Deutsch als Zweitsprache. Barbara Geist

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Deutsch als Zweitsprache - Barbara Geist


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je einem anderen Artikel kennzeichnet, während einige Sprachen im Unterschied zum Deutschen keine Artikel verwenden (z.B. Russisch, Türkisch), für jedes Nomen denselben Artikel nutzen (z.B. Englisch) oder nur über zwei verschiedene Artikel verfügen (z.B. Französisch, Spanisch) (Tab. 2).

Deutsch Englisch Französisch Spanisch Russisch
die Gɑbel the fork lɑ fourchette el tenedor ви́лка (vilkɑ)
dɑs Bett the bed le lit lɑ cɑmɑ кроваь (krovɑt‘)
der Stein the stone lɑ pierre lɑ piedrɑ кáмень (kɑmjen)
die Flɑsche the bottle lɑ bouteille lɑ botellɑ Буты́лка (butýlkɑ)

      Tab. 2: Sprachenvergleich Artikel und Genus (in Anlehnung an Riegler et al. 2015: 91, dort farbige Hervorhebungen)

      Eine eindeutige Markierung der Kasus liegt nur im Maskulinum vor, während andererseits ein und dieselbe Form (z.B. der) völlig unterschiedliche Aufgaben übernimmt (z.B. der Katze Dativ/Genitiv Singular, setzt das Wissen voraus, dass Katze feminin ist) (s. auch Kap. 6).

      Eine weitere Besonderheit des Deutschen sind trennbare Verben: So entsteht durch den vorangestellten Baustein ein aus laden ein neues Verb: einladen. Betonte vorangestellte Morpheme (Verbpartikeln) wie ein, an oder auf werden im V2- oder V1-Satz im Präsens abgetrennt und stehen im rechten Verbfeld (Konrad wischt die Tafel ab). Die Bedeutung von Verben mit und ohne Präverb unterscheidet sich in der Regel: Während abwischen und wischen je nach Kontext synonym verwendet werden können, ist das bei legen, ablegen und anlegen nicht möglich. Zudem unterscheiden sich bei diesen Verben nicht nur die Bedeutung(en), sondern auch die Zahl und Art der obligatorischen Ergänzungen. Hingegen werden unbetonte Präfixe wie be- in belegen und ver- in verkaufen im Unterschied zu betonten Verbpartikeln nicht abgetrennt (Er belegt das Brötchen) (Granzow-Emden 2014: 64).

      Syntax

      Kaum eine Sprache konstruiert ihre Sätze so wie das Deutsche. Die meisten Sprachen lassen sich einem der beiden Satzbaupläne SVO (Subjekt-Verb-Objekt, z.B. Englisch) oder SOV (Subjekt-Objekt-Verb, z.B. Türkisch) zuordnen. Zwar ist die SOV-Struktur im Deutschen die Basisstruktur, dies wird jedoch in der hochfrequenten V2-Anordnung verschleiert.3 Im deutschen Hauptsatz ist nicht festgelegt, ob das Subjekt, das Objekt oder eine der weiteren Konstituenten vor dem Verb steht. Lediglich die Position des Verbs an zweiter Stelle (Verbzweitstellung) ist obligatorisch (Geilfuß-Wolfgang / Ponitka i. Vorb.). Der Verbletztsatz in der letzen Zeile von Abb. 3 kann als Nebensatz fungieren, ist aber z.B. als Antwort auf die Frage „Meinst Du, Martina kommt?“ – „Wenn …“ auch als eigenständige Konstruktion denkbar.

