Der Ring der Niedersachsen. Cornelia Kuhnert

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Der Ring der Niedersachsen - Cornelia Kuhnert


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dir den Verstand.«

      »Wie hast du es geschafft, oder besser Livia, dass er dich zurückholte?« fragte ich.

      »Er braucht mich. Er teilte mir mit – oh, ich kann mir vorstellen, wie er vor Wut die Fäuste ballte, als er das Schreiben diktierte –, dass, wenn ich schwor, mich nicht mehr gegen ihn und seine Regierung zu stellen, ich nach Rom zurückkehren und meine Ämter wieder aufnehmen könnte. Ich schwor. Ich werde meinen Schwur nicht brechen.«

      »Traut er dir?«, fragte ich Tiberius.

      »Nein«, sagte er. »Er traut mir nicht, und er mag mich nicht. Er würde mir nie seine wirklichen Pläne mitteilen, und was seine Agenten herausfinden, wird vor mir geheimgehalten. Aber er weiß, dass ich mich nicht gegen ihn stellen werde. Ein Schwur ist ein Schwur.«

      »Hat er nicht selbst genug Schwüre gebrochen, gegen Caesar, Antonius, den Senat und den Staat?« Naso lehnte sich zurück.

      »Ja«, sagte Tiberius, »das hat er. Aber er weiß, welchen Menschen er womit fesseln kann. Bei mir reicht ein Schwur.« Dann trank er seinen Becher leer, rief nach einem neuen Krug, trank und lauschte Naso und mir, die wir Pläne schmiedeten. Der Morgen graute schon, als wir die Taverne verließen. Gemeinsam torkelten wir aus der Subura, nicht mehr an Gefahren durch Banditen oder Spitzel denkend, trennten uns, schwankten nach Hause. Ich fiel auf meine Kline, voll von Wein und von Gedanken, die mich anregten wie lange nicht mehr. Auch ohne Tiberius’ aktive Hilfe würden wir die Res Publica wiederherstellen.

      Wir trafen uns weiter im Geheimen, Tiberius war selten dabei, immer aber Naso, manchmal andere Dichter, ein paar Senatoren. Meistens verabredeten wir uns in Spelunken, selten wurde bei Gastmahlen, Lesungen, philosophischen Zirkeln über unser Vorhaben gesprochen. Wir waren uns sicher, der Umsturz musste mit Unterstützung der Legionen erfolgen, ohne diesen Rückhalt würden wir nichts ausrichten können. Der einzige, der als Feldherr Erfahrung hatte und auf ein weiteres Kommando hoffen durfte, war ich. Doch es tat sich nichts in dieser Beziehung. Ich ging in den Senat, machte Ferien in meiner Villa in Tibur, war ab und an geladen zu Festlichkeiten der principalen Familie, aber kein Kommando, keine Statthalterschaft, kein Amt wurde mir angetragen. Sprach ich Augustus darauf an, so antwortete er: »Das Reich liegt ruhig, das ist die Möglichkeit, andere Männer Erfahrung sammeln zu lassen, du solltest dich ausruhen, Quinctilius Varus.« Er war freundlich, aber distanziert, warf hin und wieder ein, dass Pulchra doch eine reizende Frau sei, wir sollten für mehr Nachwuchs sorgen. Ich habe einen Sohn und eine Tochter, entgegnete ich. Das sei lobenswert, aber nicht genug, Pulchra sei noch nicht zu alt, nur zu, Quinctilius, Söhne und Töchter braucht das Reich, so verkündete er. Er, der selbst nur eine Tochter hatte, und die wahrscheinlich nicht einmal selbst gezeugt.

      Ich wurde unruhig. Ich wurde unleidlich. Ich suchte mir eine Geliebte. Die Affäre mit der Gattin eines Mitsenators wurde ruchbar, und endlich geschah etwas. Dem Kollegen war die Liebschaft egal, dem Princeps nicht. Ich bekam ein neues Kommando: Statthalter in der nördlichsten, noch jungen Provinz Germania. Für die meisten eine Strafe wegen des Klimas, wegen der wilden Barbaren, auch für Pulchra, die mich auf Anweisung des Princeps begleiten sollte. Für mich nicht, ich freute mich.

      Kurz vor der Abreise traf ich mich noch einmal mit Naso. »Das ist die Gelegenheit«, zischte er in mein Ohr, »bring die Legionen hinter dich, ich bereite hier alles vor.«

      »Denk daran, ich will keinen Bürgerkrieg«, sagte ich.

      »Es wird keinen Bürgerkrieg geben, verlass dich darauf. Keiner will Bürgerkrieg, schon deswegen wird es funktionieren, wenn du und deine Legionen vor Rom stehen. Tiberius werden wir dazu bringen, mit dir das erste Konsulat zu übernehmen, und ihr könnt die alten Strukturen wiederherstellen.«

      »Wird er mitmachen?«

      »Tiberius? Natürlich. Er wird ja seinen Eid nicht brechen müssen. Und wenn wir es geschafft haben, wird er der erste sein, der an unserer Seite steht. Er hasst den Princeps.«

      Ja, das wusste ich. Wir hatten eine realistische Chance.

