Der Hund der Baskervilles. Sir Arthur Conan Doyle

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Der Hund der Baskervilles - Sir Arthur Conan Doyle


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Sie mir sagen, Mr Holmes, was zum Donnerwetter das heißen soll und wer dieser Mensch ist, der seine Nase in meine Angelegenheiten steckt.«

      »Was halten Sie davon, Dr Mortimer? Sie müssen jedenfalls zugeben, dass es sich hier um nichts Übernatürliches handelt.«

      »Ganz recht, Sir, aber die Botschaft könnte sehr wohl von jemandem stammen, der überzeugt ist, dass in dieser Sache Übernatürliches im Spiel ist.«

      »Was für eine Sache?« fragte Sir Henry scharf. »Mir scheint, Gentlemen, Sie sind alle über meine Angelegenheiten besser informiert als ich selbst.«

      »Sie sollen gleich alles erfahren, Sir Henry. Das verspreche ich Ihnen«, sagte Holmes. »Aber wenn Sie gestatten, wollen wir unsere Aufmerksamkeit zunächst diesem hochinteressanten Dokument widmen. Es muss gestern Abend zusammengebastelt und zur Post gegeben worden sein. Haben wir die Times von gestern noch hier, Watson?«

      »Sie liegt dort in der Ecke.«

      »Dürfte ich Sie bitten – das innere Blatt bitte, mit den Leitartikeln.« Mit raschem Blick überflog er die Spalten. »Hier ist ein famoser Artikel zum Thema Freihandel. Erlauben Sie mir, Ihnen einen Auszug daraus vorzulesen:

      ›Wenn Sie sich verleiten lassen zu glauben, Ihr spezieller Wirtschaftszweig oder Ihr spezieller Handelszweig werde durch die Aussicht auf Schutzzölle gefördert, so sagt einem allein der gesunde Menschenverstand, dass solche Maßnahmen dem Wohlstand unseres Gemeinwesens auf lange Sicht gefährlich werden, weil sie den Fernhandel behindern, den Wert unserer Import- und Exportgeschäfte mindern und in der Folge die allgemeinen Lebensbedingungen, auf die wir in diesem Lande so großen Wert legen, nicht so bleiben können, wie sie derzeit sind, sondern sich zwangsläufig verschlechtern werden.‹

      Was sagen Sie dazu, Watson?« rief Holmes, sich in hellem Entzücken die Hände reibend. »Finden Sie nicht, dass diese Einstellung vorbildlich ist?«

      Dr Mortimer betrachtete Holmes mit dem prüfenden Blick des Arztes, und Sir Henry Baskerville richtete seine dunklen Augen verblüfft auf mich.

      »Ich verstehe nicht viel von Schutzzöllen und solchem Zeug«, sagte er, »aber mir scheint, wir sind ein wenig von der Spur abgekommen, was diesen Brief betrifft.«

      »Ganz im Gegenteil, Sir Henry! Meiner Meinung nach haben wir gerade eine heiße Spur gefunden. Watson ist mit meinen Methoden besser vertraut als Sie, aber ich fürchte, auch er hat die Bedeutung dieses Artikels nicht erfasst.«

      »Nein, ich gebe zu, dass ich keinen Zusammenhang sehe.«

      »Und doch, mein lieber Watson, gibt es einen engen Zusammenhang, so eng sogar, dass das eine aus dem anderen hervorgeht. ›Wenn Sie – Wert – auf – Leben – Verstand – legen – bleiben – dem – fern.‹ Sehen Sie jetzt, woher diese Wörter stammen?«

      »Donnerwetter, Sie haben recht! Also, das war wirklich schlau!« rief Sir Henry.

      »Wenn überhaupt noch ein Zweifel bestünde, so würde er durch die Tatsache ausgeräumt werden, dass ›Wenn Sie‹ und ›Wert legen‹ in zusammenhängenden Stücken ausgeschnitten sind.«

      »Wahrhaftig! Das stimmt!«

      »Wirklich, Mr Holmes, das übertrifft meine kühnsten Erwartungen«, rief Dr Mortimer mit einem erstaunten Blick auf meinen Freund. »Dass diese Wörter aus einer Zeitung ausgeschnitten worden sind, darauf wäre ich auch gekommen, aber dass Sie auf Anhieb erkannt haben, aus welcher Zeitung und dazu noch aus dem Leitartikel, das ist eins der erstaunlichsten Dinge, die mir je begegnet sind. Wie haben Sie das fertiggebracht?«

      »Ich nehme an, Herr Doktor, Sie können den Schädel eines Schwarzafrikaners von dem eines Eskimo unterscheiden?«

      »Selbstverständlich.«

      »Und wieso?«

      »Weil das mein spezielles Fachgebiet ist. Die Merkmale sind augenfällig. Die supraorbitale Wölbung, die Gesichtsmaße, der maxilläre Bogen, der …«

