Die Missionäre. Gerstäcker Friedrich

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Die Missionäre - Gerstäcker Friedrich


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hinter mir liegt, - aber," setzte er leise hinzu, „es mag Ihnen auch beweisen, daß ich nicht nur für die Mission werbe, sondern auch eine Warnung für die habe, die vielleicht zu fest auf sich vertrauen und dann der guten Sache nichts nützen, sondern selber zu Grunde gehen würden, - und in Ihren Augen gerade liegt etwas, das mich Aehnliches fürchten läßt."

      „Ich verstehe Sie wirklich nicht."

      „Lassen Sie mich Ihnen eine kurze Skizze aus meinem Leben geben," wich der Missionär aus, „ich werde Ihre Zeit nur für wenige Minuten in Anspruch nehmen, und dann betrifft es gerade jenen Tag, an welchem ich diese Wunde erhielt, nach der mich Ihr Herr Vater schon fragte. Es ist gerade, als ob mir der Allmächtige selber ein Erinnerungszeichen gegeben habe, damit ich nie - nie jene Zeit und Alles, was damit zusammenhing, vergessen möge. -

      „Es sind jetzt dreiunddreißig Jahre," fuhr er nach kurzer Pause fort, „daß ich meine erste Missionsreise antrat. Der Verkehr mit jener wilden Welt war damals noch sehr unbedeutend und das Leben, besonders auf den Inseln, um Vieles wilder, als es gegenwärtig ist. Ich hatte eine junge Frau, die mich begleitete; sie war aus guter Familie - reich und wunderbar schön, ich war selber damals noch jung - wenigstens in meinen besten Jahren. Ich wollte das Amt eines Missionärs nicht annehmen, weil ich eben für meine Frau fürchtete; sie selber drängte mich dazu. Wir gingen damals nach Neuseeland - es lebte dort - und lebt noch - ein wildes Volk, /38/

      das sich der Cultur nur schwer zugänglich zeigte, ja so wild und gehässig gegen uns auftrat, daß wir mehrmals in Lebensgefahr schwebten, von ihnen überfallen zu werden. Meine arme Frau zeigte sich dieser ewigen Furcht und Aufregung nicht gewachsen; sie sollte jetzt nach Europa zurückkehren, aber nun konnte ich den übernommenen Posten nicht verlassen, ohne mich einer Pflichtverletzung schuldig zu machen. Was früher freier Wille bei ihr gewesen, wurde nun zum Zwang und rieb ihre Kräfte auf. Sie siechte dahin und - starb -"

      „Armer Mann!" sagte Berchta tiefbewegt.

      „Ich glaubte damals, daß Gott das Schwerste über mich verhängt habe, was möglich sei," fuhr der Missionär nach kurzer Pause fort; „ich wußte noch nicht, was eine Menschenseelc im Stande wäre, zu tragen. Acht Tage später überfielen die Maoris meine Hütte - meine selige Frau hatte mir zwei liebe engelgleiche Kinder hinterlassen - zwei Mädchen - ich vertheidigte - weniger mein Leben, als das ihrige, mit der Kraft der Verzweiflung - ein Keulenschlag streckte mich zu Boden - meine ärmliche Heimath war in den Händen der blutdürstigen Wilden, und sie - machten Gebrauch davon. Eine Abtheilung englischer Marinesoldaten war in der Nähe und vertrieb sie endlich, aber sie konnten das Schlimmste nicht von mir abwehren, denn sie retteten nur mein Leben. Als ich wieder zum Bewußtsein erwachte - und zu welch' furchtbarem Bewußtsein - sah ich meine beiden Kinder todt - erschlagen an meiner Seite. Von da ab wurde unsere Mission verlegt, ich kam, aus Rücksicht vielleicht auf das, was ich in Neuseeland gelitten, nach einer der Stationen in der Südsee - nach den Tonga-Inseln - von dort aus besuchte ich die Marquesas-, die Gesellschafts-Inseln, die Gruppe der Freundlichen Eilande und viele andere. Ich hatte keine Ruhe mehr, ich führte ein rastloses Leben, aber das ganze Ziel desselben war nur dem Einen Streben geweiht, jenen unglücklichen Menschen das Licht der Religion zu bringen und sie von dem Verderben zu retten, dem sie so unwiderruflich entgegengingen."

      „Und trotzdem," rief Berchta, die der kurzen, aber ergreifenden Schilderung mit dem gespanntesten Interesse gelauscht und /39/ deren Wangen Leichenblässe deckte - „und trotzdem beharrten Sie in Ihrem Licbeswerk? Trotzdem, daß Ihnen jene entsetzlichen Menschen Alles genommen hatten, was uns ja hier aus Erden als höchstes Gut nur gelten kann?"

      „Hat nicht unser Heiland selbst am Kreuz für seine Richter gebeten und gerufen: Herr, vergieb ihnen, denn sie wissen nicht, was sie thun? Jene Wilden wußten in der That nicht, daß sie das irdische Glück eines Mannes zerstörten, der nur allein zu ihnen gekommen war, um das Heil ihrer Seelen zu retten und ihnen zu zeigen, wie man auch friedlich und im Glück zusammen auf der Erde leben könne. Doch ich ermüde Sie, mein gnädiges Fräulein," brach er plötzlich ab, „zu lange schon habe ich Sie von mir selber unterhalten, wenn auch freilich nur zu dem Zweck, um Ihnen zu zeigen, welchen Gefahren Einzelne von uns ausgesetzt waren, um ihren hohen Zweck, ihre Sendung zu erfüllen. Unsere Herzen müssen stark, unsere Glieder zäh sein, kein weichliches Leben darf sie entkräftet haben, und nur in dem Beruf selber müssen wir unsere Erholung, unsern Lohn suchen und finden, oder - er würde eine untragbare Last und Bürde werden."

