Achtsames Selbstmitgefühl unterrichten. Кристин Нефф

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Achtsames Selbstmitgefühl unterrichten - Кристин Нефф


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Teilnehmerschaft aus unterschiedlichen Kulturkreisen sicher, angenehm und effektiv zu gestalten. Wir führten eine kontrollierte randomisierte MSC-Studie durch (Germer und Neff, 2013; Neff und Germer, 2013), gründeten im selben Jahr eine gemeinnützige Organisation namens Center for Mindful Self-Compassion, um der Nachfrage nach der Verbreitung des Programms gerecht zu werden, und initiierten im Jahr 2014 ein MSC-Lehrerausbildungsprogramm am Center for Mindfulness der University of California, San Diego, unter der fachkundigen Leitung von Steve Hickman und Michelle Becker.

      Inzwischen haben über 50 000 Menschen das MSC-Programm absolviert, das von über tausend Lehrern und Lehrerinnen in aller Welt gelehrt wurde. Da MSC-Lehrer und -Lehrerinnen während ihres ersten MSC-Kurses Online-Beratung erhalten, konnten wir das MSC-Curriculum auf der Basis ihrer Rückmeldungen noch weiter verfeinern. Das Buch, das Sie nun in den Händen halten, könnte man wohl am besten als Gemeinschaftsprojekt der gesamten MSC-Lehrer-Community beschreiben; und wir hoffen, dass es ein lebendiges Dokument bleibt und sich im Rahmen unseres weiteren gemeinsamen Praktizierens und Lernens immer weiterentwickelt.

      Für wen ist dieses Buch gedacht?

      Wir haben dieses Buch über MSC für Fachleute geschrieben, die daran interessiert sind, Selbstmitgefühl für psychisches Wohlbefinden zu praktizieren und zu lehren. Die meisten Leserinnen und Leser werden Selbstmitgefühl wahrscheinlich in ihre beruflichen Aktivitäten in Bereichen wie Psychotherapie, Medizin, Wirtschaft und Bildung einbringen wollen. Andere sind bereits ausgebildete MSC-Lehrer und Lehrerinnen oder wollen solche werden und möchten die theoretischen, empirischen und pädagogischen Grundlagen von MSC genauer erforschen. Manche werden in erster Linie ein wissenschaftliches Interesse an Selbstmitgefühl haben (Professoren, Wissenschaftler), und andere interessieren sich aus rein persönlichen Gründen für Selbstmitgefühl. Dieses Buch wurde geschrieben, um all diese Bemühungen zu unterstützen.

      Wenn es Ihr Ziel ist, das achtwöchige MSC-Programm zu lehren, müssen Sie auf jeden Fall zuerst das formelle MSC-Lehrertraining absolvieren, bevor Sie mit dem Unterrichten beginnen können. Informationen darüber, wie Sie MSC-Lehrer oder -Lehrerin werden können, finden Sie unter: www.arbor-seminare.de/msc-teacher-training.

      Ein formelles Lehrertraining ist notwendig, denn wie MSC gelehrt wird, ist genauso wichtig, wie was gelehrt wird, und die in diesem Buch enthaltenen Informationen über die Didaktik von MSC müssen durch die Arbeit mit qualifizierten Ausbilderinnen und Ausbildern innerhalb einer Community von Lehrenden vertieft werden. Darüber hinaus spielt die persönliche Praxis eine Rolle, wenn man anderen die Essenz der Achtsamkeit und des Selbstmitgefühls vermitteln will. Deshalb hoffen wir, dass dieses Buch Ihnen zu einem tieferen Verständnis von Selbstmitgefühl verhilft, Sie dazu inspiriert, Selbstmitgefühl für sich selbst zu praktizieren und, wenn es sich für Sie richtig anfühlt, mit Kolleginnen und Kollegen in Verbindung zu treten, die an Selbstmitgefühl interessiert sind und dieses Geschenk gern mit anderen teilen möchten.

      Teil I

      Selbstmitgefühl: Theorie, Forschung, Training

      Vor langer Zeit lernte ich: Das Weiseste, was ich tun kann, ist, auf meiner Seite zu sein.

      Maya Angelou (zitiert in Anderson, 2012)

      Die meisten Menschen würden wohl behaupten, dass sie bis zu einem gewissen Grad verstehen, was Selbstmitgefühl bedeutet. Schließlich ist Mitgefühl mit anderen ein zentrales Prinzip der meisten Weltreligionen, das in der goldenen Regel »Alles, was ihr wollt, das euch die Menschen tun, das tut auch ihnen« verankert ist (Mt 7:12; siehe auch Armstrong, 2010). Selbstmitgefühl impliziert einfach das umgekehrte Prinzip, nämlich zu lernen, mit uns selbst so umzugehen, wie wir vielleicht spontan mit anderen umgehen würden, wenn sie leiden, scheitern oder sich unzulänglich fühlen. Das ist jedoch leichter gesagt als getan. Was passiert, wenn wir die Augen schließen und darauf achten, uns selbst Freundlichkeit und Mitgefühl entgegenzubringen? Normalerweise werden uns die ungeliebten Anteile unserer selbst bewusst – und auch die alten Wunden, die in den Tiefen unseres Herzens und Geistes verborgen waren. Es erfordert ein spezielles Training, um Licht an diese dunklen Orte bringen und lange genug dort verweilen zu können, um das, was wir vorfinden, zu transformieren.

