Gesammelte Werke. Ricarda Huch

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Gesammelte Werke - Ricarda Huch


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zugewendet hat, zu schützen, findet es aber doch richtig, daß die Frau, die sie, die Hochgeborene, gezwungen hat, Magddienste zu tun, mit dem Tode büßen muß. Nicht selten erscheint der Verschwendung, den hochmütigen Ansprüchen der Frau gegenüber der Mann als der Bescheidenere, Maßvollere.

      Wieviel Anteil die Frauen an den Staatsgeschäften nahmen, zeigt die Geschichte. Bertrada, die Mutter Karls des Großen, veranlaßte seine Heirat mit einer langobardischen Prinzessin; obwohl andere Wege eingeschlagen wurden, blieb sie bis zu ihrem Tode hochgeehrt von ihrem Sohn und ihrer ganzen Familie. Eine ähnliche Stellung hatte in Sachsen die fränkische Oda, die Frau Ludolfs und Mutter der Herzöge Brun und Otto, und ganz besonders die Königin Mathilde. Sie wurde einer Heiligen gleich geachtet, ihr Name erbte sich in der Familie fort, solange sie bestand. Nicht nur ihre eigenen erwachsenen Söhne betrachteten sie als Oberhaupt, sondern auch Ottos natürlicher Sohn Wilhelm, der Erzbischof von Mainz. Nach dem Tode ihres Mannes beschäftigte sie sich mit der Sorge für Arme, Kranke und Pilger, was als vornehmste Aufgabe der Frau angesehen wurde, aber auch mit Handarbeit und Wissenschaft; ihr Biograph betont, daß sie bei aller Demut immer die königliche Würde behauptete. Seiner Schwester Mathilde, der Äbtissin von Quedlinburg, vertraute Otto der Große während seiner Abwesenheit das Reich an; seine Tochter Mathilde, ebenfalls Äbtissin von Quedlinburg, hatte großen Einfluß während der Kindheit Ottos III. Ottos Bruder Heinrich hatte zwei energische und kluge Töchter, Gerberga, die Äbtissin von Gandersheim wurde, und Judith, die Gattin des viel älteren Herzogs Burkhard von Schwaben, welche letztere ganz besonders sowohl des Vaters Schönheit sowie seine Herrschsucht und sein heftiges Temperament geerbt zu haben scheint. Ihr Freund Ekkehard II., den sie zu sich auf den Hohentwiel befahl, um mit ihr den Virgil zu lesen, und den sie mit Gnaden und Geschenken überhäufte, genoß die Gunst der herben Dame halb widerwillig; so wenigstens wird berichtet. Unter der Führung der Äbtissin Gerberga und der Lehrerin Richardis bildete sich im Kloster Gandersheim, am Rande des Harzes, die Dichterin Hroswitha, deren Werk, wenn es auch, wie der Körper von einer Kutte, durch die fremde Sprache vermummt ist, Verstand und Geschmack und eine feste Linienführung offenbart. Daß Nonnen Latein lernten, war nicht selten. Nicht nur die Mädchen, sondern auch die Knaben erhielten ihren ersten Unterricht in den Frauenklöstern. Unter den Frauen der Salier ragt Gisela, die Witwe des Herzogs von Schwaben und Mutter des unglücklichen Ernst, als bedeutende Persönlichkeit hervor. Sehr großen Einfluß scheint die Braunsenweigerin Richenza auf ihren Mann, den König Lothar, gehabt zu haben, so daß, wer etwas bei ihm erreichen wollte, zuerst sie zu gewinnen suchte. Als sie mit Lothar in Italien war, besuchte sie nicht nur die heiligen Stätten, um zu beten, wie das üblich war, sondern auch die durch Geschichte und Kunst denkwürdigen Orte. Nach dem Tode ihres Mannes war sie noch jahrelang die Führerin der Welfen im Kampfe gegen die Staufer; als sie starb, erlahmte die Bewegung. Auch die Frau Barbarossas, die Kaiserin Beatrix, begleitete ihren Mann auf allen seinen Feldzügen; sie galt als klug und gebildet, und man wußte, daß der Kaiser sehr abhängig von ihrem Urteil war. Mochten Geistliche gelegentlich die Schwachheit der Frau im Munde führen, so dachte man doch nicht daran, der Frau ihr Geschlecht als Minderwertigkeit anzurechnen oder sie auf ein enges Feld der Betätigung einzuschränken, wenn die kriegerische auch für sie natürlich nicht in Frage kam. Wir hören, daß im 9. Jahrhundert Bischof Ansgar zuweilen zu einer sächsischen Adligen namens Liutbirg pilgerte, die im Bodetal ein Eremitendasein führte; sie unterrichtete Mädchen im Beten, Singen und Handarbeiten. Dazu kam später wohl noch die Kenntnis von Sprachen und das Spielen verschiedener Musikinstrumente. Jedenfalls waren die Frauen eher gebildeter als die ritterlichen Männer; noch Ende des 15. Jahrhunderts konnten ein Burggraf von Nürnberg und ein Graf von Sayn nicht schreiben, vielleicht konnte es auch Rudolf von Habsburg nicht: es ist anzunehmen, daß die Frauen, die sich so warm für Dichter und Dichtkunst interessierten, das Lesen verstanden. Daß Nonnen oft schrift- und sprachenkundig waren, ist selbstverständlich. Den Bürgerfrauen stand in bezug auf Arbeitsbetätigung ihr Geschlecht nur insofern im Wege, als ihnen zu manchen Berufen die körperliche Kraft fehlte. Der Eintritt in eine Zunft war ihnen nicht verwehrt, abgesehen davon, daß oft Witwen das Geschäft des Mannes fortsetzten. Besonders gehörten ihnen gewisse Berufe, die eine zarte, biegsame Hand erforderten, wie der der Schleierwäscher oder Goldspinner oder Sticker, aber auch andere, in denen sie seit der Zeit geschickt sein mochten, als der häusliche Haushalt für die eigenen Bedürfnisse aufkam. Wie in der Frühzeit übten sie auch später die ärztliche Kunst aus; es gab hier und da Stadtärztinnen.

