Ermordet zwischen Sylt und Ostfriesland: 6 Küstenkrimis. Alfred Bekker

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Ermordet zwischen Sylt und Ostfriesland: 6 Küstenkrimis - Alfred Bekker


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kam nur ein deutliches nein, und dann wurde aufgelegt.“

      Dröver klang echt empört.

      Ja, mein lieber Uwe, dachte Winkels, man kann nicht alles am Telefon erledigen.

      „Am Telefon bekommst du keine Auskünfte“, sagte er laut.

      Dröver hatte sichtlich Mühe, den nächsten Satz herauszubringen.

      „Nun, ich habe mir gedacht, dass du vielleicht… sozusagen als Privatmann… also dass du…“

      „Ich verstehe schon“, unterbrach Winkels. „Ich rede mit dem Notar. Vielleicht habe ich mehr Glück.“

      Dröver schien erleichtert. Er schob einen Zettel über den Tisch. „Hier ist die Adresse.“

      Haferkamp & Haferkamp stand da handschriftlich. Notariat und Anwaltskanzlei, darunter eine Anschrift in der Kirchstraße in der Innenstadt von Aurich. Winkels kannte die Straße, er war schon häufig dort durchgefahren. Dort gab es diverse Geschäfte und Bürogebäude.

      „Vater und Sohn“, kommentierte er. „Einer wird schon mit mir reden.“

      Dröver hob den Finger. „Aber gib dich nicht als Polizisten aus. Du bis jetzt Privatmann, vergiss das nicht.“

      „Seit meiner Pensionierung vergesse ich das nicht“, brummte Winkels etwas missgelaunt.

      *

      Eine Stunde später stand er jedoch im Foyer der Seniorenresidenz Waldfrieden. Er hatte beschlossen, zunächst zu versuchen, ob es ihm gelänge, einen Blick in das Zimmer von Erna Bräker zu werfen. Bevor er den Notar aufsuchte, wäre es gut zu wissen, ob auch dieser Todesfall, den er auch ohne die noch fehlende offizielle Bestätigung für einen Mord hielt, mit den beiden anderen zusammenhing. Er musste herausfinden, ob auch dieses Opfer regelmäßige Zahlungen des Notars empfing.

      Die Rezeption war diesmal besetzt.

      Er ging auf die junge Frau zu, die hinter dem Tresen saß und ihm freundlich entgegensah.

      „Moin“, begann er. „Wäre es möglich, das Zimmer von Frau Bräker kurz zu sehen?“

      „Ich erkenne Sie wieder“, antwortete sie. „Sie sind doch einer der Polizisten, die bei uns waren, nachdem die arme Frau Bräker vom Balkon gefallen war.“

      Winkels ließ nur ein unverständliches Brummen hören.

      Sie kam um den Tresen herum. „Ich schließe Ihnen auf.“

      Das war ja leichter als erwartet. Winkels stieg hinter ihr die Treppe hoch. Der Zugang zu Frau Bräkers Zimmer war mit einem Flatterband in x-Form versperrt.

      Vor der Tür fummelte die Angestellte einen Schlüsselbund aus der Tasche. „Ihr Kollege hat gesagt, dass die Spurensicherung heute Nachmittag das Zimmer gründlich untersuchen wird. Gehören Sie zu denen?“

      „Ich suche nur etwas Spezielles. Die Kollegen werden viel gründlicher sein als ich.“

      „Ach so.“

      Die Tür sprang auf, und Winkels schob sich durch die Lücke des Flatterbandes, ohne es zu beschädigen.

      Die junge Frau stand in der offenen Tür und sah ihm gespannt zu.

      „Danke, das war sehr freundlich von Ihnen.“ Er drückte die Tür vor ihrer Nase ins Schloss.

      Im Raum roch es nach abgestandener Luft, schwerem Parfüm und einer leichten Note von Eintopf. Er wagte es nicht, das Fenster zu öffnen oder den Balkon zu betreten. Als erstes zog er seine Handschuhe an, die er immer bei sich trug.

      Winkels sah sich um. Es gab nur einen Schrank, der aussah, als würden wichtige Papiere in ihm aufbewahrt. Im oberen Teil befanden sich offene Regale, im unteren verschließbare Türen. Dort begann er.