      Die folgenden vier Kapitel sind dem Versuch gewidmet, das Selbstmitgefühlstraining in einen Kontext zu stellen. Es ist gut, eine Landkarte zu haben, bevor wir uns auf dieses Terrain begeben.

      In Kapitel 1 erfahren Sie etwas über die Beziehung zwischen Achtsamkeit und Mitgefühl sowie über einige praktische Unterschiede zwischen dem Mindful-Self-Compassion-(MSC-)Programm und anderen empirisch unterstützten achtsamkeitsbasierten Trainingsprogrammen.

      Kapitel 2 definiert die Grundidee des Selbstmitgefühls, vergleicht Selbstmitgefühl mit dem Mitgefühl für andere, vertieft die Diskussion über die Beziehung zwischen Achtsamkeit und Selbstmitgefühl, beleuchtet die Yin- und Yang-Aspekte des Selbstmitgefühls und weist auf Unterschiede zwischen Selbstwertgefühl und Selbstmitgefühl hin. In Kapitel 2 werden auch häufige Bedenken gegenüber dem Selbstmitgefühl aufgedeckt.

      Kapitel 3 bietet einen umfassenden Überblick über die Forschungsliteratur zum Thema Selbstmitgefühl, die darauf hinweist, dass die meisten Bedenken im Hinblick auf Selbstmitgefühl unbegründet sind. Diskutiert werden Forschungsergebnisse in den Kategorien emotionales Wohlbefinden, Gesundheit, Alltagsbewältigung, Körperbild, Beziehungen, Pflege, Populationen in klinischen Studien, Neurophysiologie und weiteren.

      Kapitel 4 konzentriert sich schließlich auf die Wissenschaft des Selbstmitgefühlstrainings. Es beleuchtet die Forschungsergebnisse hinsichtlich des MSC-Programms sowie anderer Mitgefühlstrainingsprogramme, die die Vorteile und positiven Wirkungen von mitgefühlsbasierten Interventionen stützen.

      Wir, die Mitentwickler des MSC-Programms, sind sowohl Praktizierende als auch Sozialwissenschaftlerinnen. Wir glauben, dass die positiven Auswirkungen von mehr Selbstmitgefühl so alt sind wie die ­menschliche Natur und dass das Erlernen von Selbstmitgefühl keine bestimmten Glaubensvorstellungen voraussetzt. Unser Verständnis beruht auf persönlicher Erfahrung und wird durch Forschungsergebnisse gestützt. Das Wissen um die starke empirische Basis von Selbstmitgefühl hat den Vorteil, dass es die persönliche Praxis inspirieren und durch Zuversicht stärken kann. Die Forschung liefert Hinweise darauf, wie und für wen Selbstmitgefühl am besten funktioniert, bietet Einblicke in die grundlegenden Wirkmechanismen des Selbstmitgefühls und weist auf neue Trainingsinitiativen hin.

      Letztendlich ist es jedoch die Erfahrung des Selbstmitgefühls – die direkte Wahrnehmung dessen, was geschieht, wenn wir mit uns selbst warmherzig und unterstützend umgehen –, die es uns ermöglicht, unseren Weg mit Zuversicht und Leichtigkeit zu gehen.

      1

      Eine Einführung in Achtsames Selbstmitgefühl

      Möge Freundlichkeit in deinem Blick sein, wenn du nach innen schaust.

      John O’Donohue (2008)

      Das Leben ist für uns alle schwierig. Wenn wir unser Erleben in jedem beliebigen Moment genauer betrachten, stellen wir fest, dass wir vom Augenblick des Aufwachens am Morgen (»Oh, ich bin spät dran!«) bis zum Einschlafen am Abend (»Das hätte ich wirklich noch tun sollen …«) mehr oder weniger unter Stress stehen. Das ist uns normalerweise nicht bewusst. Spüren Sie beispielsweise in diesem Moment ein körperliches Unbehagen? Machen Sie sich über irgendetwas Sorgen? Sind Sie hungrig? Und sollten Sie nicht endlich Ihr E-Mail-Postfach »aufräumen«, bevor Sie anfangen, ein neues Buch zu lesen? Paradoxerweise kann das bewusste Wahrnehmen und Annehmen unserer kleinen und großen Herausforderungen unser Leben wesentlich bereichern. Das ist Achtsamkeit. Und uns selbst inmitten unserer Schwierigkeiten


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