Wer kennt sie nicht, die vielfach wiederbelebte Heldinnengestalt der Antike – zumindest als schattenhafte Vorstellung im Gedächtnis? Es war ihr nicht vergönnt, ihren Mut für etwas umwerfend Erhebendes zu beweisen, die griechische Tragödie kennt keine Gnade. Wer die Liebe verschmäht, der hat den Tode verdient, lässt sie ihre Zuschauer unmissverständlich wissen, doch darum geht es hier nur bedingt. Getötet ist der Bruder, dem eine ehrenhafte Bestattung verweigert wird, weil er Verworfenes im Schilde führte. Das kann die Schwesterliebe jedoch nicht zulassen, was ihr eine besonders grausame Form der Todessstrafe einträgt. Sie wird so, wie sie ist, von unüberwindbaren Mauern umzingelt, woraufhin sie sich das Leben nimmt. Ihrem Beispiel folgen: ihr Verlobter, ein Sohn des Königs, und dann auch dessen Frau. Das sahen die Athener, als der Autor in der Blüte seines Werdeganges stand, der runde 90 Jahre währen sollte. Der Ort der Handlung ist allerdings in graue Vorzeiten verlegt, wiewohl sie sich im allseits bekannten Theben abgespielt haben soll. Und das auslösende Schicksalsmoment ist ebenfalls hier zu verorten.