      Er hatte Glück. Bereits im ersten Fach standen diverse Ordner, und einer davon war mit Bank beschriftet. Auszüge und Korrespondenz waren chronologisch abgeheftet. Rasch blätterte er durch den Ordner, und nach kaum einer Minute hatte er gefunden, was er erwartet hatte.

      Auch hier die gleiche Summe vom gleichen Notar!

      Jetzt war für ihn jeder Zweifel ausgeräumt. Die Todesfälle hingen unmittelbar zusammen, und das Motiv für die Morde musste das Geld sein.

      „Ich verwette meine Pension, dass es nur einen Täter gibt“, murmelte er, klappte den Ordner wieder zu und schloss die Schranktür.

      Wenig später erinnerte nichts an seine Anwesenheit. Niemand würde vermuten, dass er der Spurensicherung zuvorgekommen war – bis auf die junge Frau an der Rezeption.

      Doch auch in diesem Fall brauchte er sich keine Sorgen zu machen. Sie hatte ihren Kittel abgelegt und sprach mit einer älteren Frau, die gerade ihren Kittel überstreifte. Die junge Frau sah ihn kommen.

      „Das ging aber schnell!“, rief sie. „Ich mache gerade Feierabend. Ich war die halbe Nacht im Dienst und muss jetzt schnell nach Hause fahren.“

      „Na, dann begleite ich Sie bis zum Parkplatz.“

      *

      Das Notariat befand sich gleich im Erdgeschoss des Bürohauses. Nach einer kurzen Treppe auf der rechten Seite. Gegenüber war eine Zahnarztpraxis, aus der das gedämpfte Summen eines Bohrers drang. Tjade Winkels verspürte sofort ein Ziehen im Gebiss.

      Er klingelte, und ein Summer ertönte. Gleich darauf stand er in einem Empfangsraum, der ein wenig einschüchternd wirkte, und das sollte er wohl auch.

      Holzvertäfelungen an den Wänden, englische Stiche unter Glas, Kristallleuchter, Mahagonimöbel und Sitzgelegenheiten im englischen Stil, die mit Leder bespannt waren. Bis auf eine ältere Dame hinter einem Schreibtisch war niemand im Raum.

      Sie saß hinter einer alten Kugelkopf-Schreibmaschine, wie sie Winkels schon lange nicht mehr gesehen hatte. Dann fiel ihm ein, dass hier vermutlich ganz verschiedene Formulare ausgefüllt werden mussten, und dafür eignete sich eine Schreibmaschine sicher besser als ein moderner Computer. Den gab es hinter der Dame allerdings auch.

      Sie hob den Kopf und blickte ihn streng an. Hoch toupierte Haare, konservatives graues Kostüm, weiße Bluse, und auf der spitzen Nase eine Brille, die an einer Kette hing, so dass man sie auch um den Hals tragen konnte.

      Typus alte Jungfer, registrierte er.

      „Sie wünschen?“

      „Mein Name ist Winkels. Ich würde gern mit Herrn Haferkamp sprechen.“

      Sie zog einen dicken Kalender zu sich heran und studierte eine Seite.

      „Ich kann hier keinen Termin entdecken“, verkündete sie ungerührt.

      „Es geht um eine Angelegenheit von großer Wichtigkeit. Eine kriminalpolizeiliche Angelegenheit.“

      Sie dachte einen Augenblick über die Bemerkung nach.

      „Welchen unserer Herren wollen Sie denn sprechen?“

      „Den Vater, denke ich.“

      Jetzt zog ein leichtes Lächeln um ihre Mundwinkel. „Da haben Sie Pech. Der alte Herr Doktor Haferkamp ist vor zwei Jahren gestorben.“

      Winkels war irritiert. „Aber er steht noch im Firmennamen“, wandte er ein.

      Sie schüttelte den Kopf. „Wieder falsch. Es handelt sich um zwei Brüder. Welcher soll es denn nun sein?“

      Winkels fühlte sich ein wenig genervt. „Ich möchte mit dem sprechen, der für die Mandanten Papendieck, Köhler und Bräker zuständig ist.“

      Sie betrachtete ihn weiter mit der Aufmerksamkeit einer Kobra. Die Namen schienen ihr geläufig zu sein.

      „Deswegen hat sich bereits ein Kollege von Ihnen gemeldet. Doch am Telefon geben wir grundsätzlich keine Auskunft.“

      Winkels


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