Liebesheilung: 7 Arztromane großer Autoren. A. F. Morland

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Liebesheilung: 7 Arztromane großer Autoren - A. F. Morland


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rollten das Gerät herbei. Rose injizierte ein Kontrastmittel in den Blutkreislauf. Auf den Platten konnte er dann sehen, wo das Blut aus den Gefäßen austrat und sich ins umliegende Gewebe oder in Körperräume ergoss.

      Die Laufschwester und Manka stellten die Abschirmwände auf. Röntgenuntersuchungen waren hier nicht geschätzt, aber gelegentlich unumgänglich. Dr. Rose ließ sich den bleigepanzerten Lederschurz umlegen und klappte die absorbierende Schutzplatte unter die Tabula.

      Manka schob die erste Kassette ein.

      Auf einen Wink von Dr. Winter zog sich alles zurück, was nicht unbedingt im Raum benötigt wurde.

      Rose führte das Gerät an den Handgriffen und steuerte es langsam über den Körper der Frau, den man von den bedeckenden Operationstüchern befreit hatte.

      „Blutdruck nähert sich fünfzig!“, meldete Schimanski. „Wir müssen etwas unternehmen, sonst bricht der Kreislauf zusammen.“

      „Halten Sie mit allem, was Sie können!“ Rose hob den Blick nicht. Er starrte auf den kleinen Monitor, der ihm die Schwachstellen der Blutgefäße zeigte.

      Er betätigte den Auslöser für die erste Plattenbelichtung. Knallend schlug die Kassette gegen den Rahmen. Und noch einmal.

      Wie befürchtet, hatten sich in den Oberschenkeln große Ödeme gebildet, erkennbar als dunkle, nicht genau abgegrenzte Schatten.

      Die Kassette knallte wieder.

      „Wechsel, bitte!“

      Zenker brachte die nächste Kassette, tauschte sie aus und trat hinter die Schirmwand zurück.

      Dr. Rose steuerte das Gerät nach oben.

      Die Frakturen waren klar erkennbar.

      „Blutdruck vierzig!“, warnte Schimanski. „Ich gebe Sauerstoff. Sollen wir eine Transfusion anschließen?“

      „Warten Sie noch!“ Hastig steuerte Rose das Gerät zur linken Thoraxseite.

      Unter den zertrümmerten Rippenbögen legte das injizierte Kontrastmittel dunkle Schatten um die Milz.

      Er führte das Gerät näher heran und biss sich unter der Maske auf die Unterlippe.

      Die glatte, stark bindegewebige Muskulatur der Einkapseln war zerrissen, die enorm blutreiche Pulpa an drei Stellen ausgetreten. Die Milztrabekel waren abgequetscht, als hätte die Patientin mit einem schmalen stumpfen Gegenstand einen heftigen Schlag durch die Rippen auf die Milz erhalten.

      Nun ja, nach einem Flugunfall nahm das nicht wunder.

      Die Kassette knallte wieder gegen den Rahmen, bis die Plattensektionen belichtet waren.

      „Aus!“ Rose schaltete das Gerät ab und ließ es zurückrollen, indem er ihm einen sanften Stoß versetzte. Zenker schoss hinter der Schirmwand hervor und fing das rollende Röntgengerät ab.

      „Das sieht nicht besonders erhebend aus“, meinte Dr. Winter, der einige Blicke auf den Monitor riskiert hatte.

      „Zweiseitige Milzruptur!“ Rose trat zurück und ließ den Körper bedecken. „Balkenarterien und Venen sind weitgehend durchtrennt. Ich überlege, ob eine totale Exstirpation sinnvoll ist.“ Seine Augen blickten düster.

      Die Milz ist das größte in den Blutkreislauf eingeschaltete lymphatische Organ und wird auch als die Vorkammer der Leber bezeichnet. Sie fängt Blutverunreinigungen auf und hat weitere lebenswichtige Funktionen.

      Eine totale Entfernung bringt für den betreffenden Patienten ganz erhebliche Probleme, einhergehend mit verminderter Lebenserwartung. Außerdem ist er fortan medikamentenabhängig.

      Und eine Garantie ist das noch lange nicht.

      Die Laufschwester schaffte die Kassetten zur Entwicklung.

      Schimanski stellte die Sauerstoffzufuhr ab. „Blutdruck bei sechzig!“, signalisierte er stabilisiertes Befinden der Patientin.

      „Na also!“, meinte Rose. Er blickte sich um. „Dann wollen wir die Transfusion anschließen und die Umquartierung vorbereiten.“

      Rose ging zum Telefon und gab Anweisungen für die Verlegung der Frau in den OP der Chirurgischen.