      Der Princeps gab ein Abschiedsmahl für mich, im Familienkreis. Der war groß, wenn er auch inzwischen zum größten Teil aus Frauen und nur wenigen jungen Männer bestand. Ich kannte nicht alle, ein junger blonder Mann zum Beispiel fiel mir auf, er stand mit einem Becher in der Hand an einer Säule und unterhielt sich. Viele aus der Familie fehlten – Drusus, Julia, Gaius, Agrippa –, um nur einige zu nennen, alle unter seltsamen Umständen ums Leben gekommen. Und einige waren unterwegs, Tiberius zum Beispiel weilte in Pannonien.

      Wir speisten gut, ein Poet trug ein Gedicht auf den Herrscher vor, Lobhudelei in feingedrechselten Versen. Das Mahl, der Wein, die Unterhaltung, alles von guter Qualität, aber nicht erlesen. In selbstgesponnener Tunika lag Augustus da, die Familie nicht weniger einfach gekleidet, zurück zu den Wurzeln war die Devise. Zurück zu den alten Tagen der Könige, die vertrieben worden waren.

      Augustus drehte sich um, schnippte mit den Fingern. »Das Geschenk«, orderte er.

      Ein Sklave erschien aus dem Nichts, überreichte ihm ein Kästchen, goldbeschlagen leuchtete es im Licht der Kandelaber.

      »Da ist ein Fleck!« Ohne Vorwarnung schlug der Princeps zu. Der Sklave schrie auf.

      »Geh. Morgen wirst du in die Bergwerke verkauft.« Er hauchte auf das Kästchen und polierte es mit dem Saum seiner Tunika. Sein Gesicht, eben noch von Wut verzerrt, strahlte nun vor Freundlichkeit. »Quinctilius, mein Guter, komm her.«

      In dem großen Raum herrschte Stille. Selbst der Kitharaspieler hatte seine Weise abgebrochen, der letzte falsche Ton hing noch in der Luft. Auf ein unwirsches Zeichen des Augustus begann er wieder zu spielen, diesmal von einer Flötistin begleitet. Es sollte ein fröhliches Lied sein, es klang schräg.

      Ich erhob mich, schritt zu Augustus’ Kline hinüber.

      Noch immer polierte er das Kästchen. Es war aus purem Gold, wie ich jetzt sah, die Seiten zierten ägyptische Frauenabbilder, sie breiteten die Arme aus, als wollte sie den Inhalt des Kästchens beschützen. Augustus richtete sich auf, öffnete das Kleinod, sah hinein. »Ah!«, sagte er. Er reichte mir das Kästchen, strahlend. »Dies, mein Quinctilius, ist mein Geschenk für dich. Nimm es als Zeichen meiner Anerkennung, meiner Freundschaft und meiner Wertschätzung. Auch als, nun, kleine Entschädigung, dass ich dich so lange in Rom hielt, dir ein Außenamt verwehrte, indes, es musste sein. Nun aber sollst du ihn tragen und allen zeigen, dass du ein besonderer Freund des Princeps bist. Nimm ihn schon heraus, steck ihn an.«

      Es war ein Ring. Ein ausnehmend schönes Stück, ein Kleinod. Schlichte Eleganz im goldenen Reif, gekrönt von einem Cameo, so fein aus dem Stein geschnitten, dass man meinte, jeden Gesichtszug der abgebildeten Götter erkennen zu können. Er zeigte die ägyptische Isis mit ihrem Kind auf dem Schoß, dem Horusknaben. Zu ihrer Seite stand Osiris, der Vater, Gott der Unterwelt.

      Es ging ein seltsamer Zauber von dem Schmuckstück aus, wie benommen nahm ich den Ring aus dem Kästchen, steckte ihn auf meinen kleinen Finger. Er passte wie für michgemacht. Er saß, als sollte ich ihn nie wieder abnehmen.

      Augustus sah mich lächelnd an. »Ich habe ihn aus dem Thronschatz der Kleopatra. Er soll seinen Träger den Göttern näherbringen, sagte mir ein Priester in Ägypten. Ich selbst habe ihn nie angesteckt, er ist zu klein, zudem widerstrebte mir damals, etwas am Finger zu haben, das Kleopatras Haut berührt hatte.«

      »Es ist ein königliches Geschenk, Princeps, warum …?«

      »Er soll dich in der kalten Provinz begleiten, mein lieber Quinctilius, und du sollst den Einheimischen Roms Macht zeigen. Ich habe viel in die Provinz investiert, habe eine Civitas nach der anderen bauen lassen, Siedlungen, die zu Städten wachsen, mit Bauten, in welchen goldene Letter von unserer Kultur künden. Da darf der Statthalter nicht nachstehen. Zeige den Barbaren, wie römische Lebensart aussieht, bringe ihnen die römische Kultur, das Rechtssystem näher. Es ist keine leichte Aufgabe, aber ich bin sicher, ich habe den richtigen Mann dafür ausgewählt.«

      Ich war gerührt, ich gebe es zu, und schämte mich fast meiner Umsturzpläne. Dieser Mann hatte nur das Wohl Roms im Sinn, und


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