Gestohlene Identität - Roland Benito-Krimi 5. Inger Gammelgaard Madsen

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Gestohlene Identität - Roland Benito-Krimi 5 - Inger Gammelgaard Madsen


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sollten?« Isabella hatte ebenfalls kapituliert, die Stimme hatte einen mitfühlenden Klang angenommen – ein bisschen widerwillig sicherlich.

      »Es gibt zwei, mit denen sie sich früher oft getroffen hat. Lærke und Freja. Mit Lærke hatte sie am meisten zu tun.«

      »Haben Sie die Adressen?«

      Kasper stand notgedrungen auf und ging die Treppe zum ersten Stock hoch. Isabella setzte sich neben Roland.

      »Also, ich mag ihn nicht«, fing sie flüsternd an. »Das ist seine Frau, über die er spricht, verdammt noch mal. Was, wenn sie nun wirklich unschuldig ist, wie sie sagt? Ihr eigenes Kind! Müsste er ihr nicht glauben? Er ist so …«

      »Deine Meinung über diesen Mann ist nicht von Bedeutung, Isabella. Du bist professionell … die Frau hat zwei Morde auf dem Gewissen, also kann man ihm wohl keinen Vorwurf machen … und jetzt komm mir nicht wieder mit deiner Erklärung von wegen weibliche Intuition.«

      Isabella schaffte es gerade nur, den Mund zu einer Entgegnung zu öffnen, da war Kasper schon mit einem Notizbuch zurück. Er blätterte darin vor und zurück und gab ihnen die Adressen und Telefonnummern der beiden Freundinnen.

      »Aber ich glaube nicht, dass eine von ihnen Sara versteckt. Sie sind in Feindschaft auseinandergegangen. Wer würde auch einer solchen Mörd… Mutter helfen?« Roland stand auf. »Haben Sie etwas dagegen, dass wir uns ein wenig umsehen, bevor wir gehen?«

      Kasper Dupont gestikulierte theatralisch. »Herzlich gerne. Ich verstecke sie jedenfalls nicht.«

      Roland nickte Isabella zu, die schnell die Treppe hoch verschwand, die Kasper gerade hinuntergekommen war.

      »Das mit Ihrem Sohn tut mir wirklich leid«, sagte Roland, als sie allein waren. »Ich habe gehört, dass es an Ihrem Hochzeitstag passiert ist, während das Haus voller Gäste war.«

      Kasper Dupont schaute aus dem Fenster in einen vernachlässigten und zugewucherten Garten, oder vielleicht war das einer von diesen modernen Gärten, in denen die Natur selbst bestimmen darf und alles wild und unkontrolliert wächst. Da draußen hatte sicher die Hochzeitsfeier stattgefunden. Und dort hatten sie wohl auch seine Braut mit aufgeschnittenen Pulsadern gefunden.

      »Sara war an dem Tag so glücklich, ich habe nicht verstanden, was passierte. Natürlich hatte es sie nervös gemacht, Mutter zu werden. Die große Verantwortung für einen anderen kleinen Menschen zu haben, der total von einem abhängig ist. Aber das geht doch eigentlich allen Erstgebärenden so? Ich war es ja auch. Das klingt natürlich merkwürdig, weil Sara doch Gesundheitspflegerin ist, aber das eine ist, anderen Ratschläge zur Kinderbetreuung zu geben; derjenige zu sein, bei dem die Verantwortung liegt, ist etwas anderes. Wenn jemand wusste, was schiefgehen konnte, dann sie. Aber von postnataler Depression war überhaupt keine Rede. Und dass sie nun wieder gemordet hat. Eine Gesundheitspflegerin! Ich kannte sie ja überhaupt nicht!«

      »Sie haben anfangs an ihrer Schuld gezweifelt? Damals, als Verdacht auf plötzlichen Kindstod bestand?«

      Kasper wandte ihm den Blick zu. An dem Ausdruck seiner Augen sah Roland sofort, dass Isabella den Mann völlig falsch eingeschätzt hatte.

      »Ich gebe zu, dass ich nie gedacht hätte, dass Sara zu so etwas fähig wäre. Sie hat ihn ja geliebt. Sie liebt alle Kinder. Wenn sie nicht anschließend versucht hätte, sich das Leben zu nehmen, wenn die Beweise nicht so klar gewesen wären, wenn sie jetzt nicht noch einen Menschen ermordet hätte, um zu fliehen, dann …«

      »Aber sie erklärt sich doch für unschuldig an Williams Tod. Hatte sie kein Alibi, das diese Behauptung beweisen könnte? Es war Ihr Hochzeitstag mit Gästen im Haus.«

      Kasper schüttelte den Kopf und presste die Lippen zu einem blutlosen Strich zusammen. In diesem Moment kam Isabella die Treppe hinuntergelaufen, zuckte in Richtung Roland mit den Schultern und hatte nichts gefunden, was bewies, dass Sara sich in dem Haus aufhielt.

      »Dann wollen wir Sie nicht länger aufhalten, aber bitte melden Sie sich, falls sie Sie kontaktiert oder sonst noch etwas ist.« Er reichte Kasper Dupont seine Visitenkarte und folgte Isabella nach draußen.

