Populisten – rhetorische Profile. Группа авторов

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Populisten – rhetorische Profile - Группа авторов


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ein. Provocation sells, könnte man als Maxime darüber setzen. Was in den Echokammern des Populisten kursiert, wird von der etablierten Presse bzw. journalistischen Öffentlichkeit genau beobachtet und dann bei aller Kritik auf jeden Fall weit gestreut. Auf die Streuung aber kommt es an. Dieser parasitäre Mechanismus wird zum kostenfreien Faktor bei der Unterminierungsstrategie des Populisten. Die von ihm gescholtene ‚Lügenpresse‘ wird so zu seinem Helfer.

      2. Habitus

      Unter dem, was Aristoteles Hexis und der frz. Soziologe Pierre Bourdieu Habitus nennt, werden im Folgenden die mit der Person verbundenen, zumeist erworbenen Merkmals- oder Eigenschaftsmuster eines Kommunikators verstanden, welche sich in der Öffentlichkeit als Verhaltensneigung und Handlungsdisposition zeigen. Man kann hier auch vom erkennbaren Selbst- und Fremdimage eines öffentlich auftretenden Akteurs reden. Das Akteursmodell Populist bezieht sich auf die Beobachtung von Zuschreibungen bei Beobachtern erster und zweiter Ordnung. Sie betreffen in Hinblick auf vermeintliche Populisten deren Präferenzen und wiederkehrende Verhaltens- und Äußerungsmuster, die sich mit den ebenfalls andauernd von ihnen kommunizierten Selbstimages verbinden (Opfer, Held, Erlöser usw.). Kurz: Akteure schärfen ihr Profil mit bevorzugten Themen oder strategisch eingesetzten Verhaltenswiederholungen. Dazu gehört etwa eine Ponens-Negans-Mechanik: Behauptungen werden aufgestellt oder Provokationen geäußert und anschließend bedenkenlos zurückgenommen („war nicht so gemeint“).

      Der sich vor diesem Hintergrund verdichtende Image-Kern des Populisten ist einerseits der des fanatischen Protestlers, andererseits der des demagogischen Verführers. Beides klingt hart zugespitzt, trifft aber das hier verhandelte habituelle Paradigma in seinen wichtigsten Komponenten: Wer als Populist protestiert, legt Zeugnis ab für seine eigene neue Sache und tritt in eine klare Ablehnung der herrschenden Machtverhältnisse ein, und zwar radikal, ohne Wenn und Aber. Und wer demagogisch ver-führt, verspricht zweierlei: Er will sich im Wortsinn ganz auf die Seite des Volkes stellen und zugleich die Anhänger in neue bessere Verhältnisse ‚führen‘. Er sieht das Leben aus der Perspektive des Kriegers, Eroberers und Verteidigers der vermeintlich Entrechteten. Dies ermächtigt ihn zu kompromisslosem Vorgehen. Da der Populist an seine Unmittelbarkeit zum Volk glaubt, kann er sich von den Verhaltensmustern der konventionellen Politikerkaste lösen. Er muss nicht politisch salonfähig sein, denn er verschmäht Koalitionen, will nur die ganze Macht. Sein Selbstkonzept einer bloß dem ‚Volk‘ verbundenen Unabhängigkeit gibt ihm den Freiraum, ohne irgendwelche von ihm als falsch angesehene Rücksichten zu handeln, sich fanatisch nur seinen Ideen zu widmen und gegebenenfalls zugleich als charismatisches Wirkzentrum (im Sinne Max Webers) zu fungieren, was ihn seiner Meinung nach auch zum Verführen ermächtigt.

      3. Status

      Wenn bislang vom Akteur selbst in seinem Rollenverhalten und in seinen habituellen Dispositionen die Rede war, so soll es nun anhand der Kategorie Status um seine soziale Position im Geflecht der politischen Welt gehen. Unter Status kann die „Position einer Person“ verstanden werden, „die sie im Hinblick auf bestimmte sozial relevante Merkmale im Verhältnis zu anderen Personen einer Gesellschaft einnimmt“. Hier kann der Status insbesondere zum „Ausdruck der sozialen Wertschätzung bzw. des Ranges oder des Prestiges“ werden, „die eine Person aufgrund der von ihr innegehabten Positionen in einem sozialen System zugeordnet wird“ (Hillmann 2007, 756f., 857f.).

