Der verlorene Sohn - Der Fürst des Elends (Kriminalroman). Karl May

Читать онлайн книгу.

Der verlorene Sohn - Der Fürst des Elends (Kriminalroman) - Karl May


Скачать книгу
Du hin, meine Tochter? In das Krankenhaus?«

      »Natürlich!«

      »Wo es giebt Blattern und Epidemie!«

      »Danach frage ich nicht!«

      »Typhus, Seuchen und Scharlachfieber! Willst Du holen die Ansteckung für mich und Deine Mutter, daß wir plötzlich sterben mit einander am epidemischen Wadenkrampf? Du bleibst hier! Warum willst Du sein eine barmherzige Schwester?«

      »Es ist meine Pflicht!«

      »Wai geschrieen? Was ist Pflicht? Was hast Du für Gewinn als barmherzige Schwester? Warte noch ein Weilchen, so wirst Du sein seine barmherzige Frau! Das ist besser als Schwester! Auch hast Du uns noch gar nicht gesagt, ob der Herr Assessor hat gefragt, warum wir haben geborgt an Bertram unser Geld.«

      »Weil er sich in Noth befand.«

      »Hast Du gesprochen von Prozentchen?«

      »Nein.«

      »Das ist klug und schön von Dir! Das bringt in noblen Ruf mein ganzes Geschäft. Einem Dichter borgt man nicht gegen Zinsen. Aber, Judithleben, hast Du vielleicht gesprochen von dem Pfande, welches er hat gelassen in unseren Händen?«

      »Kein Wort.«

      »Das ist weise gehandelt. So weiß also der Herr Assessor gar nichts von der Kette mit dem Wappen?«

      »Ich werde mich hüten, davon zu sprechen.«

      »So bist Du die Nachkommin von Salomon Levi, welche hat geerbt von ihm seine ganze Klugheit. Von dieser Kette darf kein Mensch erfahren. Man darf nicht ahnen, daß ich habe einen Schwiegersohn, welcher macht so berühmte Gedichte, weil er ist ein heimlicher Herr von Adel. Also sei still und gehe nicht nach dem Krankenhause!«

      Und sie ging doch, natürlich ohne Wissen ihrer Eltern, wurde aber nicht vorgelassen.

      Kurz nachdem der Fürst bei dem Assessor gewesen war, ließ sich Herr August Seidelmann bei demselben melden. Als er vorgelassen wurde, empfing ihn der Beamte mit der Frage:

      »Sie haben jedenfalls die heutige Publication in Betreff unseres Robert Bertram gelesen?«

      »Allerdings! Er ist frei?«

      »Ja. Seine Unschuld ist bewiesen.«

      »So ist natürlich auch seine Schwester unschuldig?«

      »Ja. Sie wurde gestern nicht sofort entlassen, da ich erst zu Ihnen senden wollte. Sie haben mir das Mädchen gebracht; Sie sind der Vormund desselben, und so möchte ich die unschuldig Eingekerkerte auch wieder Ihnen übergeben.«

      »Ich komme aus diesem Grunde, Herr Assessor!«

      »Hier liegt bereits der Entlassungsbefehl für den Wachtmeister. Gegen Uebergabe desselben erhalten Sie das Mädchen. Wollen Sie aber nicht einsehen, wie man sich irren kann? Ihre Aussage trägt einen großen Theil der Schuld, daß die beiden Geschwister für wirklich schuldig gehalten wurden.«

      »Um so inbrünstiger danke ich Gott, daß sie es nicht sind. Meine Mündel wird geläutert aus dieser Trübsal hervorgehen, und die kurze Zeit dieser Prüfung wird ihr Gnade bringen für ihr ganzes Leben!«

      Er ging und bekam Marie Bertram ausgehändigt.

      Sie war noch ganz dieselbe, gab monotone Antworten auf seine Fragen und folgte ihm willig, wohin er sie führte. Und wohin war das? Natürlich wieder nach der Ufergasse zu der Rentiere Madame Adelheid Groh, welche das Mädchen sofort in ihre liebevolle Pflege nahm.

      Von dem Krankenhause weg fuhr der Fürst nach Hause. Dort kleidete er sich um und begab sich an das Wasser zu dem alten Apotheker.

