Übersetzungstheorien. Radegundis Stolze
Читать онлайн книгу.Gute Nachricht Bibel, 1997
Glauben* heißt Vertrauen, und im Vertrauen bezeugt sich die Wirklichkeit dessen worauf wir hoffen. Das, was wir jetzt noch nicht sehen: im Vertrauen beweist es sich selbst.b 2In diesem Vertrauen haben unsere Vorfahren gelebt und dafür bei Gott Anerkennung gefunden. 3Durch solches Vertrauen gelangen wir zu der Einsicht, daß die ganze Welt durch das Wort Gottes geschaffen wurde und alle sichtbaren Dinge aus Unsichtbarem entstanden sind.
b) Wörtlich: Der Glaube ist ein Festsein des Erhofften und ein Beweis der unsichtbaren Dinge. Die verbreitete Deutung Der Glaube ist eine feste Zuversicht (auf das Erhoffte) und ein Überzeugtsein (von den unsichtbaren Dingen) scheint zwar vom Zusammenhang her passender, ist jedoch von den griechischen Wortbedeutungen her nicht zu rechtfertigen. Der Verfasser will offenbar den festen Grund benennen, der den Glauben trägt und der sich im unerschütterlichen Vertrauen der Glaubenden als dieser tragende Grund bezeugt. [Neuübersetzung in heutigem Deutsch.]
Aus NIDAS ÜbersetzungsmethodeÜbersetzungsmethode ergeben sich Prioritäten, die zusammenfassend genannt werden:
1. Um jeden Preis muß der InhaltInhalt der Botschaft mit kleinstmöglichen Verlusten oder Verzerrungen übertragen werden. Der direkte begriffliche Inhalt der Botschaft hat den höchsten Vorrang.
2. Zweitens ist es sehr wichtig, die Nebenbedeutungen, die gefühlsmäßige Atmosphäre und Eindringlichkeit der Botschaft so gut wie möglich wiederzugeben. Diese Forderung ist schwerer zu erklären als die erste und noch schwerer zu erfüllen; aber sie ist sehr wichtig.
3. Wenn man bei der Übertragung von InhaltInhalt und Gefühlswerten der Botschaft aus einer SpracheSprache in die andere auch etwas von der FormForm bewahren kann, dann sollte man es tun. Aber unter gar keinen Umständen darf die Form Vorrang vor den anderen Aspekten der Botschaft erhalten (NIDANida/TABER 1969:125).
3.) Schließlich sind in der SynthesephaseSynthesephase vor allem die stilistischen Unterschiede und die Sprachebenen zu beachten. Die Strukturgrundlage für die Vielfalt des Stils bilden Umformungen, die alle auf einen Elementarsatz zurückgehen, wie z.B. „Judas verriet Jesus“:
1. Judas verriet Jesus.
2. Jesus wurde von Judas verraten.
3. Judas’ Verrat an Jesus.
4. Jesu Verratenwerden durch Judas.
5. Der Verrat Jesu durch Judas.
6. Der Verrat des Judas an Jesus.
7. Das Verratenwerden Jesu durch Judas.
8. Es war Judas, der Jesus verriet.
9. Es war Jesus, der von Judas verraten wurde usw.
(NIDANida/TABER 1969:47).
Bei der Frage nach dem StilStil ist in diesem „funktionalen Ansatz“ (NIDANida) v.a. rhetorisch auf die Frage nach der Leistung von Stilelementen zu achten, z.B. Steigerung der Wirksamkeit und Erzielen besonderer Wirkungen wie Interesse wecken, Eindringlichkeit verstärken, oder die FormForm der Botschaft ausschmücken (vgl. NIDA/TABER 1969:152ff). Folgerichtig wird für Bibelübersetzer eine stilistische Ausbildung gefordert. Dies ist besonders sinnvoll bei entfernten Sprachen, die eine andere Grammatik haben.
Mit NIDAS Ansatz wurde der Grund für die moderne ÜbersetzungswissenschaftÜbersetzungswissenschaft gelegt, denn mit den syntaktischen Analyseschritten wurden hier erstmals sprachwissenschaftliche Aspekte ins ÜbersetzenÜbersetzen von Texten eingebracht. Dabei wird angedeutet, dass mit der vollständigen Analyse des Ausgangstextes auch die Gesamtintention der Botschaft erfasst würde. Freilich bleibt die sinngliedernde und stilistische Formulierungsentscheidung weitgehend der IntuitionIntuition und Sachkenntnis des Übersetzers überlassen und wird nicht wirklich wissenschaftlich deduziert. Auch gibt es noch keine satzübergreifenden Überlegungen.
Ein solches Sprachverständnis lenkt den Blick verstärkt auf die Notwendigkeit des Wissens um den kulturellen KontextKontext, den SpracheSprache konstituiert und in dem sie ihre BedeutungBedeutung erhält. Kulturverständnis mit Bezug auf die eigene wie auch auf die AusgangsspracheAusgangsspraches. AS ist unerlässlich. Eine weitere Konsequenz dieser Sprachkonzeption ist, dass keine Übersetzung endgültig sein kann: Jede Übertragung ist von ihrer Zeit geprägt, von der jeweiligen Sprache, sowie von der übersetzenden PersonÜbersetzer und der von ihr gewählten, als dominant ausgelegten PerspektivePerspektive.
