Tahiti. Gerstäcker Friedrich

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Tahiti - Gerstäcker Friedrich


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wärst Du wohl recht, recht unglücklich geworden und elend. Jetzt ist der Eindruck, den er auf Dein Herz gemacht, noch flüchtig, noch leicht wieder zu verwischen - Du wirst einen oder zwei Tage weinen, ihn nachher vergessen, und nicht wahr, mein Kind, ich habe darin recht und gut gehandelt - ich wollte ja nur Dein Wohl."

      „Ich will Alles thun, was Du mir sagst, mein Vater," flüsterte das Mädchen, dicht an seine Brust geschmiegt, so leise, daß er kaum ihre Worte verstehen konnte.

      „Das ist mein gutes Kind," sagte der Greis, aber die Stimme zitterte ihm; er fühlte nur zu gut, was in dem Herzen des armen Mädchens vorging, und wie die Liebe für den Fremden schon viel zu tief Wurzel geschlagen habe, um je wieder, ohne das Gefäß selber zu zerbrechen, herausgerissen zu werden. Er mußte sich aber selber einen Augenblick sammeln, ehe er fortfahren konnte, und mit lebhafter Stimme, wie ermuthigend setzte er hinzu:

      „Und nicht wahr, mein Kind - dann wirst Du auch wieder glücklich und froh sein, wie bisher? - wirst wieder lachen und singen und nicht das Köpfchen so trübe hängen lassen?"

      „Ich will mir rechte Mühe geben, lieber Vater," flüsterte das Mädchen und barg ihr Haupt fester an dem Herzen des alten Mannes.

      „Und willst Du auch den Fremden vergessen, meine Tochter? - willst Du mir das recht fest und aufrichtig versprechen, mein braves Mädchen?" frug sie jetzt leise der Greis.

      Das aber war zu viel für das arme gequälte Herz - einen Augenblick schien es, als ob sie sich von seiner Brust emporheben wolle, ihm in die Augen zu schauen - aber sie sank wieder zurück und klagte nur leise:

      „Ach, das weiß ich nicht - das weiß ich wahrhaftig nicht, lieber, lieber Vater" - damit war aber auch ihre Kraft gebrochen, und laut und heftig schluchzend, als ob ihr das Herz vergehen wolle in unendlichem Weh, hing sie in seinen Armen.

      Und sie schluchzte nicht allein; denn aus der Ecke des /89/ Zimmers vor tönte es noch weit lauter und heftiger, und der kleine Mitonare saß da auf einem der niederen Bambusschemel, ganz allein und vergessen, und weinte, in Thränen zerfließend, wie ein kleines Kind.

      Da vermochte sich aber der alte Missionär auch nicht länger zu halten, und der Tochter thränenüberströmtes Antlitz zu sich erhebend und küssend und wieder küssend, rief er:

      „Nein, nein, Prudentia, ich bin ja kein Tyrann, daß ich mein Kind so elend und unglücklich machen möchte, nur weil die Möglichkeit existirt, daß es später noch einmal so kommen könne. - Nein, wenn Gott Dir eine so gewaltige und innige Liebe für ihn in's Herz gelegt hat, dann nimm ihn, nimm ihn - der Herr segne Euch, und er wird Alles zum Besten lenken. Aber sei auch wieder mein gutes, fröhliches Mädchen, lache wieder, singe wieder und mache das Herz Deines alten Vaters froh durch Dein heiteres, glückliches Angesicht."

      „Vater - lieber Vater!" rief das Mädchen in jubelnder, kaum gefaßter Lust. - Mitonare hatte aber kaum gehört, was die Sache, die ihm selber das Herz abzustoßen drohte, für eine Wendung nahm, als er, wie aus einer Pistole geschossen, zur Thür hinausfuhr und nach kaum zwei Minuten mit dem „verzweifelten Wi-wi" - wie er ihn nannte, in's Zimmer geschleppt kam.

      René lag mit an dem Herzen des alten Mannes - er wußte selber kaum wie, und der Greis flüsterte einen leisen Segen über die Häupter der Glücklichen.

      6.

      Was der ehrwürdige Mr. Rowe dazu sagt.

      Der Abend verging den beiden Liebenden wie ein Augenblick – sie hatten sich so tausenderlei zu sagen, so tausender/90/lei zu besprechen, daß sie den Flug der Stunden gar nicht bemerkten, und der alte gute Mann saß lächelnd dabei, und wohl auch ihm stiegen in der Erinnerung alte liebe, vergangene Bilder auf und führten seine träumenden Gedanken zurück zur Jugendzeit. - Aber auch die Gegenwart erheischte seine Umsicht, denn manchmal gedachte er ebenfalls seines in ziemlicher Aufregung fortgegangenen Kollegen und der Schritte, die dieser jetzt zu thun suchte, das Glück, was er selber heut Abend hier geschaffen, wieder zu zerstören. Er hielt es auch für seine Pflicht, dieses dem jungen Mann mitzutheilen und ihn wenigstens darauf vorzubereiten, daß seine Bahn von jetzt an noch immer keine ganz ebene sein könne. Hätte er dem von seinem Glück förmlich Trunkenen aber auch eine wirkliche Gefahr genannt, er würde ihr mit leichtem Herzen begegnet sein, vielweniger denn, wo es nur den bösen Willen oder Zorn eines fremden Geistlichen betraf. Des Königs selber glaubte er dabei ziemlich gewiß zu sein, noch dazu, da diese geistlichen Herren selten oder nie Geschenke verschwenden und nur den Willen Gottes als Gebot aufstellen.

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