Glaubensgeschichten sind Weggeschichten. Helmut Schlegel
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HELMUT SCHLEGEL
Glaubensgeschichten sind Weggeschichten
Die Emmauserzählung als Modell christlicher Existenz
Franziskanische Akzente
Für ein gottverbundenes und engagiertes Leben Herausgegeben von Mirjam Schambeck sf und Helmut Schlegel ofm
Band 11
Die Suche der Menschen nach Sinn und Glück ernst nehmen und Impulse geben für ein geistliches, schöpfungsfreundliches und sozial engagiertes Leben – das ist das Anliegen der Reihe „Franziskanische Akzente“.
In ihr zeigen Autorinnen und Autoren, wie Leben heute gelingen kann. Auf der Basis des Evangeliums und mit Blick auf die Fragen der Gegenwart legen sie Wert auf die typisch franziskanischen Akzente:
Achtung der Menschenwürde,
Bewahrung der Schöpfung,
Reform der Kirche und
gerechte Strukturen in der Gesellschaft.
In lebensnaher und zeitgerechter Sprache geben sie auf Fragen von heute ehrliche Antworten und sprechen darin Gläubige wie Andersdenkende, Skeptiker wie Fragende an.
HELMUT SCHLEGEL
Glaubensgeschichten sind Weggeschichten
Die Emmauserzählung
als Modell christlicher Existenz
echter
Herzlicher Dank geht an Simone Müller und Adrian Schmider für die Zuarbeit bei den Korrekturen sowie an die Ordensgemeinschaft der Franziskanerinnen von Reute für die finanzielle Unterstützung.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ‹http://dnb.d-nb.de› abrufbar.
1. Auflage 2016
© 2016 Echter Verlag GmbH, Würzburg www.echter.de
Umschlag: www.wunderlichundweigand.de
(Foto: © Smileus / iStock.com)
Satz: Hain-Team (www.hain-team.de)
ISBN
978-3-429-03986-8
978-3-429-04881-5 (PDF)
978-3-429-06301-6 (ePub)
eBook-Herstellung und Auslieferung:
Brockhaus Commission, Kornwestheim
Inhalt
1. Bewegt und beweglich – eine Art Vorwort
2. Ouvertüre und Finale
3. Die Emmauserzählung – Modell christlicher Existenz
„Sie sprachen miteinander über all das, was sich ereignet hatte“ (Lk 24,14)
„Er fragte sie: Was sind das für Dinge …?“ (Lk 24,17a)
„… in große Aufregung versetzt“ (Lk 24,22b)
„… was in der gesamten Schrift über ihn geschrieben steht“ (Lk 24,27b)
„Brannte uns nicht das Herz in der Brust?“ (Lk 24,32a)
„… brachen sie auf und kehrten … zurück“ (Lk 24,33a)
4. Von Rom ins Spoletotal –
eine franziskanische Variante
der Emmaus-Erfahrung
5. Exerzitien mit Lukas und Franziskus
Tag 1: Bruch und Aufbruch
Tag 2: Gespräch und Beziehung
Tag 3: Trauer und Freude
Tag 4: Begreifen und folgen
Tag 5: Ankommen und bleiben
Tag 6: Brot brechen und Leben teilen
Tag 7: Umkehr und Sendung
6. Die Emmauserzählung – Modell einer geistlichen Gemeinde- und Gemeinschaftskultur
Inspiration und Initiative
Dialogische Kommunikation
Annäherung an Jesus
Orientierung am Wort Gottes
Eucharistie als Mitte
Leben mit einer Sendung
Anmerkungen
Zum Weiterlesen
Abkürzungsverzeichnis
1. Bewegt und beweglich – eine Art Vorwort
Nicht nur Menschen bauen Wege. Auch Tiere tun es. Ameisen legen Straßen fest, auf denen sie die Baustoffe für ihre Behausungen transportieren. Maulwürfe graben unterirdische Gänge, in denen sie sich bewegen, Zugvögel kennen ihre Wege in den Süden und zurück. Alle Geschöpfe, die beweglich sind, kennen Wege – auf der Erde, im Wasser und in der Luft.
Dennoch sind die Wege der Menschen einzigartig. Wir werden bewegt und sind beweglich, weil Bewegung zu unserem Wesen gehört. Der aufrechte Gang ermöglicht uns eine besondere Form der Bewegung. Zu Fuß erwanderte sich der Mensch die ganze Erde. Die Erfindung des Rades ermöglichte ihm später ganz neue Formen der Fortbewegung. Die Fußwege genügten nicht mehr. Straßen wurden gebaut für die Handkarren, Pferdewagen, Kutschen, Automobile. Und auch durch die Flüsse und Meere, selbst durch die Luft schufen Menschen Wasserstraßen und Flugrouten.
Wir brauchen Wege, weil wir beweglich sind. Wir brauchen sie auch im übertragenen Sinn. Denn Wege sind im Grunde Kommunikationsmittel. Der Weg „von mir zu dir“, die Aufnahme von Beziehung setzt voraus, dass ich nicht bei mir bleibe, sondern mich aufmache, „zum anderen gehe“ oder auch „mit dem anderen gehe“. Das bedeutet, einen inneren Weg zu beschreiten, den Weg des Zuhörens, des Vertrauens, der Liebe. Es bedeutet im ge-
sellschaftlichen Sinn, gemeinsam Wege zu suchen und zu gehen: in Familien, Freundeskreisen, Kommunen, Religionen, Kulturen. Es bedarf des Mutes aufzubrechen, Standorte und Standpunkte zu verlassen, sich in Bewegung zu setzen. Nur in Bewegung kann die Menschheit fortschreiten auf dem Weg der Freiheit, der Verständigung, der Versöhnung, des Friedens.
Im übertragenen Sinn sprechen wir auch von Wegen des Glaubens. Die Religionen sind Wege zu Gott. Die Offenbarungsreligionen betonen, dass diese Wege keine Einbahnstraßen sind. Sie gehen davon aus, dass Gott gefunden werden will und dass er dem Menschen die entscheidende Wegstrecke entgegengeht.
Nicht genug damit: In Jesus Christus wird Gott selbst zum Weg. Er lässt sich ein auf die Welt, auf das Geschöpf, auf den Menschen, nimmt die Gestalt der Vergänglichkeit an, lebt und leidet mit uns, teilt mit uns Freude, Hoffnung und Schmerz und macht sich gemeinsam mit uns auf die Suche nach dem „abba“, dem Mutter-Vater-Gott, die/der uns so geheimnisvoll und doch so nahe ist.
Das Neue Testament lädt ein, den Weg Jesu mitzugehen. Nachfolge ist das entscheidende Wort christlicher Glaubenspraxis. Vor allem das Lukasevangelium entfaltet eine „Theologie des Weges“. Es ist aufs Ganze gesehen ein Reisebericht, der Jesus auf dem Weg nach Jerusalem zeigt. Dieser wird ausgestaltet durch eine Vielzahl