Klassiker der Romantik in Poesie und Prosa: Die berühmtesten Werke von Joseph von Eichendorff. Joseph von Eichendorff

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Klassiker der Romantik in Poesie und Prosa: Die berühmtesten Werke von Joseph von Eichendorff - Joseph von Eichendorff


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vergoldete Stutzuhr auf dem Schrank mit heiseren Absätzen zu spielen an. »Mein Gott, noch aus ›Cosa rara‹!« rief die Fürstin überrascht aus. – war die erste Oper, welche die Fürstin überrascht aus. – »Ich weiß wirklich nicht « erwiderte der Baron, der es für Spott hielt, und zog die Augenbraunen finster zusammen. Aber er irrte sich. ›Cosa rara‹ war die erste Oper, welche die Fürstin noch als Kind gehört; jetzt überwältigte sie die Erinnerung, sie hütete sich aber, es zu sagen, damit niemand die Jahre nachzählte. Unterdes hatte der Fürst auch ein Klavier entdeckt, und mit der Unbarmherzigkeit der großen Welt wurde Fräulein Trudchen ohne weiteres, wie zur Schlachtbank, zum Spielen gedrängt. Der Prediger, der sich gern bemerklich machen wollte, brachte ein Pack Noten herbei und stellte sich geschäftig hinter den Stuhl, um die Blätter umzuschlagen. Dem Fräulein ging es aber wie der Spieluhr, rot bis an die Ohrläppchen konnte sie keinen vernünftigen Ton hervorbringen. Da warf sie plötzlich das Stutznäschen stolz in die Höh, schob die Noten zur Seite und sang herzhaft eines von den Volksliedern, wie sie damals noch auf den Bergen im Schwange waren. Da ging, zur Verwunderung des erschrockenen Barons, auf einmal eine freudige Bewegung durch die ganze Gesellschaft, man verglich sie einem Waldvöglein, sie mußte mehr und immer noch mehr solche Lieder singen. Dazu kam die Neuheit der ganzen Umgebung, das heimliche Gefühl der Sicherheit in der stillen Burg, während draußen schon der Sturm den Regen an die Fenster peitschte. Die Fürstin fand das altertümliche Kamin, die tiefen Fensterbogen und Erker entzückend, während der Fürst in dem einen Fenster sich nicht satt sehen konnte an dem tiefen Waldgrund unter dem Schlosse, den die Blitze von Zeit zu Zeit seltsam erleuchteten, so daß der Baron, der lange dort nicht hinausgesehen, endlich selbst neugierig mit hinunterblickte. So war alles in der heitersten Stimmung, als nun noch in dem Kamin ein lustiges Feuer angezündet wurde; der Prediger konnte mit seiner Gelehrsamkeit gar nicht aufkommen, und der Baron fand mit Erstaunen, daß es doch eigentlich gar nicht so übel leben sei uner diesen Leuten.

      Es war noch zu früh zum Schlafengehen, die Fürstin schlug vor, Geschichten zu erzählen, jeder, was ihm eben einfiele. Der Prediger räusperte sich, eine Novelle, die er neulich für ein Taschenbuch geschrieben, steckte ihm schon im Halse. Aber zu aller Verwunderung bat der lange Lord vorweg um das Wort, der Baron brachte alten Ungarwein, wovon er ein Glas der Fürstin zierlich auf einem silberenen Teller präsentierte, alles setzte sich um das Kaminfeuer zurecht, und der Lord begann ohne weiteres folgende

      Geschichte der wilden Spanierin

      »In dem Kriege Napoleons gegen Spanien diente ich in der englischen Armee, welche damals den Spaniern zu Hülfe zog. Ich war Husarenoffizier, da hatt' ich vielen Ärger mit der unvernünftigen hohen Bärenmütze, die alle Augenblick das Gleichgewicht verlor, während ich mich täglich ein paarmal in dem sarmatischen Gehänge und Gebommel von Säbeltasche, Dolman und Fangschnüren mit meinen langen Beinen verwickelte. Einmal waren wir versprengt und rasteten im Freien. Es regnete in einem fort, ich stand melancholisch mitten im Felde unter meinem Regenschirm, in jeder Hand, wie ich aus Vorsicht immer zu tun pflegte, eine Pistole mit gespanntem Hahn. Auf einmal heißt's: Die Franzosen! Wir waren unserer nur wenige, der Feind in hellen Haufen. Meine Kameraden zerstoben im Nu nach allen Seiten. Ich aber fasse mein Pferd, fahre in der Eil mit dem Bein in den Pelzärmel des Dolmans, mit einem Arm in die Säbeltasche, mit dem andern in die verfluchte Takelage von Schnüren und Troddeln, so daß ich mich nicht rühren, viel weniger die Zügel erlangen konnte; mein Pferd erschrickt vor meiner Positur und rennt gerade auf den Feind los, und so, mit ausgespreizten Armen, den Säbel zwischen den Zähnen, während meine Pistolen losgehen, wie eine wahnsinnige Fledermaus, fliege ich mitten unter die Franzosen hinein, daß ein lustiges Hussa! durch ihr ganzes Geschwader erscholl. Ich war nun in ihre Gefangenschaft geraten, sie hatten Mühe, mich aus meiner verwickelten Lage zu bringen und nannten mich den tollsten Kerl, den sie jemals gesehen. Da ich aber französisch sprach und Gold in der Börse hatte, so wurden wir bald gute Kameraden. Sie wollten mich nach Burgos führen in ihr Depot, das war aber nicht so leicht gemacht, denn bewaffnete Banden spanischer Bauern verrannten uns überall den Weg, und so zogen wir geraume Zeit miteinander im Lande umher.

