Der verlorene Sohn - Der Fürst des Elends (Kriminalroman). Karl May

Читать онлайн книгу.

Der verlorene Sohn - Der Fürst des Elends (Kriminalroman) - Karl May


Скачать книгу
Mädchen war ihm im höchsten Grade willkommen, da er hoffen durfte, ein süßes Schäferstündchen mit ihr zu verleben. Er eilte ihr deshalb bis unter die Thür entgegen und breitete dort seine Arme aus, um sie an sein Herz zu drücken.

      »Halt!« sagte sie lachend. »Nicht so sanguinisch, mein lieber Baron! Es giebt noch Mädchen, welche Grundsätze haben!«

      »Ich finde das geradezu allerliebst, falls nämlich diese Grundsätze liebenswürdig sind.«

      »Es gilt die Probe. Die meinigen scheinen es jedoch nicht zu sein.«

      »Warum, schöne Ella?«

      »Weil Sie mich selbst nicht liebenswürdig finden.«

      »Sie irren sich. Sie irren sich sogar ganz gewaltig. Ich habe ja noch niemals ein so reizendes Mädchen gefunden, wie Sie es sind!«

      »Und doch wird es Ihnen so leicht, ein vorher bestimmtes Rendezvous aufzuheben. Ist dies wirklich ein Zeichen, daß ich so reizend bin?«

      »Wieso? Ah, ja, ich besinne mich! Damals! Aber da ging es nicht anders. Es kam da der so gewaltsame Tod meines lieben Cousin drein.«

      Sie hatten mittlerweile das Zimmer erreicht. Sie nahm ohne alle Umstände auf dem Sopha Platz und er setzte sich neben sie.

      »Ja,« sagte sie, fortfahrend. »Es war ein sehr gewaltsamer Tod, ein Verlust, der Sie jedenfalls sehr schmerzlich betroffen hat.«

      »Ueber alle Maßen, meine süße Ella. Aber, wollen Sie denn nicht diesen neidischen Umhang ablegen, welcher mir grad den schösten Theil Ihrer Figur verhüllt?«

      »Nehmen Sie ihn immerhin weg, mein Lieber. Sie wissen, ich bin nicht prüde, wenn ich mich bei Ihnen befinde.«

      »Das ist es ja eben, was mich mit Glück erfüllt.«

      Er entfernte den Umhang und zog das verführerische Mädchen zu sich heran und sagte:

      »Sie glauben es doch, daß Ihre Anwesenheit mich glücklich macht?«

      »Wie könnte ich es glauben? Aber prüfen möchte ich es einmal.«

      »Prüfen Sie es,« sagte er, sie wiederholt küssend. »Sie werden finden, daß ich die Wahrheit sage.«

      »Bleibt mir die Art und Weise der Prüfung überlassen?«

      »Ja, gewiß. Aber ehe Sie beginnen, erlauben Sie mir erst, Ihre rosigen Lippen zu küssen.«

      Er führte aus, was er gesagt hatte, und sie setzte ihm nur wenig Widerstand entgegen.

      »So, ist es nun genug?« fragte sie nach einer Weile.

      »Eigentlich noch nicht, noch lange, lange nicht! Man möchte den Mund gar nie von dieser Schönheit trennen.«

      »So will ich meine Prüfung mit der Frage beginnen, warum Sie diese Schönheit, für welche Sie so begeistert zu sein scheinen, dennoch nicht für Ihr Eigenthum erklären?«

      »Kann ich das? Weiß ich denn, ob Sie mein Eigenthum sein wollen, Ella?«

      »Sie können das ja mittelst der einfachsten Fragen erfahren.«

      Da drückte er sie mit dem Feuer der heißesten Liebesgluth an sich und sagte dann:

      »So will ich ja nicht säumen, diese Frage auszusprechen. Wollen Sie mein sein, Ella? Mein unbestreitbares Eigenthum?«

      »Auf wie lange, mein Herr?« lächelte sie schnippisch.

      »Natürlich für immer und ewig!«

      »Dann sage ich von ganzem Herzen ein Ja!«

      »Ich danke Dir, Du süßes, entzückendes Wesen! Darf ich denn auch sogleich von meinen Eigenthume Besitz ergreifen?«

      »Müßte man nicht vorher das Wort Eigenthum durch eine kleine Beifügung bestimmter bezeichnen?«

      »Welche Beifügung meinen Sie?« fragte er neugierig.

