein. Der Kauz klagte draussen. Sie schwiegen, aber sie schliefen dennoch nicht; und lagen doch beide ganz still, um sich einander nicht zu verraten.

      Da kicherte die Annemirl einmal heimlich in ihren Bettzipfel, und als der Girgl seine Stirn nun ganz dicht an die ihre legte, sagte sie mit leisem Vorwurf gegen sich selber:

      „Lachen muss ich, und eine Furcht sollt ich haben.“

      Sie stützte sich auf den Ellenbogen. Das silberne Licht des Mondes fiel an die verhangenen Scheiben.

      „Du,“ sagte sie, „wenn sie dich in dieser Nacht anschiessen, ich weiss nicht was ich tu!“

      Der Pechschaber sah mit weit geöffneten Augen an die Decke und dachte: ‚Es ist schon recht, was der Veit gemeint hat von der Furcht der Weiberleut!‘ Er sagte aber:

      „Grimm dich nicht, Frau! Bald wirst du am liebsten selber mit auf die Wildbahn schleichen.“

      Da war draussen am Fenster in der Schattenwand des Hauses ein leises Klopfen vernehmbar.

      Die Pechschaberleute sprangen aus dem Bett, als hätten sie gefühlt, dass eine Otter zwischen ihnen über das Laken glitt. Die Annemirl warf sich rasch ein knielanges Röcklein über; — nun hatten sie schier drei Stunden gelegen und gelauscht und fuhren doch umher, als wären sie aus tiefstem Schlafe geschreckt worden. Während die Frau das Rockband sich knüpfte, sagte sie:

      „Möcht’ ich dir etwan ein Brot schneiden, Mann?“

      Der tat inzwischen den Fenstervorhang ein wenig zur Seite, um denen draussen ein Zeichen zu geben; dann sagte er:

      „Was willst du denn eigentlich aus dem Bett, Annemirl? Geh’ her und schlaf fix noch ein paarmal rum, dass du fertig wirst; denn bald reibt sich der Tag den Schlaf aus den Augen! Und ein Brot? Nein, ist nicht nötig. Nicht lang — so balzt der Spielhahn, und da möchten wir schon daran denken, uns wieder an den Steinhof heranzupirschen.“

      Die Frau setzte sich auf den Bettrand:

      „Jessmaria, wie du red’st, Girgl, schon wie ein richtiger Wildschütz!“

      Nun drückte sich der Pechschaber den grünen Hut auf den Kopf und stieg zum Fenster hinaus: „Damit die alt Steinhöferin nicht aus dem Schlaf fährt,“ sagte er; „wenn die mir über den Weg lief, Annemirl, keinen Schritt tät ich auf die Wildbahn, diese Nacht nicht!“

      Dann glitt er draussen hinab. Und die Annemirl rief ihm nach:

      „Das hättest du mir früher sagen müssen; leicht, sie wär dir dann dagestanden, die alte Steinhöferin — ein böses Zeichen auf deinem Weg! So wärst mir wenigstens daheimgeblieben.“

      Es war die heimliche Sorge, die aus ihr sprach. Dann schloss sich das Fenster, und die Annemirl legte sich wieder auf den Strohsack. Aber sie lag mit weiten Augen und wachen Ohren, — ob sie ein Schiessen vernähme den Berg herein.

      Der Mondschein lag wieder klar hinter den Scheiben, und nur aus dem Tal herauf klang das dumpfe, eintönige Rauschen des Wildwassers.

      7.

      Wie der Pechschaber draussen im Mondscheine stand, sah er nach der Waldecke hin und den Hang hinauf die breite Fährte der Wilderer im Tau; und ein Stück droben bemerkte er einen Mann, der gerade Deckung suchte. Er schritt nun


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