Nelly - Unser Fohlen Sammy Langbein. Ursula Isbel-Dotzler
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Ursula Isbel-Dotzler
Nelly
Unser Fohlen Sammy Langbein
SAGA Egmont
Nelly - Unser Fohlen Sammy Langbein
Copyright © 1998, 2018 Ursula Isbel-Dotzler und Lindhardt og Ringhof Forlag A/S
All rights reserved
ISBN: 9788711804544
1. Ebook-Auflage, 2018
Format: EPUB 2.0
Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach
Absprache mit Lindhardt og Ringhof gestattet.
SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk – a part of Egmont www.egmont.com
Unser Schwarzwaldhof Zum Rössle war vor mehr als hundert Jahren eine Poststation. Damals hielten hier die Postkutscher und wechselten ihre „Rösser“. Die Kutschpferde waren nach den langen Wegen über steile Berghänge, durch Wälder und Täler müde und erschöpft und konnten im Stall des Rösslehofs ausruhen. Sie wurden getränkt und gefüttert, während die Stallknechte frische Pferde vor die Postkutscehen spannten. Und in der alten Schankstube, die jetzt unsere Küche ist, gab es Bier und eine warme Mahlzeit für die Postkutscher und ihre Fahrgäste.
Das ist lange her. Aber unser Hof wird hier im Tal auch heute noch Zum Rössle oder Rösslehof genannt, so wie in alter Zeit, als es noch Postkutschen gab.
Es regnet Hunde und Katzen
Es regnet und platscht nur so vom Himmel. Unsere Englischlehrerin sagt, bei den Briten heißt das: „Es regnet Hunde und Katzen.“ Aus der Dachrinne pladdert das Wasser in die Regentonnen. Von der Dachkante tropft es auf den Vorplatz. Unsere Hühner kriegen bestimmt bald Schwimmhäute zwischen den Krallen. Die Pferde stehen auf der Koppel und versinken mit den Hufen in der zertrampelten, aufgeweichten Erde. Ihr Fell ist dunkel vor Nässe.
Sogar unsere Stute Lady, die eigentlich silbergrau ist, sieht schwärzlich aus. Vom Gras ist nicht mehr viel übrig. Die ganze Wiese hat sich in eine Schlammwüste verwandelt.
„Wenn es endlich zu pinkeln aufhört, bringen wir die Pferde auf die hintere Weide“, sagt Dani, mein Bruder. Vorerst sieht es aber nicht danach aus. Der Himmel ist düster und die Wolken hängen fast bis zum Dach unseres Schwarzwaldhauses.
Eigentlich mag ich Regen, aber das wird mir doch zu viel. Der einzige Vorteil ist, dass die Schule wieder angefangen hat. Nach den Ferien ist es leichter sich wieder an die Schule zu gewöhnen, wenn das Wetter schlecht ist, finde ich. Sonst habe ich immer das Gefühl, unheimlich viel zu verpassen.
Obwohl man ja auch bei Regenwetter allerhand verpassen kann. Die Geburt eines Fohlens zum Beispiel. Sammeli, die Norwegerstute, steht nämlich seit zwei Tagen bei uns im Stall und wartet darauf, dass ihr Fohlen zur Welt kommt. Und da wäre ich natürlich gern zu Hause. Warum kann man sich für derart wichtige Sachen nicht vom Unterricht befreien lassen?
Ich überlege, ob ich so tun soll, als hätte ich Bauchschmerzen. Oder Kopfweh. Das kann keiner nachprüfen, obwohl unser Vater Heilpraktiker ist. Der merkt meistens recht schnell, ob einem wirklich etwas fehlt. Außerdem sind meine Eltern nicht auf den Kopf gefallen. Sie würden wahrscheinlich gleich den Zusammenhang zwischen meiner „Krankheit“ und der bevorstehenden Geburt von Sammelis Fohlen erkennen.
Also kann ich nur hoffen, dass Großvater Recht behält. Unser Großvater ist Tierarzt. Er behauptet, dass Fohlen fast immer nachts zur Welt kommen.
Eigentlich ist Sammelis Fohlen schon überfällig. Seit Tagen warten wir darauf.
„Tapert nicht ständig in den Stall und glotzt Sammeli an“, sagt Dani zu mir und Emma, unserer jüngeren Schwester. „Wenn um mich dauernd einer herumschleichen würde, hätte ich auch keinen Bock drauf, ein Kind zu kriegen.“
„Das schaffst du sowieso nicht, ob du Bock drauf hast oder nicht“, antwortet Emma. Manchmal wundere ich mich richtig darüber, wie schlagfertig sie ist.