      Es war niemand zu Hause in dem Reihenhaus in der Møllevangs Allee, wo die Freundin Lærke Bendixen wohnte, aber der Nachbar, der gerade dabei war, einen hohen Busch zu einer Spirale zu trimmen, die an einen gigantischen Korkenzieher erinnerte, erzählte ihnen ohne Aufforderung, dass sie einen Vortrag im Scandinavian Congress Center halte. Er war, soviel er wusste, weggefahren, um die Kinder aus dem Kindergarten und der Schule abzuholen.

      »Hübscher Schnitt«, lobte Roland zum Dank.

      »Das ist meine größte Leidenschaft. Topiary works, wie es in der Fachsprache heißt, ich habe seit vielen Jahren …«

      Der Mann könnte sicher den Rest des Tages und die ganze Nacht über den Formschnitt von Büschen und Bäumen reden. Er war genau der Typ dafür; ein Mann in Rente, während die Frau noch arbeiten ging. Schade, dass er keinen größeren Garten hat, dachte Roland, bevor er ihn unterbrach, indem er ihm noch einmal dankte und die Autotür fest zuschlug. Isabella versuchte ein Lächeln zu verbergen.

      »Fahren wir direkt zum Kongresszentrum oder warten wir, bis Lærke Bendixen nach Hause kommt?«

      »Ich finde, es könnte interessant sein zu hören, worüber Sara Duponts beste Freundin einen Vortrag hält«, antwortete Isabella und schnallte sich an.

      »Okay, das war auch mein Gedanke. Hauptsache es geht nicht um Topiary works«, murmelte Roland, bevor er das Auto anließ und mit einem letzten Blick über die Hecke auf den hochkonzentrierten Gärtner rückwärts aus der Einfahrt fuhr.

      »Das ist doch ein hübscher kleiner Garten, den er da hat. Was hast du eigentlich gegen Gärten, Büsche – oder vielleicht Gärtner?«, fragte Isabella mit schlecht verhülltem Amüsement. Sie setzte eine dunkle Sonnenbrille auf. Die Sonne war durch die Wolkendecke gebrochen und blendete von den weißen Mauern der Reihenhäuser. Roland hasste es, wenn er Leuten nicht in die Augen sehen konnte, sondern stattdessen sein eigenes Spiegelbild sah. Er antwortete nicht. In Wahrheit plagte ihn sein schlechtes Gewissen. Es war immer Irene gewesen, die sich um den Garten bei der Villa in Højbjerg gekümmert hatte, die ihr Elternhaus war. Nun war es seine alleinige Verantwortung, und Gartenarbeit war noch nie sein Ding gewesen. Das Gras war viel zu lang, in den Beeten musste Unkraut gejätet und die Büsche und Bäume zurückgeschnitten werden. Der Herbst war eine arbeitsreiche Zeit für Gartenbesitzer. Er könnte Irene selbstverständlich einen natürlichen Garten vorschlagen, der wild wuchs wie der der Duponts, aber darauf würde sie sich nie einlassen. Gepflegtheit und saubere Linien entsprachen ihr eher. Er fürchtete den Laubfall, der bald kommen würde, obwohl die vielen verrotteten Blätter natürlich sein Versäumnis verbergen könnten. Aber Irene sah es. Oft saß sie da und schaute aus dem Fenster des ersten Stocks in den Garten hinunter, sagte aber nichts. Er musste sich einfach zusammenreißen und in die Gänge kommen, nicht in Selbstmitleid baden, sondern mehr Mitgefühl für Irene aufbringen, die gern im Garten arbeiten würde, körperlich aber nicht dazu in der Lage war.

      Isabella war diejenige, die das Schild als Erste entdeckte, das den Weg zu dem Raum wies, in dem Lærke Bendixen ihren Vortrag hielt. Roland nahm eine der Broschüren mit, die in ordentlichen, kleinen Reihen in einem Aufsteller vor der Tür standen, und las die Überschrift Wir haben mehrere Persönlichkeiten und den Untertitel Persönlichkeitsspaltung ist NICHT Schizophrenie. Vortrag von Psychotherapeutin Lærke Bendixen.

      »Ach nein, nicht eine von diesen selbsternannten Therapeutinnen«, seufzte er und steckte die Broschüre zurück in den Aufsteller.

      »Sie ist sicher mehr als das. Sie hat eine dreijährige Ausbildung an der Akademie für Psychotherapie in Kopenhagen absolviert und zwei Jahre als selbständige Therapeutin gearbeitet. Steht auf der Rückseite.« Isabella faltete die Broschüre zusammen, stopfte sie in die Tasche ihrer Lederjacke und öffnete vorsichtig die Tür zu dem Raum. Darin war es dunkel. Wechselnde farbige Bilder mit Säulen, Zahlen und Diagrammen blinkten auf einer Leinwand auf. Der Raum war nicht voll besetzt und Roland und Isabella setzten sich auf die ersten freien Stühle direkt an der Tür. Nur wenige drehten sich um und sahen sie an, konzentrierten


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