In Mexiko Bd. 1. Gerstäcker Friedrich

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In Mexiko Bd. 1 - Gerstäcker Friedrich


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z. B., den die Damen von Mexiko der Monarchin bescheert; sonst aber verriethen schon halb abgenutzte Teppiche, ordinäre Tapeten und tausend andere Dinge, daß die bisherigen Regenten Mexikos diese Räume früher wohl einmal bewohnt, aber noch nie Zeit und Gelegenheit gehabt hatten, sich selbst nur behaglich darin einzurichten.

      Maximilian, an andere Umgebungen gewöhnt, konnte sich hier natürlich nicht wohl und zu Hause fühlen. Das aber waren doch nur Kleinigkeiten und Nebensachen, die sich alle mit der Zeit und einigem Kostenaufwand verbessern ließen. Dazu freilich war es nöthig, daß man eine Menge von Arbeitern in den Räumen beschäftigte, und um diesen theils aus dem Weg zu gehen, theils auch einem etwas romantischen Zug folgend, der ihn ja bis jetzt auf seiner ganzen Bahn geleitet, beschloß der Kaiser, den alten Königssitz Montezuma's, das etwa eine gute halbe Stunde von Mexiko gelegene Schloß Chapultepec, zu seinem nächsten Aufenthaltsort zu wählen.

      Eine schönere Lage hat kein Schloß der Erde, in welchem Welttheil es auch liegen möge, und ob es auf hohem Fels am Meere, von Schneegebirgcn überragt, in schattige Buchen und dunkle Tannen hineingeschmiegt, oder von palmengekröntcn Hängen umgeben wäre.

      Chapultepec, mit gerade nicht hervorragenden architektonischen Formen, ist aber, fast im Mittelpunkt des ganzen Thals von Mexiko, auf einem jener kleinen Hügel erbaut, die, unmittelbar aus der Ebene emporsteigend, der ganzen mexikanischen Hochebene charakteristisch und jedenfalls vulkanischen Ursprungs sind.

      Am Fuß dieses Hügels, und wahrscheinlich die Ueberreste eines uralten, den Göttern geweihten Haines bildend, stehen jene mächtigen Cedern mit kolossalem Stamm und Wipfel, unter denen Geschlecht nach Geschlecht wandelte - und wandeln wird, und oben aus den Gipfel haben die früheren spanischen Vicekönige ein festes Schloß mit hohen Mauern und Wällen gesetzt, das eine Rundsicht bietet, wie sie auf der Welt kaum weiter gefunden wird.

      Gerade voraus, nach Osten zu, vielleicht in Ost-Südost, /45/ liegen die herrlichen schneebedeckten Vulkane, der Popocatepetl und der Ixtaccihuatl oder die weiße Frau - der erstere spitz und pyramidenartig, der andere mit langgestrecktem Gipfel und in den Umrissen einer ruhenden, mit einem riesigen weißen Tuch überdeckten Frauengestalt nicht unähnlich.10 Links davon dehnte sich der Höhenzug aus, der die Thäler Mexikos und Pueblas von einander scheidet - den Mittelgrund bildeten die Seen, links die Texkoko, rechts der Chalco und Kochimilco, und den Vordergrund die weit ausgedehnte Hauptstadt mit ihren geradausgelegtcn Straßen und von zahllosen kleinen Dörfern, Städtchen und Hacienden umgeben, während links an den sich dort aufthürmenden Hängen der Wallfahrtsort Guadalupe, rechts das freundliche Tacubaya und viele andere kleine Ortschaften sichtbar wurden, und weitere Höhenzüge, sich an die vorderen anschließend, ein vollständiges und für sich abgeschlossenes Panorama bildeten.

      Dort hinauf verlegte Maximilian, nur wenige Tage nach der Ankunft in der Hauptstadt, seine Residenz; und wenn er auch hier, vom Luxus ganz abgesehen, so wenig Bequemlichkeiten fand, daß er in der ersten Nacht genöthigt wurde auf einfacher Matratze in der Veranda des innern Schlosses zu schlafen, so setzte er sich in seiner liebenswürdigen Einfachheit leicht darüber hinweg. Die wundervolle Lage, die historische Erinnerung des Platzes entschädigte ihn für alles Uebrige, und selbst die sonst so stolze Kaiserin fügte sich, wenn auch vielleicht nicht so freudig und rückhaltlos, den augenblicklichen, etwas beschränkten Verhältnissen.

      Aber Ruhe wurde ihm dort nicht viel gelassen, denn die verschiedensten Parteien wußten recht gut, daß sie die erste Zeit, wo nach keine festen Entschlüsse gefaßt sein konnten, auch benutzen müßten, um de» neuen Herrscher ihren Interessen zu gewinnen. Dem Kaiser selber lag aber natürlich ebenso daran, die verschiedenen Wünsche des Landes zu hören, wie dessen Bedürfnisse kennen zu lernen. Es war ihm wohlbekannt, welcher Zwiespalt die verschiedenen Klassen der Gesellschaft /46/ sowohl, wie die Parteien entzweite; und nur dadurch, daß er gründlich auf ihre Wünsche wie Forderungen hörte, glaubte er sich ein treues Bild des Ganzen zu bilden und dann nach eigenem Urtheil - immer ja nur das Beste des Landes im Auge haltend - seine Entscheidung zu treffen.