      Bildungssprache – Tor zur Bildung

      Neben rein sprachsystematischen wie den oben dargestellten sind auch konzeptionelle Ebenen zu reflektieren: Mit Blick auf die vor- und außerschulischen sprachlichen Erfahrungen, die die SuS mitbringen, erfolgt die entscheidende Veränderung im Lernbereich ‚Sprechen und Zuhören‘ nicht auf der medialen, sondern auf der konzeptionellen Ebene. Die vorschulischen Erfahrungen finden (vorrangig) in Situationen statt, die von konzeptionell mündlichen Äußerungen (Koch/Oesterreicher 1994), häufig auch als Basic Interpersonal Communicative Skills (BICS, Cummins 1979) bezeichnet, geprägt sind. Diese BICS werden von Kindern und Jugendlichen auch in der L2 verhältnismäßig schnell erworben. Aufgabe des Deutschunterrichts sowie des Fachunterrichts ist es, alle SuS ausgehend von ihren sprachlichen Fähigkeiten konzeptionell schriftlich, in ihrer Cognitive Academic Language Proficiency (CALP, ebd.), zu fördern. Dies impliziert die Notwendigkeit, Sprech- und Zuhöraufgaben auch danach zu analysieren, inwieweit sie eine konzeptionell mündliche oder konzeptionell schriftliche Kommunikation von den SuS fordern. Mit der Unterscheidung von konzeptioneller Mündlichkeit und Schriftlichkeit ist keine Abwertung bestimmter Sprachgebrauchsformen verbunden: Konzeptionell mündliche Handlungen sind im gegebenen Kontext grundsätzlich funktional angemessen und es ist wenig hilfreich, pauschal und unabhängig von der Kommunikationssituation konzeptionell schriftliche Mittel einzufordern4. Ziel muss es vielmehr sein, dass die SuS über verschiedene Sprachgebrauchsformen verfügen, die je nach Adressat und Kontext reflektiert eingesetzt werden können. So ist die Verbstellung im folgenden Satz konzeptionell mündlich (inzwischen) akzeptiert, wird jedoch konzeptionell schriftlich (weiterhin) abgelehnt.

       L: Warum bist du zu spät? S: Weil: ich hab noch auf Lorenz gewartet.

      Lange wurden für die alltägliche Sprachverwendung (nicht nur) bildungsferner Menschen negativ konnotierte Begriffe wie „restringierter Code“ (Bernstein 1971) verwendet. Diese abwertende Haltung ist inzwischen einer Forschungsrichtung gewichen, die mit Wertschätzung Varietäten wie Jugendsprache (u.a. Neuland 2008) und Kiez-Deutsch (u.a. Wiese 2012) untersucht.

      Gogolin führt mit Verweis auf die Schriftförmigkeit bestimmter Redemittel den Terminus Bildungssprache (zurückführend auf Habermas 1977) ein (Gogolin 2006: 5). Feilke (2012: 6) greift diesen Begriff auf und verortet ihn als Ausschnitt von Schriftsprache und Teil der Schulsprache. Schulsprache i.e.S. bezeichnet „auf das Lehren bezogene und für den Unterricht zu didaktischen Zwecken gemachte Sprach- und Sprachgebrauchsformen, aber auch Spracherwartungen“ (ebd.: 5). Ein Beispiel ist die spezifische Lesart der Aufforderung „Erörtere …“ im Kontext Schule. Sprachstrukturell gibt es einige Indikatoren, die als in besonderem Maße bildungssprachlich relevant gelten (Riebling 2013). Hierzu zählen beispielsweise das Passiv, unpersönliche Ausdrücke, der Konjunktiv, Konstruktionen mit lassen, Substantivierungen, Komposita und Attribute unterschiedlicher Komplexität (Gogolin/Duarte 2016, Geist et al. 2017b). Lexikalisch ist Bildungssprache von starker Präzision gekennzeichnet. Kann alltagssprachlich vieles kaputt gehen, wird bildungssprachlich erwartet, abhängig vom Nomen spezifische Termini zu verwenden: Papier reißt, Glas/Porzellan zerbricht, ein Luftballon platzt, eine Blume verwelkt, Schnee schmilzt, Metall korrodiert, Dynamit explodiert … Die spezifischen sprachlichen Erfordernisse bestimmter diskursiver Praktiken, beispielsweise beim Erklären und Argumentieren, wurden umfangreich untersucht (s. Beiträge in Grundler/Vogt 2006 und Vogt 2009 u.v.m.). Dass diese Praktiken nicht nur im Kontext Schule stattfinden, sondern auch in der Interaktion in Familien oder zwischen Peers, zeigen Morek (2012 zum Erklären) sowie Heller (2012 zum Argumentieren). In der Darstellung didaktischer Konzeptionen und Methoden (s. Kap. 2.4) greifen wir ihre Vorschläge zur unterrichtlichen Förderung diskursiver Praktiken auf.

      2.2 Lernausgangslage: Mündliche Fähigkeiten in Produktion und Rezeption

      Kinder und Jugendliche mit DaZ sind ebenso kompetente Sprecher(innen) und Zuhörer(innen) wie gleichaltrige SuS mit DaE, jedoch zunächst nicht in der für den Unterricht in Deutschland relevanten Schul- und Unterrichtsprache. Bei einem konsequenten Verständnis des Lernbereichs Sprechen und Zuhören müssten diese SuS sowohl in ihrer L1 als auch ihrer L2 gefördert


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