      Er hatte sich so verkleidet, daß er unmöglich zu erkennen war. Obgleich er noch nie hier gewesen war, sah er sich doch durch den Diener Adolf über Alles unterrichtet. Er fand die Hausthüre verschlossen und klopfte. Ein Kopf erschien am Fenster, und dann wurde die Thür geöffnet. Der Apotheker stand selbst hinter derselben.

      »Wohnt hier Herr Apotheker Horn?« fragte der Fürst.

      »Sehr wohl, mein Herr!«

      »Kann man mit ihm sprechen?«

      »Ja. Ich bin es selbst. Wo wollen wir miteinander reden?«

      »Unten.«

      »Vorn oder hinten?«

      »Hinten.«

      »Ah, ich sehe, Sie wissen Bescheid!«

      »Vielleicht besser, als Sie denken! Verschließen Sie die Thür. Ich will nicht haben, daß wir unterbrochen werden.«

      »Wollen Sie nicht vorher bei meinen Töchtern eintreten?«

      »Danke! Ich rauche nicht neubackene Cigarren und habe auch nicht die Absicht, zu heirathen!«

      Das wollte den Alten denn doch verdrießen.

      »Wer hat Ihnen das zugemuthet?« fragte er kurz und scharf.

      »Das ist die Frage gar nicht. Ich habe Ihnen gesagt, daß ich unten und hinten im Keller mit Ihnen zu reden habe. Also allons!«

      So war dem Alten noch Niemand gekommen. Sollte er sich fügen oder auch grob werden? Er entschloß sich für das Letztere.

      »Allons, sagen sie? Gut, allons wieder fort! Hier hinaus!«

      Er öffnete die Thür von Neuem und deutete nach der Straße. Der Fürst aber antwortete lachend:

      »Meinen Sie wirklich, daß Sie der Mann sind, von welchem man sich fortjagen läßt? Ich habe mit Ihnen zu sprechen. Hier, sehen Sie sich diesen Gegenstand an!«

      Er zeigte ihm die Polizeimarke. Der Alte erbleichte.

      »Ein geheimer Polizist! Ja, das habe ich nicht gewußt! Sie sind mir sehr willkommen! Erlauben Sie, daß ich Sie führe!«

      Er öffnete die Kellerthür, brannte die auf der oberen Stufe stehende Laterne an und stieg voran. Der Fürst folgte ihm bis in die hintere Abtheilung des Kellers. Dort setzten sie sich nieder, der Apotheker natürlich in einer sehr bangen Stimmung.

      »Herr Horn,« fragte der Fürst, »haben Sie jemals Etwas von dem sogenannten Hauptmanne gehört?«

      »Ich hörte allerdings von ihm sprechen.«

      »Gesehen haben Sie ihn aber nicht?«

      »Nein.«

      »Sie wissen auch nicht, wer er ist?«

      »Nein.«

      »Und dennoch sind Sie sein Leibapotheker!«

      Der Alte fuhr vom Sitze empor.

      »Herr,« rief er aus, »wie meinen Sie das?«

      »Sehr ernst! Haben Sie jemals auch von dem sogenannten Fürsten des Elendes gehört?«

      »Ja.«

      »Glauben Sie, daß dieser ein Freund des Hauptmannes ist?«

      »Nein, obgleich ich Beide nicht kenne.«

      »Nun, dem kann abgeholfen werden: Sie sollen den Fürsten des Elendes kennen lernen. Ich selbst bin er!«

      »Sie scherzen!« meinte der Alte erschrocken.

      »Ich spreche vielmehr sehr im Ernste. Vielleicht haben Sie auch gehört, daß der Fürst die Eigenthümlichkeit hat, Vieles, sehr Vieles zu wissen, was Anderen ein Geheimniß ist?«

      »Man spricht allerdings davon.«

      »Nun, so will ich Ihnen beweisen, daß ich der Fürst bin: Ich werde Ihnen einige Ihrer Geheimnisse mittheilen.«

      »Herr, welche Geheimnisse sollte ich haben?«

      »Ihr erstes Geheimniß ist zunächst dieser Keller; ich will aber nicht in dasselbe eindringen. Schon ein Wenig interessanter ist es, daß Sie Ihre Schwiegersöhne an den Hauptmann verkaufen.«

      »Aber, lieber Herr, ich


Скачать книгу