      Im 21. Jahrhundert treten Populisten genannte Akteure nach Jahrzehnten der Abkehr von autokratischen Systemen in allen westlichen Demokratien als selbsternannte Vertreter einer neuen, sich auf Altes berufenden politischen Kultur auf, die sich von vertrauten Sichtweisen und Werten abwendet: Was bedeutet das? Die öffentlichen Beobachter sehen eine Abkehr von korrekten, etablierten, gewohnten Diskursnormen des bürgerlichen Establishments, allerdings ohne dass zugleich sozialrevolutionäre Forderungen der alten Art erhoben würden. Zeigt sich da eine Art Kulturkampf? Die sich selbst für politisch und moralisch korrekt haltenden Milieus fühlen sich verunglimpft, mit unbequemen Wahrheiten konfrontiert, mit dirty truth und bislang tabuisierten Äußerungsweisen. Die ‚Eliten‘ sehen da Ordinäres in Wort und Tat, das primitive Denken und Sprechen sowie das Schlimmste, die Aufhebung von Wahrheit und Lüge, hochkommen. Selbst der Grundbestand humanistischer Werte aller Art scheint in Gefahr. All dies wird der Akteursgruppe der Populisten zugeordnet. Dass bei all dem auch die demokratisch-politischen Grundwerte in die Diskussion geraten, könnte zumindest auf eine Krise der westlichen Demokratien hindeuten. Tatsache ist, dass Vertreter von als populistisch gebrandmarkten Parteien erstaunlichen Zulauf erfahren haben. Sie leben bei der Imagebildung wesentlich vom Kontrast zu den etablierten, ‚normalen‘, angepassten Politikern im politischen Interaktionsfeld, indem sie sich gezielt als Außenseiter, Abweichler und Neutöner stilisieren, die als einzige die wahren Töne des ‚Volkes‘ treffen. Dieses ‚Volk‘ ist für den Populisten die Quelle der Einsicht, der Auslöser der Tat und der Inspirator aller Ziele. Der Populist erklärt sich zu seinem Vorkämpfer, Anwalt und Sprachrohr.

      Kritik an repräsentativen Einrichtungen zur politischen Bürgervertretung sind uralt. So führte man etwa in Rom im 5. Jh. v.u.Z. das Amt des Volkstribuns ein, weil man zu Recht im römischen Senat nur die Interessenvertreter der reichen, mächtigen Familien versammelt sah. Beim Volkstribunen hoffte man auf eine direkte Verbindung zum Volk (populus), dem man so etwas wie einen allgemeinen Volkswillen zusprach. Der Tribun sollte vor allem die breite Masse der unteren Volksschichten (die plebs) direkt vertreten. Heute kritisieren viele an der repräsentativen Demokratie ähnlich, dass in den Parlamenten vor allem die Interessenvertreter der bürgerlichen Eliten sitzen: Parlamente als Organe von Oberschicht-Interessen, in denen man die wahren Anliegen des Volkes nicht mehr verstehen will oder kann. Das macht das Modell Volkstribun wieder attraktiv. Populisten sind dessen Anhänger, auch wenn sie sich nicht explizit auf dieses historische Format beziehen. Sie schwingen sich nach dem uralten Modell auf, zu behaupten, dass sie auf ganz besondere Weise die schweigende Mehrheit, wenn nicht des gesamten, so doch des eigentlichen Volkes nach Art eines Seismographen verstehen, dass sie letztlich überparteilich sind und die indirekten und komplizierten Wege der demokratischen Willensbildung und Machtkontrolle nicht mehr in der üblichen Weise brauchen. Vor allem die Gewaltenteilung wird dabei angefeindet, einschließlich der Presse als ‚vierter Gewalt‘; vor allem aber auch die Justiz als Wahrer der Rechtstaatlichkeit.

      Der Populist ist Volksversteher, trifft sich mit dem Volk (gr. Demos) auf der Ebene des ‚gesunden Menschenverstands‘, hat in dieser Hinsicht eine besondere Einsichtsstärke und prätendiert Schlagkraft und Originalität seiner Lösungen. Besonders geschickt ist es, wenn der Populist seine Einsichten auch noch auf eine exklusive Begabung zur Interpretation von Zahlen, Daten und Statistiken oder Traditionen stützt. Diese Selbstermächtigung zur privilegierten Interpretation der Welt und des Volkswillens ist der Kern des Populisten-Selbstimages. Es setzt darauf, dass viele Menschen von ihm fasziniert sein könnten vor dem Hintergrund eines als unverbindliches Rauschen empfundenen Pluralismus und eines als mühsam oder farblos gesehenen Demokratiealltags. Konstitutiv ist bei all dem das Spiel mit dem Volksbegriff als diffuser Vorstellung von Masse, die bisweilen auf die ebenso diffusen Größen ‚Einfaches Volk‘ oder ‚Kleiner Mann‘ als maßgebliche Quellen jeglicher Begründung und als die wahren Partner des Populisten heruntergebrochen wird. Die Emphatisierung dieser ‚heiligen Allianz‘ mit dem sogenannten Volk dient dazu, demokratische Legalitätsverhältnisse zugunsten nebulöser Vorstellungen von einer höheren, in Wahrheit legitimierten Einheit von Volksversteher und Volk zu überschreiten [ ]. (Knape 2012, 62)

      Nachbemerkung: Die Modellierung des idealtypischen Paradigmas Populist dient der Unterscheidung von Kommunikatoren. In der griechischen Antike war ein Paradeigma ein Architekturmodell für ein öffentliches Bauwerk, anhand dessen sich die Bürger über die Strukturidee und den Stand der konkreten Bauarbeiten vergewissern konnten. Als solch eine Einrichtung zum Maßnehmen bei Kommunikatoren kann auch das hier vorgelegte idealtypische Modell ‚des‘ Populisten fungieren. Ich wäre froh, wenn wir bei uns keinen lebenden Politiker fänden, der diesem Paradigma in all seinen Komponenten entspricht.

      Joachim Knape

      Populismus zwischen Ideologie und


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