      Schwester Manka bedeckte die Kaiserschnittnaht mit einem feuchten Tuch, derweil Dr. Mittler und Dr. Simon-Stoll die Transfusion legten.

      Die Frau wurde umgebettet und unter ein steriles Plastikzelt gelegt; der Transport fand über nicht keimfreie Flure statt. Eine Infektion hätte entsetzliche Folgen zeitigen können.

      Dr. Winters Team atmete auf, als die Pfleger die Roll-trage in die Schleuse schoben und hinter ihnen die Tür zu glitt. Rose folgte ihnen mit flatterndem Kittel und bat von der Tür aus eindringlich, ihm den Geburtsbericht raschestens nach unten zu schicken.

      Die Hebamme blickte ihm nach. „Unmögliches wird bei uns sofort erledigt. Wunder dauern etwas länger. Auf Wunsch wird auch gehext. Ich fürchtete schon, dass die Chirurgie hier eine Filiale eröffnet. Wo ist denn der anständige Kaffee, der uns vor einer Stunde in Aussicht gestellt wurde?“ Sie rieb sich die Hände und sammelte die Datenkarten des kleinen achtmonatigen Hauk und des Flugunfalles zusammen, damit Dr. Winter seine Unterschrift drauf setzte.

      Schwester Manka, der gute Geist der Gynäkologie, hatte irgendwie das Kunststück fertiggebracht, zwischendurch die Kaffeemaschine von nebenan in Gang zu setzen.

      Das Team strömte hinüber.

      Mit Verspätung traf Dr. Schimanski ein. „Ein ausgepumpter Narkotiseur bittet um eine Tasse Kaffee.“ Er setzte sich zwanglos in die Runde. „Ein Transfusionsbesteck ist abgängig. Kollege Rose plündert uns systematisch aus.“

      „Wir werden über den Verlust hinwegkommen“, erklärte Dr. Winter ernsthaft.

      Dr. Mittler steckte sich eine Zigarette an. Er inhalierte tief den Rauch und sah sich von der hübschen Kollegin Simon-Stoll aufmerksam und spöttisch zugleich beobachtet. „Gell, Ihretwegen würde ich sogar in die Orthopädie überwechseln.“

      Man spitzte die Ohren, Dr. Winter blickte verwundert von den Karten auf. Veränderungsabsichten hatte die Kollegin bislang nie geäußert.

      „Wie das?“, fragte Dr. Mittler begriffsstutzig.

      Inge Simon-Stoll schnupperte mit angewidertem Gesichtsausdruck hinter einer Rauchwolke her. „Bei dem Kraut und Ihrem Zigarettenkonsum müssen Sie längst ein Raucherbein haben, und das würde ich Ihnen halt gern amputieren.“

      Unterdrücktes Gelächter kam auf.

      Dr. Mittler schaute phlegmatisch, nahm genüsslich einen Zug und entgegnete in abgeklärtem Ton: „Für so vergnügungssüchtig halte ich Sie gar nicht. Und wem ich mein Raucherbein vermache, ist noch längst nicht entschieden.“

      Ein Anruf wurde ins Ärztezimmer gelegt. Die Hebamme saß dem Apparat zunächst und nahm ab. Sie wollten den Hörer Dr. Winter reichen, doch der winkte ab. Also nahm sie das Gespräch entgegen.

      „So?“, machte sie plötzlich mit aggressiver Stimme. „Na, dann schicken Sie den Zausel mal herauf!“ Energisch knallte sie den Hörer auf.

      Auf die fragenden Blicke rundum gab sie zur Antwort: „Der Ehemann des Beckenringbruchs ist da. Statt Blumen bringt der Mensch einen gediegenen Affen mit.“ Sie kippte hastig ihren Kaffee und rauschte hinaus.

      Über den Leitersturz hatte sie in aller Herrgottsfrühe schon grimmige Bemerkungen gemacht. Der Ehemann, der seine Frau im neunten Monat noch auf die Leiter gelassen hatte, war dabei nicht gut weggekommen.

      Wahrscheinlich schleppte sie den frischgebackenen Vater unverzüglich vor das Schaufenster des Säuglingszimmers, und dann ging es über den armen Hauk her, bis er nicht mehr wusste, ob er Männlein oder Weiblein war. Schwester Luise galt in diesen Dingen als Kapazität.

      Der Pieper in Dr. Mittlers Tasche meldete sich.


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