      »Die Beifügung ›privilegirt‹. Ihr privilegirtes Eigenthum werde ich gerne sein, Ihr unprivilegirtes aber niemals.«

      Er machte eine etwas enttäuschte Miene. Sie bemerkte das sehr wohl, that aber so, als ob sie gar nicht darauf Acht gebe.

      »Was nennen Sie privilegirt?« fragte er.

      »Nur der Titel Frau gewährt ein Privilegium.«

      Da stieß er ein kurzes, verlegenes Lachen aus und fragte:

      »Wie? Sie wollen meine Frau werden? Die Frau eines Freiherrn, die Frau des Barons von Helfenstein?«

      »Warum nicht? Sie sagen mir doch, daß Sie mich lieben, daß meine Gegenwart Sie glücklich mache, daß ich Sie prüfen soll.«

      »Kind, das kann ja Alles auch ganz gut ohne diese nüchterne, prosaische Verheirathung geschehen.«

      »Pah! Die Maitresse eines Mannes, selbst wenn er ein Freiherr ist, mag ich niemals werden!«

      »Maitresse! Welch garstiger Name! Läßt sich denn keine andere, bessere Bezeichnung für ganz dasselbe Verhältniß finden?«

      »Die Sache bleibt dieselbe trotz der anderen Bezeichnung. Ich habe Sie lieb und bin bereit, Sie glücklich zu machen, aber nur unter der Bedingung, daß ich Ihre Frau werden soll.«

      »Sie kleiner, süßer Schäker! Sie sprechen doch nur im Scherze?«

      »O, ich spreche im Gegentheile sehr im Ernste.«

      »So thun Sie mir leid! Meine Frau können Sie nie werden. Aber ich hoffe, daß Sie so verständig sein werden, auf diese Dummheit zu verzichten. Wir können glücklich sein, ohne den Pfarrer erst um die Erlaubniß dazu zu fragen.«

      »Ich verzichte auf ein unsanctionirtes Glück. Für wen ich so große und schwere Opfer bringe, dessen Person und Besitz muß mir sicher sein.«

      »Opfer? Was meinen Sie? Ist ein Kuß, eine Umarmung ein Opfer? Was Einen glücklich macht, kann doch niemals ein Opfer sein.«

      »Von Kuß und Umarmung spreche ich ja nicht. Ich habe Ihnen bisher den Frieden meiner Seele, die Ruhe meines Gewissens zum Opfer gebracht, das thut man nur für den Mann, dessen Weib man ist.«

      »Frieden der Seele? Ruhe des Gewissens?« fragte er erstaunt. »Es ist mir unmöglich, Sie zu verstehen.«

      »Das begreife ich nicht. Ist es nicht gegen alles Gewissen, einen Unschuldigen verurtheilen zu lassen, während der Schuldige in Ehren lebt?«

      Er verfärbte sich. Was wollte dieses Mädchen? Hatte auch sie eine Ahnung von dem eigentlichen Sachverhalte?

      »Sie sprechen wirklich in Räthseln!« sagte er. »Sie sprechen von einem Schuldigen und einem Unschuldigen. Wer ist damit gemeint?«

      »Das begreifen Sie wieder nicht? Da muß ich Sie an jene Mordnacht erinnern. Sie wissen, daß Gustav Brandt eingestanden hat, bei dem Baron gewesen zu sein.«

      »Allerdings. Da hat er ihn ermordet.«

      »O nein. Ich weiß das sehr genau, denn ich bin darnach auf einen Augenblick im Zimmer des gnädigen Herrn gewesen, welcher in vollstem Wohlsein an seinem Tische saß.«

      »Donnerwetter! Darüber schweigen Sie ja! Man könnte sonst denken, daß Sie ihn umgebracht haben!«

      »Ich würde meine Unschuld beweisen können.«

      »O, das bezweifle ich sehr! Wie wollten Sie das anfangen?«

      »Wie nun, wenn auch nach mir noch Jemand beim Baron gewesen wäre?«

      »So spät? Man würde es nicht glauben.«

      »Höchst wahrscheinlich doch. Hätte ich den Baron getödtet, so wäre derselbe doch von diesem Jemand todt aufgefunden worden und es hätte sofortige Anzeige erfolgen müssen. Das ist aber nicht geschehen.«

      Er warf einen forschenden Seitenblick auf sie und fragte, indem seine Stimme einen belegten Klang annahm:


Скачать книгу