      »Und dies hier ist mein spezielles Fachgebiet, und die Merkmale sind genauso augenfällig. In meinen Augen ist der Unterschied zwischen dem durchschossenen Borgis-Satz eines Leitartikels der Times und dem schluderigen Satz eines billigen Abendblattes genauso groß wie für Sie der Unterschied zwischen dem Schädel eines Afrikaners und dem eines Eskimo. Die Kenntnis von Schrifttypen gehört zu den elementaren Grundlagen der wissenschaftlichen Kriminalistik, wenn ich auch zugeben muss, dass ich in meinen jugendlichen Anfängen einmal den Leeds Mercury mit den Western Morning News verwechselt habe. Aber ein Leitartikel der Times ist absolut unverkennbar. Diese Schnipsel konnten keiner anderen Zeitung entnommen sein. Und da diese Botschaft erst gestern angefertigt worden ist, war die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass die Worte der gestrigen Ausgabe entstammen.«

      »So weit ich Ihnen folgen kann, Mr Holmes«, sagte Sir Henry Baskerville, »hat also jemand diese Wörter mit einer Schere ausgeschnitten –«

      »Mit einer Nagelschere«, unterbrach Holmes ihn. »Wie Sie sehen, war es eine Schere mit sehr kurzen Klingen. Für ›Wert legen‹ waren zwei Schnitte nötig.«

      »Richtig. Jemand hat also diese Wörter mit einer Nagelschere ausgeschnitten und sie mit Kleister –«

      »Mit Gummi arabicum«, sagte Holmes.

      »Mit Gummi arabicum auf den Briefbogen geklebt. Aber ich möchte doch gern wissen, warum das Wort ›Moor‹ mit der Hand geschrieben wurde.«

      »Weil es gedruckt nicht zu finden war. Die anderen Wörter sind häufig, sie lassen sich in jeder Zeitungsausgabe finden, aber das Wort ›Moor‹ kommt selten vor.«

      »Ja, natürlich, das ist einleuchtend. Können Sie vielleicht noch mehr aus dem Brief herauslesen, Mr Holmes?«

      »Er gibt uns ein paar Hinweise, obwohl der Absender sich größte Mühe gegeben hat, alle verräterischen Spuren zu tilgen. Die Adresse ist, wie Sie sehen, in unbeholfener Blockschrift geschrieben. Andererseits ist die Times ein Blatt, das fast ausschließlich in gebildeten Kreisen gelesen wird. Wir können daher annehmen, dass der Brief von einem gebildeten Menschen stammt, der sich bemüht hat, ungebildet zu erscheinen. Die verstellte Handschrift legt den Schluss nahe, dass der Schreiber Ihnen bekannt sein könnte oder dass er noch Ihre Bekanntschaft machen wird. Ferner werden Sie bemerken, dass die Wörter nicht in einer geraden Linie aufgeklebt sind, sondern dass einige deutlich höher stehen als andere. ›Leben‹ zum Beispiel ist völlig aus der Zeile gerutscht. Das kann auf Unachtsamkeit hindeuten, es kann aber auch heißen, dass der Täter in Aufregung und Eile war. Im Großen und Ganzen neige ich der letzteren Annahme zu, da ihm die Sache offenbar von großer Wichtigkeit war, und außerdem ist es wenig wahrscheinlich, dass der Urheber eines solchen Briefes nachlässig vorgehen würde. Falls er tatsächlich in Eile war, dann stellt sich die interessante Frage, warum er in Eile war, denn jeder Brief, der bis zu den frühen Morgenstunden aufgegeben wurde, würde in Sir Henrys Hände gelangen, bevor dieser das Hotel verließ. Möglicherweise fürchtete der Briefschreiber, gestört zu werden – aber von wem?«

      »Damit kommen wir in den Bereich bloßer Mutmaßungen«, sagte Dr Mortimer.

      »Sagen wir lieber, in den Bereich des Abwägens von Möglichkeiten zugunsten der wahrscheinlichsten Variante. Die streng logische Anwendung der Vorstellungskraft muss stets auf konkretem Material als Ausgangspunkt für Mutmaßungen basieren. Sie werden es jetzt wahrscheinlich Raten nennen, wenn ich sage, dass ich ziemlich sicher bin, dass diese Adresse in einem Hotel geschrieben worden ist.«

      »Wie in aller Welt kommen Sie darauf?«

      »Wenn Sie sich die Schrift genau ansehen, wird Ihnen auffallen, dass der Schreiber sowohl mit der Feder als auch mit der Tinte Schwierigkeiten hatte. Die Feder hat in einem einzigen Wort zweimal gekleckst, und die Tinte ist beim Schreiben dieser kurzen Zeilen nicht weniger als dreimal ausgegangen, was bedeutet, dass sehr wenig Tinte im Tintenfass war. Bei der eigenen Feder und Tinte lässt man es selten so weit kommen; noch seltener passiert beides zugleich. Aber man kennt ja Hotelfedern und Hoteltinte, da bekommt man fast nie ordentliches Schreibzeug. Ja, ich möchte behaupten: Hätten wir die Möglichkeit, die Papierkörbe


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