Peer Gynt. Henrik Ibsen
Читать онлайн книгу.Ohr,
Reiß' mein Messer schon hervor,
Ihm's gerecht ins Blatt zu rennen;
Hui! da hebt er an zu toben,
Springt, pardauz, auf alle Viere,
Wirft zurück sein Horngeäst,
Daß ich Dolch und Scheid' verliere,
Schraubt mich um die Lenden fest,
Stemmt 's Gestäng' mir an die Waden,
Klemmt mich ein wie mit 'ner Zang',
Und so stürmt er, wutgeladen,
Just den Gendingrat entlang!
Aase (unwillkürlich.)
Jesus –!
Peer Gynt.
Mutter, hast Du den
Gendingrat einmal gesehn?
Wohl 'ne Meile läuft er drang
Hin, in Sensenrückenbreite.
Unter Firneis, Schuttmoränen,
Schnee, Geröll, Sand, kunterbunter,
Sieht Dein Aug' auf jeder Seite
Stumme, schwarze Wasser gähnen,
An die fünf-, die siebenzehn-
hundert Ellen rank hinunter.
Dort lang stoben pfeilgeschwind
Er und ich durch Wetter und Wind!
Nie ritt ich solch Rößlein, traun!
Unsrer wilden Fahrt entgegen
Schnob's wie Sonnenfunkenregen.
Adlerrücken schwammen braun
In dem schwindeltiefen Graun
Zwischen Grat und Wasserrande,
Trieben dann davon wie Daun.
Treibeis brach und barst am Strande;
Doch sein Lärm ging ganz verloren;
Nur der Brandung Geister sprangen
Wie im Tanze, – sangen, schwangen
Sich im Reihn vor Aug' und Ohren!
Aase (schwindlig.)
O, Gott steh' mir bei!
Peer Gynt. Da stößt
Plötzlich, wie ein Stein sich löst,
Dicht vor uns ein Schneehuhn auf,
Flattert gackernd, aufgeschreckt,
Aus dem Spalt, der es versteckt,
Meinem Bock, bums! vor die Lichter.
Der verändert jach den Lauf –
Und mit einem Riesensatze
Nieder in den Höllentrichter!
(Aase wankt und greift nach einem Baumstamm. Peer Gynt fährt fort.)
Ob uns schwarzer Bergwand Fratze,
Nid uns bodenloser Dust!
Durch zersplissne Nebelschichten
Erst, sodann durch einen dichten
Schwarm von Möwen, die, durchschnitten,
Kreischend auseinanderstritten,
Nieder, nieder, nieder sauste es.
Aber aus der Tiefe grauste es
Weiß wie eine Rentierbrust.
Mutter, das war unser eigen
Bild, das aus des Bergsees Schweigen
Tief vom Grund zum Spiegel eilte,
Umgekehrt, wie unser Sturz
Lotrecht auf ihn nieder pfeilte.
Aase (schnappt nach Luft.)
Peer! Gott helf' mir –! Mach' es kurz –!
Peer Gynt.
Bock vom Berge, Bock vom Grunde
Stieß zur selbigen Sekunde!
Das Gespritz' und das Geklatsche!
Na, da lag man in der Patsche.
Nicht gar lang' dann, und wir fanden
Irgendwo 'nen Fleck, zu landen;
Er, er schwamm, und ich umschlang ihn,
Und hier bin ich nun –
Aase. Und er?
Peer Gynt.
Hm, der springt wohl noch umher;
(Schnalzt mit den Fingern, wippt sich auf den Hacken und fügt hinzu)
Wenn Du 'n laufen siehst, so fang ihn!
Aase.
Daß Du nicht den Hals geknickt hast!
Und die Beine gleich dazu!
Ist Dein Rückgrat denn noch ganz?
Herrgott, – Lob und Dank, daß Du
Mir ihn wieder heim geschickt hast!
Zwar die Hose hat ein Loch;
Doch davon ist nicht zu reden,
Denkt man, was weit Schlimmres noch
Sich bei so 'nem tollen Tanz –
(Besinnt sich plötzlich, sieht ihn mit offenem Mund und großen Augen an und kann lange keine Worte finden. Endlich stößt sie hervor)
O, Du Teufelslügenschmied!
Kreuz noch 'n Mal! Solch ein Geflunker!
Was Du mir da singst – das Lied –
Als das aufkam – zu der Frist
Lief Dein Vater noch als Junker!
Gudbrand Glesne – dem –dem ist
Das geschehn, nicht Dir –!
Peer Gynt. Mir auch.
Solcherlei kann oft geschehen.
Aase (giftig.)
Ja, und Lügen kann man drehen,
Wenden und mit Putz benähen,
Bis von ihrem magren Bauch
Nichts vor Flicken mehr zu sehen.
Das hastDu zu Weg gebracht,
Alles wild und groß gemacht,
Ausstaffiert mit Adlerrücken
Und mit all den andern Nücken,
Abgestutzt und zugesetzt
Und mir so den Sinn verstört,
Daß man nicht mehr kennt zuletzt,
Was man hundertmal gehört.
Peer Gynt.
Spräch' ein andrer solchen Quark,
Wollt' ich heillos grob ihm kommen!
Aase (weinend.)
Läg' ich doch im schwarzen Sarg!
Wär' ich, Gott, doch nie geboren!
Bitten, Tränen, nichts will frommen,
Peer, Du bist und bleibst