      „Und schildern Sie Ihren Beruf da nicht zu ernst und mit zu schwarzen Farben?" fragte Berchta; „hat er nicht auch glückliche Augenblicke, glückliche Stunden und Tage, wenn Sie Ihre Arbeiten mit Erfolg gekrönt und dann glückliche, gute Menschen um sich sehen?"

      „Gott verhüte, daß ich das Gegentheil behaupten wollte," rief der Missionär rasch. „Besonders auf den Südsee-Inseln haben sich diese in froher und erhebender Weise gezeigt. Ja, wir würden deren sicher noch mehr aufzählen können, hätten Alle, die sich dem schönen Werk gewidmet haben, weniger Hast bewiesen, um ihr Ziel zu erreichen, mehr Nachsicht mit den unwissenden Bewohnern gehabt und weniger starr an der Form als an dem eigentlichen Wesen des Christenthums gehangen. Aber sie sind auch darin vielleicht zu entschuldigen," setzte er mild hinzu, „denn der Charakter des Mannes ist an sich starr und zäh. Nur zu häufig glaubt er fälschlicher Weise, daß er alles das, was er von sich selber fordert, auch von Anderen fordern könne - und Gott hat doch nicht allen /40/ Menschen gleiche Mittel gegeben. Es fehlt uns da häufig das versöhnende Element der Frauen, die mit weit mehr Geduld und Milde oft viel größere Ziele erreichen."

      „Und so sind wirklich nicht alle protestantischen Missionäre verheirathet?" fragte Berchta.

      „Kaum die Hälfte von ihnen."

      „Aber sie sollten gar nicht ohne Frau in ein so fernes Land ziehen."

      „Das würde im Anfang ihre Bewegungen zu sehr hemmen," erwiderte der Missionär, „und ihre Familie doch zu großen Gefahren aussetzen. Sie haben ja da mein eigenes Beispiel. Nein, erst wenn sie sich einen festen Wirkungskreis gebildet, oder genau wissen, daß sie ihren Aufenthalt wenigstens auf einer Insel nehmen können, wo ihr Leben nicht fortwährend bedroht ist, schreiben sie an die Missionsgesellschaft und bitten diese, ihnen eine Frau hinaus zu senden."

      „Und ist es wirklich möglich, daß etwas Derartiges geschieht?" rief Berchta. „Sie deuteten es schon neulich an, aber ich glaubte fast, ich müßte Sie falsch verstanden haben."

      „Allerdings, und noch dazu sehr häufig," versicherte Johnson. „Sie finden sogar derartige Bitten in unseren Missionsblättern, daß ein dort einsam wohnender Missionär sein Loos mit einer achtbaren Jungfrau zu theilen wünscht. Die Missionsgesellschaft übernimmt nachher etwaige Anerbieten, um zuerst Erkundigungen über den Charakter der Gemeldeten einzuziehen, und befördert diese dann nach dem gewünschten Punkt, was nicht immer leicht ist, da ja eine regelmäßige Verbindung zwischen den Inseln gar nicht existirt.

      „Wunderbar, wunderbar," sagte Berchta und sah den Missionsprediger staunend an, „und so von Haus und Heimath ziehen sie fort? Schwache Frauen nur, um einem fremden, wilden Volk zu seinem Seelenheil zu verhelfen?"

      „Wohl gehört Muth und Entschlossenheit dazu," nickte der Missionär, „doch Leute, die daheim schon in gedrückten Verhältnissen leben, finden sich auch leichter da hinein, ja manchmal sogar eine Verbesserung ihrer Lage in einem solchen Schritt. Ich weiß auch noch kein Beispiel, daß eine Jungfrau aus vornehmer und reicher Familie ein derartiges Opfer ge-/41/bracht hätte. Die Bande, welche sie an die alten, gewohnten Umgebungen knüpfen, sind zu stark, und das Bewußtsein, den Himmel zu gewinnen, wirkt bei ihnen nicht überzeugend genug, um dafür alle irdischen Freuden und Vortheile zu opfern. Und es ist vielleicht gut so," setzte er, das Haupt neigend, hinzu, „denn aller Wahrscheinlichkeit nach würden sie sich in die neuen Verhältnisse nicht einleben können und sich dann unglücklich fühlen. Der Herr aber verlangt nur freudige Herzen, die ihm mit Lust und Liebe dienen. Doch, mein gnädiges Fräulein," brach er ab, „ich mißbrauche, wie mir scheint, Ihre Geduld und möchte die kurze, mir noch vergönnte Zeit auch benutzen, Ihnen die nöthigen Adressen zurückzulassen, welche Sie haben müssen, um als Vorsteherin Ihres kleinen Vereins die eingegangenen und eingehenden Geschenke an den Ort ihrer Bestimmung


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