      Dem Vater stand es zu, Söhne und Töchter ins Kloster zu schicken oder zu verheiraten; aus vielen Beispielen geht hervor, daß er dabei in der Regel die Wünsche der Mutter berücksichtigte. In vielen adligen Familien war es Sitte, nur je eines der Kinder zu verheiraten, die übrigen geistlich werden zu lassen. Bei der Heirat wurde hauptsächlich der Vorteil in Betracht gezogen; aber es wird liebevolle Eltern gegeben haben, die bestimmte Neigung oder Abneigung der Kinder nicht unbeachtet ließen. Von der eigenwilligen Judith erzählte man, sie habe, weil sie keine Lust hatte, den ihr bestimmten griechischen Prinzen zu heiraten, dem griechischen Maler gegenüber, der sie porträtieren sollte, ihr schönes Gesicht zur Grimasse verzogen, um den Freier abzuschrecken, was ihr auch gelungen sei. Den Aufenthalt im Kloster zogen gewiß viele Mädchen der Ehe vor; sie genossen dort Bequemlichkeit, Sicherheit und Ehre, und auch eine weitgehende Freiheit nahmen die adligen Frauen als selbstverständlich für sich in Anspruch. Fanden die Frauen kein Glück in der Ehe, so wußten sie sich zu entschädigen, wenigstens möchte man das aus den häufigen Verdächtigungen hochgestellter Frauen schließen, wenn sie auch nicht immer begründet waren. Ottos des Großen Tochter Liutgard wurde des Ehebruches beschuldigt, die später heiliggesprochene Kunigunde, die Frau Heinrichs II., soll sich durch das Gottesgericht von der Anklage gereinigt haben, indem sie mit bloßen Füßen über ein glühendes Eisen schritt. Man dachte im allgemeinen nicht streng über leidenschaftliche Beziehungen zwischen Mann und Frau. Bischof Salomon von Konstanz hatte ein Liebesverhältnis mit der Äbtissin des Klosters Fraumünster von Zürich; in die schöne Tochter, die der Verbindung entsprang, verliebte sich der Kaiser Arnulf. Es ist nicht zu verwundern, wenn Frauen oft beschuldigt wurden, mit Geistlichen zärtliche Verbindungen zu unterhalten, wenn sie gern mit Geistlichen verkehrten. Das Interesse für die gleichen Gegenstände, für Armen- und Krankenpflege, für Poesie und Kunst führte sie zusammen, Frauen und Geistliche waren gebildeter als die weltlichen Männer, sie betrachteten die Dinge in einem Lichte, das sie interessanter, bedeutender, vielgestaltiger erscheinen ließ. Begreiflich ist es auch, daß die Mütter wenigstens einige ihrer Söhne der Kirche zu übergeben liebten, wo sie einigermaßen vor dem Tod im Kriege gesichert waren, wo ihre Begabung gepflegt wurde und sich entfalten konnte. So dachte zum Beispiel die Gräfin von Goseck, eine geborene Gräfin von Weimar, von deren Söhnen einer, Adalbert, der berühmte Erzbischof von Bremen wurde. Die ritterliche Erziehung der Knaben war so hart, sie verlief zwischen Pferden und Waffen, im Stalle, im Sattel, unter Knüffen und Püffen, daß es dem Herzen mancher Mutter wehtun mochte, besonders wenn das Kind zart war und darunter litt.

      Das Christentum hat mit seiner Anpreisung der Demut wohl nicht nur im guten, sondern auch im üblen Sinne zähmend gewirkt, indem es mit der Wildheit der heidnischen Frau ihre frische Kraft dämpfte; aber es setzte ihre weibliche Würde nicht herab, verklärte sie vielmehr in ihren wesentlichen Eigenschaften. Das überirdische Geheimnis der Empfängnis und Mutterschaft hatte sein Symbol in der jungfräulichen Mutter des Herrn, in der das Wort Gottes Fleisch wurde. In den kleinen dunklen Kirchen der ottonischen Zeit sah man sie unnahbar groß, den wunderbaren Sohn auf dem Arme, eine Göttin mit unergründlichem Leidensblick, man sah sie unschuldig ernst, halb abgewendet der Botschaft des Engels lauschen, der die Fülle himmlischer Herrlichkeit vor sie hinstürzt, man sah sie, das Herz von Schwertern durchbohrt, sah die Überwinderin aufwärts schweben, das verjüngte Haupt mit der Krone des Lebens gekrönt. Sie, die Gottesgebärerin, die Himmelskönigin, war in allen irdischen Leiden geprüft. Und erlebte nicht jede Frau das Wunder, daß ihrem Schoße ein Kind entsprang, dem Gott die Seele einhauchte? Das unlösbare Geheimnis der Geburt band die Frau an den Gott, dessen Atem dem Geschöpf die letzte Vollendung zur Menschenwürde gibt; ihm brachte man es dar nicht erst bei der Taufe; schon vorher, als es noch ungestaltet in ihrem Schoße lag, mußte es durch sie von seinem Wort beseelt werden. Im Märchen wird die Frau, die beschuldigt wurde, anstatt eines menschlichen Kindes einen Hund oder einen Wolf zur Welt gebracht zu haben, zum Feuertode verurteilt; wie eine Ketzerin oder Zauberin, eine Gottlose, erscheint die,


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