Zur Geschichte der Wirtschaftstheorie. Joachim Stiller

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Zur Geschichte der Wirtschaftstheorie - Joachim Stiller


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des analytischen Apparates ausmachen. Dahin gehören das Prinzip des Selbstinteresses, das zum wirtschaftlichen Prinzip umgedeutet wurde, die These von der Tendenz zum Gleichgewicht, der Arbeitswertgedanke, der Gesichtspunkt der Produktionskosten, das Problem der Einkommensverteilung und die wirtschaftspolitische Forderung nach wirtschaftlicher Freiheit.

      Die meisten der angeführten Prinzipien sind lediglich von Adam Smith übernommen worden, daher sein eklektischer Charakter. Smith war bemüht, die Richtigkeit der gewonnenen Einsichten durch umfassendes empirisch-historisches Material zu belegen. Die Anwendung des induktiven Verfahrens ist für alle Klassiker typisch.

       Die Wert- und Preislehre

      Adam Smith räumt der Preislehre überhaupt eine dominante Stellung ein. Die Preise erscheinen als die bestimmende Größe für die Produktion und die Verteilung des gesamten Einkommens.

      Der Ausgangspunkt aller theoretischen Überlegungen ist die Frage nach dem Wesen des Reichtums. Im Gegensatz zu den Physiokraten erblickt Smith die Quelle des Reichtums nicht in der landwirtschaftlichen Urerzeugung, sondern in der jährlichen Arbeit eines Volkes schlechthin. Ich möchte hier anmerken, dass sich die Wirtschaft innerhalb einer Lohnperiode bereits reproduziert, also innerhalb eines Monats. Eine jährliche Rechnung des Bruttoinlands-produktes kann da irreführend sein.

      Die Ergiebigkeit der Arbeit hängt jedoch von der Arbeitsteilung ab, deren Wesen Smith an dem berühmten Beispiel der Stecknadelfabrikation und Nagelschmiederei veranschaulicht. (Heute unterscheidet die moderne Volkswirtschaftslehre zwischen innerbetrieblicher, überbetrieblicher und internationaler Arbeitsteilung.) Die Arbeitsteilung hängt wiederum von der Größe des Marktes ab. Beide, Markt und Arbeitsteilung, können jedoch ihre Zwecke nur erfüllen, wenn die uneingeschränkte Freiheit aller wirtschaftlich handelnden Menschen verwirklicht ist. Dann erst können sich alle Menschen vom Selbstinteresse (Eigeninteresse), vom natürlichen Streben, ihre wirtschaftliche Lage zu verbessern, leiten lassen. Das Handeln aus Egoismus kommt also letztlich dem Wohl aller zugute. Die „unsichtbare Hand“ trägt nach Smith dafür Sorge, dass das Selbstinteresse auch stets als stärkster Hebel des Gesamtinteresses wirkt.

      Die Erzeugung der Güter, so Smith, richtet sich nach dem Preis. Dieser Preis muss die Herstellungskosten decken. Die Höhe des Preises für ein Gut wird 1. Durch das Verhältnis von Angebot und Nachfrage und 2. Durch die Herstellungskosten bestimmt. Der Marktpreis kann sich nach dem Gesetz von Angebot und Nachfrage vom „natürlichen Preis“ unterscheiden, der dem wahren Wert des Gutes entspricht.

      Der Wert der Ware entspricht daher seinen Produktionskosten. Diese setzen sich nach Smith aus dem Lohn, dem Zins für das investierte Kapital und der Rente, die für die Benutzung des bei der Produktion erforderlichen Bodens gezahlt wird, zusammen. Diesen leider etwas ungenau bestimmten Wert einer Ware bezeichnet Smith auch als Tauschwert. Neben dem Tauschwert kennt Smith aber auch noch den Gebrauchswert der Ware, der deren Nützlichkeit zur Grundlage hat. Den Gebrauchswert lassen die Klassiker ganz allgemein genau so unberücksichtigt wie den Gedanken des Wirtschaftskreislaufes.

       Die Verteilungslehre

      Smith hat sich eingehend mit dem Verteilungsproblem auseinandergesetzt, doch ist hier vieles im Unklaren geblieben. Dies gilt vor allem für seine Lohntheorie. So wird die Höhe des Lohnes ebenfalls durch Angebot und Nachfrage bestimmt, andererseits kann der Lohn nicht unter das Existenzminimum sinken. Am Ende fasst aber auch Smith den Lohn als Residualeinkommen (Resteinkommen im Sinne des Existenzminimums) auf.

      Der Kapitalprofit hingegen weist bei Smith eine Tendenz zum Sinken auf.

