Die Wahlverwandtschaften. Ein Roman. Johann Wolfgang Goethe

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Die Wahlverwandtschaften. Ein Roman - Johann Wolfgang Goethe


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diesem wundersamen unerwarteten Begegnis sahen der Hauptmann und Charlotte stillschweigend mit einer Empfindung zu, wie man oft kindische Handlungen betrachtet, die man wegen ihrer besorglichen Folgen gerade nicht billigt und doch nicht schelten kann, ja vielleicht beneiden muss. Denn eigentlich war die Neigung dieser beiden ebenso gut im Wachsen als jene, und vielleicht nur noch gefährlicher dadurch, dass beide ernster, sicherer von sich selbst, sich zu halten fähiger waren.

      Schon fing der Hauptmann an zu fühlen, dass eine unwiderstehliche Gewohnheit ihn an Charlotten zu fesseln [81]drohte. Er gewann es über sich, den Stunden auszuweichen, in denen Charlotte nach den Anlagen zu kommen pflegte, indem er schon am frühsten Morgen aufstand, alles anordnete und sich dann zur Arbeit auf seinen Flügel ins Schloss zurückzog. Die ersten Tage hielt es Charlotte für zufällig; sie suchte ihn an allen wahrscheinlichen Stellen; dann glaubte sie ihn zu verstehen und achtete ihn nur um desto mehr.

      Vermied nun der Hauptmann mit Charlotten allein zu sein, so war er desto emsiger, zur glänzenden Feier des herannahenden Geburtsfestes die Anlagen zu betreiben und zu beschleunigen: denn indem er von unten hinauf, hinter dem Dorfe her, den bequemen Weg führte, so ließ er, vorgeblich um Steine zu brechen, auch von oben herunter arbeiten und hatte alles so eingerichtet und berechnet, dass erst in der letzten Nacht die beiden Teile des Weges sich begegnen sollten. Zum neuen Hause oben war auch schon der Keller mehr gebrochen als gegraben, und ein schöner Grundstein mit Fächern und Deckplatten zugehauen.

      Die äußere Tätigkeit, diese kleinen, freundlichen, geheimnisvollen Absichten, bei innern, mehr oder weniger zurückgedrängten Empfindungen, ließen die Unterhaltung der Gesellschaft, wenn sie beisammen war, nicht lebhaft werden, dergestalt dass Eduard, der etwas Lückenhaftes empfand, den Hauptmann eines Abends aufrief, seine Violine hervorzunehmen und Charlotten bei dem Klavier zu begleiten. Der Hauptmann konnte dem allgemeinen Verlangen nicht widerstehen, und so führten beide, mit Empfindung, Behagen und Freiheit, eins der schwersten Musikstücke zusammen auf, dass es ihnen und dem zuhörenden Paar zum größten Vergnügen gereichte. Man [82]versprach sich öftere Wiederholung und mehrere Zusammenübung.

      Sie machen es besser, als wir, Ottilie! sagte Eduard. Wir wollen sie bewundern, aber uns doch zusammen freuen.

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