In «Psychologie der Massen» (1895 erstmals veröffentlicht) stellt der französische Soziologe Gustave Le Bon die These auf, dass die Macht der Massen für die kulturelle Entwicklung einer Gemeinschaft zerstörerisch ist. Einem Individuum gleich, durchlebt eine Kultur in ihrer Geschichte verschiedene Entwicklungsstadien, an deren Ende unweigerlich der zivilisatorische Untergang steht, sobald die Macht in die Hände der Massen gerät. Grund ist die blinde, bisweilen fanatische Gefolgschaftstreue, die Le Bon der Masse unterstellt und somit allzu schnell von einzelnen Personen (bei Le Bon «Führern») zu ihren Gunsten ausgeschlachtet wird. Was andere also als Durchbruch zu mehr Repräsentation und Mitsprache sahen, deutete Le Bon, Bildungsbürger durch und durch, kritisch. Entsprechend distanziert klingt dann auch, wenn er von den «Massen» spricht. Aber Le Bon gelang es in diesem Hauptwerk, ein Phänomen zu beschreiben, was die modernen Gesellschaften im Übergang zum 20. Jahrhundert offensichtlich brennend beschäftigte. Vor allem das Unbewusste als Antrieb menschlichen Handelns, das allen Rationalitäten entgegensteht, war Thema von le Bon. Er führte damit eine wichtige neue Kategorie geisteswissenschaftlicher Forschung ein. Nicht zuletzt aus diesem Grund fand «Die Psychologie der Massen» bereits zu Lebzeiten des Autors große internationale Anerkennung. Das Werk wurde in zehn Sprachen übersetzt und prägte die Sozialwissenschaft des frühen 20. Jahrhunderts. Max Weber und Sigmund Freud bauten ihre Forschungen auf Le Bons Arbeiten aus. Le Bon kann somit zu Recht als Urvater der modernen Massenpsychologie bezeichnet werden. Seine Thesen über die Manipulierbarkeit der Massen wurden auch von Adolf Hitler und den Nationalsozialisten rezipiert – mit bekanntem Ergebnis. 100% Sachbuchklassiker: vollständig, kommentiert, relevant. Mit einem einleitenden Essay zu Werk und Kontext.