Aber jetzt kann es nicht mehr lange dauern. Sammelis Euter ist schon deutlich angeschwollen. Seit heute früh ist sie auch sehr unruhig. Sie scharrt in der Streu, die wir täglich frisch in ihre Box bringen. Als ich mittags von der Schule nach Hause komme, gehe ich gleich in den Stall und sehe nach ihr.
Sie liegt im Stroh und schläft, dabei atmet sie schwer und zuckt mit den Beinen. Plötzlich wacht sie auf und springt hoch. Ihre Augen sind weit aufgerissen und haben einen erschrockenen Ausdruck. Schon geht sie wieder in der Box hin und her, auf und ab.
„Ich glaube, jetzt ist’s bald so weit, Sammeli“, sage ich und streichle sanft ihre Nase und den Hals. „Pass mal auf, ich rufe Großvater Max an, damit er sich darauf einrichtet, dass er heute Nacht zu dir kommen muss. Wenn er hier ist, kann dir nichts passieren.“
Bessie, die mächtige Schwarzwälder Fuchsstute, steht am Koppelgatter und sieht mir entgegen, als ich um die Hausecke biege. Sie wiehert durchdringend und läuft ein Stück am Zaun entlang, als wollte sie mich begleiten. Bessie ist schlammbedeckt bis zur Brust. Ich könnte schwören, dass sie sich Sorgen um Sammeli macht. Bessie und Sammeli sind nämlich dick befreundet, schon seit dem ersten Tag, als Bessie zu uns kam.
Eigentlich gehört Bessie unseren Nachbarn Toni und Liese vom Mattenhof. In diesem Sommer musste Toni ins Krankenhaus und wir haben Bessie zu uns geholt, weil Liese die viele Arbeit mit dem Hof und all den Tieren nicht allein schaffen konnte.
Jetzt haben Toni und Liese ihren Hof verpachtet und sind ins Dorf hinuntergezogen, nach Schwarzbach. Sie haben da ein Häuschen gefunden, in dem sie wohnen können. Für Bessie ist dort nicht genug Platz. Deshalb darf sie weiter bei uns bleiben und Toni kommt regelmäßig vorbei und versorgt sie.
Zum Glück hat Großvater seit einiger Zeit ein Autotelefon. Er ist gerade auf dem Weg zu einem kranken Schwein.
„Großvater“, sage ich, „ich bin’s, Nelly. Du, ich glaube, Sammeli kriegt bald ihre Wehen.“
„Aha. Langsam wird’s auch Zeit.“ Durch das Autotelefon klingt seine Stimme, als wäre er sehr weit weg, ungefähr in der Wüste Gobi oder mitten in den Rocky Mountains. „Ich komme abends gleich nach der Praxis vorbei. Falls es vorher schon losgehen sollte, rufe mich noch mal an.“
„Du hast doch gesagt, Fohlen kommen immer nachts zur Welt.“
„Meistens, ja. Aber es gibt für alles eine Ausnahme.“
Ich lege auf. Dann wähle ich die Nummer der Pflümlis. Den Pflaumers – Frau Pflaumer, Mick, Jenny und Jonas – gehört die Norwegerstute Sammeli und das Shetlandpony Franzi, die bei uns untergestellt sind. Sie müssen natürlich erfahren, dass es bei Sammeli bald losgeht.
Jonas nimmt sofort ab. Wahrscheinlich hat er schon neben dem Telefon gesessen. Seine Stimme klingt heiser vor Aufregung. „Mick ist noch in der Schule, die haben heut irgend so ein Kollo …“ Er stolpert über das schwere Wort. „Na ja, irgend so ein Zeug halt. Und Mama arbeitet noch. Aber sobald sie da sind, sag ich ihnen Bescheid. Oder soll ich gleich kommen?“
„Ich weiß nicht“, sage ich. „Sammeli ist so unruhig. Vielleicht tut’s ihr gut, wenn du bei ihr bist. Dich kennt sie ja schon ewig.“
„Okay, dann schreib ich Mick einen Zettel. Jenny ist auch gerade unterwegs, die hat Zeichenstunde. Hast du deinen Großvater angerufen?“
„Klar, vor drei Minuten. Er hat versprochen, abends zu kommen.“
Noch immer pladdert der Regen vom Himmel. Ich gehe zur Haustür. Emma ist gelandet und lehnt ihr Fahrrad gegen die Mauer. Sie trägt einen roten Umhang aus Gummi oder Plastik mit einer Kapuze und sieht aus wie ein Gartenzwerg. „Geh mir aus dem Weg!“, sagt sie. „Ich muss mal ganz dringend.“
Großvater