Das Problem der ÄquivalenzÄquivalenzs. Entsprechung beschränkt sich allerdings auf die Wahrung von Inhalts- und Wirkungsgleichheit in Bezug auf syntaktische Bedeutungen2NidaBühler. Kritisch ist oft eingewendet worden, daß das Konzept der „dynamischen ÄquivalenzÄquivalenzs. Entsprechung“ ggf. auch zu weit von der TextvorlageTextvorlages. Ausgangstext, AS, Original wegführe und die Grenze zur „BearbeitungBearbeitung“ überschreite.
6.3 Philologische Genauigkeit (Schreiber)
Die Aporie zwischen „Treue oder Freiheit“ in der Wiedergabe von Textstrukturen ist ein Grundproblem des Übersetzens, wenn man am Invarianzbegriff (s. Kap. 4.2) festhält. SCHLEIERMACHERSchleiermacher hatte hier zweierlei Möglichkeiten gesehen (s. Kap. 2.2), wonach nur die „philologisch genaue“ Übersetzung angemessen sei, weil nur so das Original wirklich durchscheinend werde. Philologische GenauigkeitPräzision in der ÜbersetzungTranslation wurde gefordert, denn die WörtlichkeitWörtlichkeit galt als Garant der Treue.Treue Dies wiederum geht auf die aus der Antike tradierte logische Wahrheitsvorstellung zurück, dass nämlich die WahrheitWahrheit in den ZeichenZeichen eingebunden zu finden sei, und dass damit eine nichtwörtliche Übersetzung sofort auch inhaltlich abweichend sei (s. Kap. 1.3).
SCHLEIERMACHERS zwei „Methoden“ wurden vielfach als reale Alternative missverstanden und wirkten fort; dies wird auch in der Linguistik noch so vertreten.1TranslationReiß Doch die übersetzungswissenschaftliche TerminologieTerminologie ist keineswegs einheitlich, sodass es vielerlei Versuche gab, hier Klärung zu schaffen.2ThomeBegriffWörtlichkeitTranslationMethode Rudolf KASSÜHLKE3 unterscheidet unter Verweis auf SCHLEIERMACHERS zwei Methoden im Problemfeld der Bibelübersetzung fünf „Übersetzungstypen“:
1. Die Wort-für-Wort-ÜbersetzungTranslation. „Solche Übersetzungen werden nie für sich allein gedruckt, sondern immer als sogenannte Interlinearversion“ (ebd.:28); die wörtlicheWörtlichkeit Übersetzung, wo nur aus grammatischen Gründen Abweichungen von der StrukturStruktur der Ausgangssprache zugelassen sind und in einer „begriffskonkordanten Wiedergabe“ die Wörter „nach Möglichkeit immer mit demselben BegriffBegriff übersetzt“ werden (ebd.:29); 3. die philologische Übersetzung, die „der wissenschaftlichen Arbeitsweise der Philologen entspricht. Auch sie versucht, die ausgangssprachlichen Strukturen so weit wie möglich zu imitieren, dabei aber einen eleganteren StilStil zu verwenden, der sich an gehobenen Leseransprüchen ausrichtet. In der Benutzung unterschiedlicher Wörter zur Wiedergabe ein und desselben ausgangssprachlichen Begriffs verfährt sie freier als die wörtliche Übersetzung“ (ebd.:30); 4. die kommunikative Übersetzung mit dem ZielZweck, „den Text zum LeserLeser hinzubewegen“. Solche Übersetzungen „verzichten darauf, die sprachliche Form des Ausgangstextes zu imitieren“, weil ihnen „alles an der KommunikationKommunikation zwischen dem AutorAutor und den Empfängern liegt. (…) Dieser Übersetzungstyp läßt nicht zu, eine mehrdeutige oder schwammige FormulierungFormulieren zu verwenden, was bei einer wörtlicheren Übersetzung möglich ist. Dann läge das Risiko des Verstehens oder Mißverstehens beim Leser oder Ausleger und Prediger“ (ebd.:31f); 5. die bearbeitende Übersetzung, bei der die Empfängergruppe das höchste Gewicht erhält, wie z.B. bei Bibelausgaben für Kinder oder sprachlich Behinderte. „Bearbeitung geschieht auch da, wo ein ausgewählter Text für eine bestimmte Situation aktualisiert wird“ (ebd.:33) und über das jeweilige Ereignis hinaus nicht mehr aktuell und allgemein verwendbar ist.
Nach wie vor kreist also die Diskussion um formale Nähe oder Ferne im interlingualen Transfer. Um endlich die Unterscheidung zwischen „Übersetzung“ und „Bearbeitung“