      Am thätigsten zeigte sich dabei, wie das gewöhnlich und überall der Fall ist, die Kirchenpartei, die sich auch schon dadurch im Vortheil gegen die Uebrigen befand, daß sie nicht allein ein festgeschlossenes Ganze bildete, sondern auch ein ganz bestimmtes und scharf ausgeprägtes Ziel verfolgte. Ein Abweichen davon, ein Zwiespalt in ihren eigenen Gliedern fand nicht statt - und mit dem alten Kunstgriff, Religion und Kirche zu idcntificiren, hielt sie - die alte Geschichte - mit der rechten Hand das Kreuz und mit der linken den Klingelbeutel.

      Es ist möglich, ja sogar wahrscheinlich, daß Maximilian, als er das Land betrat, die Absicht mitbrachte, die Klerikalen, deren Eifer und Unterstützung er ja doch zum großen Theil mit seine Wahl verdankte, von dem Druck zu befreien, den des Indianers Juarez Hand auf sie gelegt. Es kann recht gut sein, daß er sich früher - und ehe er die Verhältnisse näher kannte - mit dem Gedanken getragen, ja vielleicht selbst beabsichtigt hatte, die der Kirche entrissenen Güter wieder zurück zu erstatten und ein Gesetz aufzuheben, das Juarez schon im Jahre 1859 von Vera-Cruz aus gegeben, und das einfach sämmtliche Liegenschaften der Geistlichkeit - die wirklichen Kirchen ausgenommen - zu Gunsten des Staates mit Beschlag belegte. Ehe er aber an die Ausführung ging, war er vorsichtig genug gewesen, die Stimmung des ganzen Landes, d. h. wenigstens die Stimmung der verschiedenen Parteiführer darüber zu hören, und mußte denn allerdings bald finden, daß es - wenn auch von den „Liberalen" ausgegangen, schon so in alle Schichten der Gesellschaft eingegriffen hatte, um nicht mehr mit einem Federstrich beseitigt zu werden.

      Maximilian war tief religiös, aber dabei auch zu aufgeklärt, um nicht zu fühlen, wie das geistliche Regiment mehr Rechte beanspruchte, als sich eigentlich mit der, trotzdem zur Schau getragenen, christlichen Demuth vertrug. So hatten /47/ diese Herren denn auch im ganzen Reiche eine solche Unmasse von Besitzungen an Gebäuden sowohl wie an Boden in Anspruch genommen, daß ihnen z. B. in Puebla reichlich ein Drittheil der ganzen Stadt gehörte, und der Kaiser konnte sich nicht verhehlen, daß für das Land selber ein Gesetz wohlthätig wirken müsse, welches diese ungeheuern Besitzungen in den Bereich industrieller Unternehmungen brachte.

      Ob sich die Maßregel vom juristischen Standpunkt aus nicht anfechten ließ, war wieder eine Frage, obgleich auch diese wohl nicht zu Gunsten der Geistlichkeit entschieden wäre, da die Priester, als die früheren Herren des Landes, wohl kaum einen Quadratfuß dieser ganzen Liegenschaften wirklich gekauft, sondern was sie gebraucht oder auch nur gewünscht, einfach in Besitz genommen hatten. Jetzt aber gestaltete sich eine Wiederherausgabe der geistlichen Güter, wie Maximilian bald fand, fast zu einer Unmöglichkeit, denn wenn auch allerdings ein großer Theil derselben noch unverkauft lag, so waren doch schon zahlreiche Klöster, besonders in der Hauptstadt selber, nicht allein in den Besitz Einheimischer, sondern auch Fremder übergegangen, und theils durchbrochen, um Straßen herzustellen, theils auch in Wohnhäuser und Niederlagen umgewandelt worden.

      Außerdem hatte die Geistlichkeit ihre früheren Reichthümer nicht etwa dazu benutzt, um das Land selber zu heben und durch Schulen oder andere Institute das Volk aufzuklären - das lag nicht in ihrem Zweck, sondern weit eher Revolutionen anzuzetteln und ihnen mißliebige Regierungen zu beseitigen. Durch Juarez' Decret war sie aber darin beschränkt worden, sie sah sich nicht allein beraubt sondern auch in ihrer „weltlichen Macht" gebrochen, und ihr Grimm darüber, wie der Eifer, den sie entwickelte, um ihre verlorenen „Rechte" wieder zu erobern, läßt sich erklären.

      Maximilian erkannte vielleicht damals schon, in welcher schwierigen und gefährlichen Stellung er sich befand, wenn er von vornherein das ganze Pfaffenthum gegen sich bekam. Die verschiedenen Parteiführer, die er darüber sprach, verwirrten ihn aber noch mehr, denn kein einziger schien sich wirklich um das Beste des Landes zu kümmern, sondern nur /48/ immer und allein sein eigenes und damit das Interesse der besondern Partei im Auge zu haben.

      Maximilian wollte selber sehen und hören, und trat deshalb schon im August seine Reise durch einen Theil der Staaten an. Bis zu seiner Rückkehr waren daher entscheidende Maßregeln, feste Besetzung der Ministerien, selbst ein Entschluß in der Kirchenfrage verschoben worden, und die Kaiserin regierte, mit Almonte11 an ihrer Seite, indessen in Mexiko, während die französischen Generale emsig bemüht blieben und in der That alle Kräfte aufboten, um im Norden wie Süden die noch bestehenden „Rebellenbanden",


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