Die Flusspiraten des Mississippi. Gerstäcker Friedrich

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Die Flusspiraten des Mississippi - Gerstäcker Friedrich


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wegen auch in der Küche trug, zurück23, stemmte beide Arme – in der Rechten noch immer den langen, hölzernen Kochlöffel haltend – fest in die Seite, und empfing den langsam herbeischlendernden Gatten mit einem scharfen:

       „So – was hat der Herr denn heute wieder einmal für ganz absonderlich gescheite Streiche angerichtet? Man darf den Rücken nicht mehr wenden, so ist irgend ein Unglück in Anmarsch, und kein Kuchen kann im ganzen Neste gebacken werden, ohne daß Mr. Smart seinen Finger und seine Nase hineinstecken müßte.“

       „Mrs. Smart“, sagte Jonathan, der gerade jetzt viel zu guter Laune war, um sich diese durch den Unwillen seiner Gattin verderben zu lassen, „ich habe heut ein Menschenleben gerettet, und das, sollte ich denken –“

       „Ach was da, Menschenleben“, unterbrach ihn in allem Eifer Mrs. Smart. „Menschenleben hin, Menschenleben her – was geht Dich das Leben anderer Leute an. An Deine Frau solltest Du denken, aber die mag sich mühen und placken, das ist diesem Herrn der Schöpfung ganz einerlei. Er wirft auch die Gallonen guten Pfirsich-Brandy gerade so auf die Straße hinaus, als ob er sie da draußen gefunden hätte, während ich hier im Schweiße meines Angesichts arbeiten und unser aller Brot verdienen muß –“

       „ – wäre mit der gehabten Mühe keineswegs zu teuer erkauft gewesen“, fuhr Smart ruhig, ohne die Unterbrechung seines Weibes auch nur im Mindesten zu beachten, fort.

       „Ich sage Dir aber: es wäre zu beachten gewesen“, eiferte die hierdurch nur noch mehr erzürnte Frau. „Es wäre zu beachten gewesen, wenn Du nur so viel Gefühl für Dein eigen Fleisch und Blut hättest. Aber Philippchen kann heranwachsen und groß werden – das kümmert Dich nicht. – Nach Deiner Wirtschaft geht alles zu Gunde und muß alles zu Grunde gehen, und wenn der arme Junge einmal das Alter hat, so wird er wohl nicht einmal eine Stelle haben, wohin er sein Haupt legt – Du Rabenvater.“

       „Der Rabenvater hatte auch keine Stelle, wo er sein Haupt hinlegen konnte, als er heranwuchs“, lächelte Mr. Smart gutmütig und rieb sich dabei die Hände. „Mr. Smart senior gab ihm aber allerlei gute Lehren, und die haben denn auch so gute Früchte getragen, daß sich Smart junior nach mehrmaliger Ernte das schönste Gasthaus in ganz Helena bauen konnte. – Smart senior ist nun tot, und Smart junior ist Smart senior geworden; wenn also in natürlicher Folge Smart junior jetzt – “

       „Nun hör’ einmal auf mit all’ dem Unsinn von senior und junior – geh an Dein Geschäft, besorge die Pferde, die draußen im Stalle stehen – schick’ mir den Neger her und laß ihn Bohnen aus dem Felde bringen. Zum Kaufmann muß er auch hinübergehen, um das Faß Zucker zu holen – Mann, Du wirst mich mit Deinem Leichtsinn noch in die Grube bringen.“

       „ – dem Rate des Smart senior so folgt, wie Smart senior damals dem Rat seines Vaters folgte“, fuhr der unverwüstliche Yankee ruhig und unbekümmert fort, „so ist alle Hoffnung vorhanden, daß auch ohne unser Zutun Smart junior schon seinen Lebensunterhalt auf anständige Weise gewinnen werde.“

       „Scipio soll hierher kommen“, schrie jetzt Mrs. Smart, wirklich zur äußersten Wut getrieben, während sie mit dem Fuße stampfte und den Stiel des Löffels auf den einzigen kleinen Tisch niederstieß. „Hörst Du, Jonathan? – Scipio soll herkommen, und nun fort mit Dir, Mensch, der Du meinen Tod willst, oder ich gebrauche, so wahr mich unser lieber Herr Gott erhören soll, mein Küchenrecht.“24 – Und mit raschem Griff erfaßte sie den kupfernen langstieligen Schöpfer und fuhr damit in den Kessel voll siedenden Wassers, der über dem Feuer zischte und sprudelte.