      Auf diesem Zuge lagerten wir einmal in einer schönen Sommernacht an einem großen Schlosse, das schon seit langer Zeit nicht mehr bewohnt schien. Die alten, zackigen Türme warfen im Mondschein lange Schatten über den wüsten Schloßgarten, wo wir lagen und unsere Pferde an die verwilderten Hecken angebunden hatten. Es war alles still in der ganzen Gegend, von Zeit zu Zeit hörte man die Pferde schnauben und die Wachen anrufen aus der Ferne, im Walde schlugen die Nachtigallen, als gäb' es keinen Krieg in der Welt. – Der Rittmeister, der den Zug führte, ein heiterer Gaskogner, lag rücklings auf seinen Mantel ausgestreckt, ich glaubte, er schliefe, er hatte aber, wie er mir nachher sagte, an seine ferne, schöne Heimat gedacht. Auch richtete er sich gleich darauf schnell und rüstig wieder auf. »Hier ist nicht Zeit zum Träumen«, meinte er, »wir müssen auf unserer Hut sein heut' nacht, denn das ist das Schloß der wilden Spanierin.« Und als ich fragte, wer die sei, benutzte er die Gelegenheit, sich munter zu erhalten, und erzählte mir alles ausführlich.

      »In diesem Schlosse«, sagte er, »wohnte ehedem ein Graf aus uraltem Stamm, der nach und nach wohl sich zu beugen verlernt haben mochte. Wenigstens soll der Graf früher den Anforderungen des alten Hofes jederzeit trotzigen Stolz entgegengesetzt haben bis zu wechselseitiger, bitterer Verstimmung; um so mehr durfte man voraussetzen, daß er der neuen Ordnung der Dinge geneigt sei. Auch fanden ihn die Unsrigen, als sie das Land überzogen, einsam auf seinem Schlosse, höflich, aber finster und, wie es schien, ohne alle Teilnahme an dem, was hinter seinen Bergen vorging. Seine größte Freude war ein Töchterchen, sein einziges Kind, bei dessen Geburt die Mutter gestorben. Mit ihr pflegte er, wenn alles schon schlief, die Zinne des Schlosses zu besteigen, und zeigte ihr das Land, das ehemals ihre Ahnen beherrscht, so weit der Mond die Wälder beleuchtete, und erzählte ihr halbe Nächte hindurch von der alten, großen Zeit und der fürstlichen Freiheit, die sich dem Zwang der Städte nicht unterwerfe. Unter solchen Träumen wuchs das Fräulein auf, und da der Krieg alles vereinzelte, so sah sie fast kein anderes Frauenzimmer als ihre alte Amme, ein hexenhaftes Weib, das von ihrem Vater, einem Zigeuner, und ihrer Mutter, einer gefangenen Araberin, manch Zauberstückchen ererbt hatte, woran die Tradition dieser Stämme so reich ist.

      Aber unseren Leuten blieb die junge Gräfin nicht lange verborgen, und die sie sahen, konnten nicht genug erzählen, wie wunderbar schön sie war: schwarze Locken, bleich mit brennendrotem Munde, die Augen wie ein dunkeler Abgrund. Täglich nun flimmerte es von französischen Offizieren auf dem Schlosse. Das gefiel ihr wohl, sie ritt und focht mit ihnen und war der beste Schütz auf der Jagd, sooft aber einer näher trat mit verliebten Blicken oder Worten, sah sie ihn verwundert an und wußte nicht, was er wollte, allen gleich fern und fremd, wie ein Stern in kalter Winternacht. Das verlockte aber die lustigen Gesellen nur noch immer mehr aufs Glatteis, und ein hübscher, junger Unterlieutenant – St. Val war sein Name -, der soeben erst aus der Militärschule von Paris angekommen war und davon hörte, verschwor sich mörderlich, sie müßte sein werden, oder er wollte des Teufels sein!

      Unterdes wurden die Plänkeleien in der Gegend immer ernster, die Offiziere hatten vollauf zu tun und blieben aus, da konnte sich die Gräfin gar nicht wiederfinden in die alte Einsamkeit und das einförmige Rauschen der Wälder. – So stand sie auch eines Abends allein mit der Amme vor dem Schloß. Der Krieg ging unten wie eine lustige Jagd durch die Berge, zuweilen sahen sie fern in der Abendsonne ein Geschwader von Reitern aufblitzen, einzelne Trompeten klangen herüber, dann verhallte und verdunkelte nach und nach alles wieder, nur die Flammen brennender Dörfer blieben am Horizonte stehn. Die Gräfin sah lange stumm und unverwandt in das ferne Feuer, dann brach sie still in Weinen aus und sagte für sich: »Wie ist das herrlich! Ach, daß ich kein Mann geworden bin! ihnen gehört alles, sie regieren die Welt.« – Die kluge Amme erwiderte: »Desto besser, Kind, desto besser, denn die Frauen regieren wieder die Männer.« – »Wieso?« – sagte die Gräfin und sah sie groß an, daß ihr die Tränen funkelnd in den schönen Augen stockten. – »Nun, nun«, antwortete die Alte, »kein schlanker Tiger verwundet so tief, als wenn ihr lacht und ihnen die weißen Zähnchen weist oder einen beim Küssen heimlich damit beißt; keine buntgefleckte Schlange ist so schön und stark, als eure Arme, wenn ihr einen umschlingt.« – Die Gräfin hörte nur halb darauf und sagte wie in Gedanken: »Darum habe ich immer in den alten Büchern meines Vaters gelesen, wie Fürsten und


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