      Die große Anziehungskraft von Smith’s Lehre liegt zweifelsohne in der Mannigfaltigkeit ihrer Gesichtspunkte, in ihrem realistischen Blick für die Möglichkeiten des tatsächlichen ökonomischen Geschehens und in der Anschaulichkeit ihrer Darstellungsweise.

      Die Fortbildung des klassischen Systems durch Ricardo

      Die von Adam Smith begründete Lehre des klassischen Systems erhielt durch David Ricardo (1772 – 1823) eine ausgesprochen theoretische Ausrichtung. Ricardo lässt die Frage nach den Ursachen und dem Wesen des Reichtums beiseite und widmet sich ganz dem Problem der Einkommensverteilung. Dabei stellte er insofern einen neuen Gesichtspunkt in den Vordergrund, als er versuchte, die Ursachen und Momente zu erfassen, die generell für die relative Höhe der einzelnen Einkommenszweige bestimmend waren.

       Die Wert- und Preislehre

      Die Lehre der Verteilung entwickelt Ricardo auf der Grundlage seiner Werttheorie, in der er ebenso wie Smith eine Unterscheidung von Gebrauchswert (value in use) und Tauschwert (value in exchange) trifft, und ebenso wie Smith lässt er dabei den Gebrauchswert in seiner Lehre unberücksichtigt. Der Gebrauchswert sei mit dem Nutzen identisch und die Ursache des Wertes, aber nicht dessen Maß. Den Tauschwert definiert Ricardo als die Fähigkeit, andere Güter zu kaufen. Er unterscheidet auch zwischen Seltenheitsgütern und beliebigen, reproduzierbaren Gütern, doch spielen die Seltenheitsgüter nur eine untergeordnete Rolle. Bei den beliebig reproduzierbaren Gütern entspricht jedoch „der Wert des Gutes oder die Menge irgendeines anderen, für welches es sich austauschen lässt ... der verhältnismäßigen Menge, der zu seiner Produktion erforderlichen Arbeit.

       Die Rente

      Die Lehre von der Verteilung des Sozialproduktes ist bei Ricardo viel einheitlicher durchgeführt als bei Smith. Den Ausgangspunkt dieser Lehre bildet die Rentenlehre. Ricardo lehnt die Auffassung, dass eine Rente gezahlt werden müssen weil die Natur bei der Gütererzeugung in der Landwirtschaft mitwirke, oder weil der Boden fruchtbar ist, auf das Entschiedenste ab. Die Zahlung der Rente erfolgt erst dann, wenn infolge der Bevölkerungsvermehrung geringwertigerer Boden zur Bebauung herangezogen werden muss. Die Rente entsteht also nicht aus der Fruchtbarkeit, sondern aus der Seltenheit des Gutes Boden. Die Rente nennt Ricardo auch eine Differenzialrente. Dazu entwickelt er eine umfassende Theorie, die hier aber nicht ausgeführt werden bracht.

       Lohntheorie

      Aus Ricardos Grundrententheorie ergeben sich bestimmte Konsequenzen für die Höhe der übrigen Einkommensarten, des Lohnes und des Kapitalprofits. Für den Lohn ist das Verhältnis von Angebot und Nachfrage entscheidend. Sein natürlicher Preis „ist jener Preis, der nötig ist, die Arbeiter instand zu setzen, sich zu erhalten und ihr Geschlecht fortzupflanzen... .“ Der Reallohn muss nach Ricardo auf die Dauer unverändert bleiben. Einen Arbeitsmarkt im Sinne von Smith und Ricardo gibt es natürlich heute nicht mehr, da die Gewerkschaften diesen mit ihren Streiks und Tarifverträgen ausgehebelt haben.

       Die Lehre vom Kapitalprofit

      Der Profit ist nach Ricardo ein reines Residualeinkommen. Der Kapitalist erhält das, was von der Produktion nach Abzug der Grundrente und des Arbeitslohns übrigbleibt. Dabei weist der Kapitalprofit nach Ricardo, genau so wie bei Smith, eine sinkende Tendenz auf. Dieser These werden wir später bei Karl Marx wieder begegnen. Wir wissen aber heute, dass sich sowohl Ricardo, als auch Smith, in diesem Punkt getäuscht haben.

      Ricardos theoretische Untersuchungen erstrecken sich jedoch nicht nur Auf die Problemkreise der Wert- und Verteilungslehre, sondern setzen sich auch mit Fragen der Außenhandelslehre, der Geldtheorie und mit dem Krisenproblem auseinander. Große und bleibende Bedeutung haben die Theorie der komparativen Kosten und seine geldtheoretischen Untersuchungen erlangt.

      Malthus‘ Kritik an Ricardo

      Unter den Schriftstellern, die sich mit Ricardo


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