       Nun wußte Mr. Smart allerdings, daß es zwischen ihnen, trotz dem von Seiten Madames oft hitzig geführten Zungenkampf, nie zu Tätlichkeiten kam, denn Madame kannte zu gut den ernsten und festen Sinn ihres Mannes, so etwas je zu wagen. Um aber auch jedem Wortwechsel ein Ende zu machen und die erzürnte Ehehälfte, die ihm sonst eine brave und treue Gattin war, freundlicher zu stimmen, zog er sich ruhig zur Tür zurück und frug nur hier, die Klinke in der Hand, „ob Mrs. Smart sonst noch etwas zu bestellen habe, da er ein paar Geschäftswege abmachen müsse.“

       Diesen Rückzug nahm Madame übrigens als ein stillschweigendes Zeichen der Anerkennung ihrer Autorität, und bedeutend milder gestimmt, goß sie das heiße Wasser wieder zurück in sein Gefäß, wischte sich mit der Schürze den Schweiß von der geröteten Stirn und sagte in noch halb ärgerlichem, aber doch nicht mehr heftigem Tone:

       „Nein, Mr. Smart – wenn Sie Ihre Geschäfte außer dem Hause haben, so brauchen Sie sich auch nicht um die meinigen zu kümmern. – So viel sage ich Ihnen aber, die Pferde –“

       „Sind sämtlich gefüttert und versorgt“, bemerkte Smart. –

       „Und das Faß Zucker –“

       „Steht in der Bar.“

       „Aber die Bohnen –“

       „Sind von Scipio schon vor einer halben Stunde gepflückt worden.“

       „Und die beiden Zimmer, die noch für die letztgekommenen Gäste geräumt werden sollten –“

       „Können jeden Augenblick bezogen werden“, lächelte Jonathan. „Mr. Smart und Scipio haben das alles besorgt – sonst noch etwas?“

       Madame – jetzt wirklich ärgerlich, daß weiter gar nichts zu bemerken war, arbeitete mit immer größerem Eifer und immer röter werdender Physiognomie in den Kohlen herum, auf die sie sich schon zweimal vergebens bemüht hatte, den schweren eisernen Kessel zu heben. Jonathan aber, dies bemerkend, sprang rasch hinzu – ergriff die Haken und schwang das mächtige Gefäß mit leichter Mühe auf seinen Ort, wandte sich dann lächelnd nach seiner kaum noch schmollenden Ehehälfte um, drückte ihr einen raschen, aber nichtsdestoweniger derbgemeinten Kuß in das rote, gutmütige Gesicht, und stieg im nächsten Augenblick – die Hände tief in den Beinkleidertaschen und aus Leibeskräften den Yankeedoodle pfeifend – mit raschen Schritten zur Tür hinaus in’s Freie.

DRITTES KAPITEL

      Das Union-Hotel und seine Gäste

       Leser, hast Du schon je ein amerikanisches Wirtszimmer gesehen? Nein? Das ist schade – es würde mir die Beschreibung ersparen. Wie die Bahnhöfe auf unseren Eisenbahnen, so haben die Wirtszimmer in der Union eine Familienähnlichkeit, die sich in keinem Staate, weder im Norden noch Süden, verleugnen läßt und in den kostbarsten Auster-Salons der östlichen Städte, wie in den gewöhnlichen Grogshop der Backwoods sichtbar und erkenntlich bleibt. Der Schenktisch, mag er nun mit Marmorplatten belegt oder von einem schmutzigen hölzernen Gitter beschützt sein, trägt seine kleinen Fläschchen mit Pfefferminz und Staunton Bitters, damit sich jeder Gast sein Getränk mit einem der beiden scharfen Spiritousen würzen könne, und die dahinter angebrachten Karaffen blitzen und funkeln und laden mit ihrem farbigen Inhalt den Gast ein, sie zu kosten. Apfelsinen und Zitronen füllen die leeren Zwischenräume aus, und bleibehalste Champagnerflaschen so wie süße, mit buntfarbigen Etiketten versehene Liköre prangen in den obersten Regalen. Nie aber wird sich der Reisende in diesen öffentlichen Gebäuden, mögen sie nun „hotel“ oder „inn“ – „tavern“ oder „boardinghouse“ heißen, wohnlich fühlen. Wie alles in Amerika, einzelne Privatwohnungen ausgenommen, nur für den augenblicklichen Genuß und Nutzen eingerichtet ist und jeder wirklichen Behaglichkeit entbehrt, so ist es auch mit diesen, doch eigentlich für die Bequemlichkeit der Reisenden hingestellten Gasthäusern.

       Schon die ganze innere Einrichtung beweist das. – Nur vor dem Kamin stehen Stühle, und um denselben, selbst im Sommer, wenn kein Feuer darin brennt, sammeln sich aus alter Gewohnheit die Gäste und spritzen ihren Tabakssaft in die liegengebliebene Asche. Keiner setzt sich mit seinem Glase zum Tisch und verplaudert ein halbes Stündchen mit dem Freunde; – keiner liegt, im Stuhl behaglich zurückgelehnt, und beobachtet die Kommenden und Gehenden. In Gruppen stehen sie beisammen – das kaum gefüllte Glas wird schnell geleert, höchstens einmal eine Zeitung durchflogen, und wieder fort stürmt der erst eingekehrte Gast seinen Geschäften oder seinem Vergnügen


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