Reisen Band 2. Gerstäcker Friedrich

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Reisen Band 2 - Gerstäcker Friedrich


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bis jetzt auch nur durch diese Personenpost und sonst durch Güterkarren mit dem fast vierhundert Meilen entfernten Sidney und dem nur etwa zweihundert Meilen abliegenden Melbourne in Verbindung.

       In gegenwärtiger Zeit beschränkt sich diese Verbindung aber fast einzig aus die Post, denn der totale Grasmangel der Umgegend und die enormen Preise für j e d e s Viehfutter machten es den sonst gehenden Güterkarren fast unmöglich, ihr Vieh durchzubringen, und diese Preise, besonders des Proviants, waren deshalb auch sehr gestiegen. Handel und Verkehr stockte aus dieser Ursache auch etwas in Albury, denn seit sechzehn Monaten war kein ordentlicher Regen gefallen, und der Murray in diesem Augenblick so niedrig, daß sich der ewige älteste Mann mit dem schlechten Gedächtniß selbst /76/ nicht darauf besinnen konnte, ihn je so niedrig gesehen zu haben.

      Von Mr. und Mrs. Heaver in Albury, an die ich Briefe von Sidney aus gebracht hatte, wurde ich aus das Herzlichste aufgenommen; sie behandelten mich während der kurzen Zeit meines Aufenthalts dort in der Tat nicht wie einen Fremden, sondern wie ganz zu ihrer Familie gehörig, und hier war es, wo ich die fast unbegrenzte Gastfreundschaft des Murray zum ersten Mal, und zwar gleich in ihrer ganzen Ausdehnung, kennen lernte. Ich werde nie die wirklich angenehme Woche vergessen, die ich in ihrem Hause verlebte.

      Meine erste Sorge in Albury war nun natürlich, mich nach einem Canoe oder Fahrzeug umzusehen, aus dem ich meine Reise antreten konnte, oder, da kein solches zu bekommen war, nach passendem Holz zu einem auszuhauenden Canoe; aber leider sollte ich hier alles Das bestätigt finden, was mir schon mehrere der in Albury Bekannten vorher darüber gesagt hatten. Gumbäume so weit das Auge reichte, Gumbäume so weit ich am Ufer hinauf- oder hinunterging - ewige, unverwüstliche, unvermeidliche, unausstehliche Gumbäume, mit einem Holz so schwer, daß der kleinste Span wie Blei untersank, und daraus sollte ich ein Canoe hauen? Eine Hoffnung blieb aber noch: in den Hügeln dicht bei Albury sollten noch Stringybarkbäume mit etwas leichterem und besser zu bearbeitendem Holze stehen, und um diese aufzufinden, nahm ich mir einen der dort herumstreifenden Indianer oder „Schwarzen“ mit.

      Bei Albury lagerte gerade ein kleiner Stamm, und ich bekam hier diese Söhne der australischen Wildniß zum ersten Mal in ihrem vollen, noch wenig civilisirten Zustand zu sehen. Oh mein schönes Imeo mit deinen Palmen- und Guiavenschattcn, mit deinen Orangen und Brodfrüchten und deinen lieben, freundlichen, schlanken und reinlichen Bewohnern — die Männer mit den offenen Gesichtern und kräftigen Gestalten, die Frauen mit den klaren schwimmenden Augen, den üppigen, glattgekämmten und geölten Haaren und dem freundlichen Lächeln! - und von dort wie mit einem Zauberschlag hierher verpflanzt zwischen die ewigen trostlosen Gumbäume /77/ und zwischen das schwarze, schmutzige, heimtückische, mordlustige Volk dieser Wälder - der Abstand war zu entsetzlich. Und das zu erreichen, hatte ich mich selbst der Gefahr ausgesetzt, auf einer australischen Royal-Mail zu fahren! Es geschah mir aber ganz recht; ich habe mich überhaupt schon von frühester Kindheit an mit größter Mühe, und oft mit nicht geringer Aufopferung, in alle möglichen Arten von Verlegenheiten hineingearbeitet, und war dann gar häufig selber erstaunt, ihnen wieder, wenn auch oft mit Hinterlassung sämtlicher Federn, entgangen zu sein. Gegenwärtig schien ich mich in einer Urpatsche zu befinden, und ich fing an, wirklich neugierig zu werden, wie ich aus dieser wieder gerettet würde.

      Die Erzählungen, die ich hier über die Schwarzen oder Blacks, wie sie die Engländer nennen, hörte, waren gar nicht tröstlicher Art; in letzter Zeit besonders sollten wieder mehrere Mordtaten vorgefallen sein, und wie auch darüber Einige noch im Zweifel waren, ob ich mein Canoe glücklich den Fluß hinunterführen könne, so waren sie doch darüber Alle einig, daß ich wahrscheinlich unterwegs von den Blacks „gespeert“ werden würde. Eine angenehme Sache, wenn man bedenkt, daß die Speere von sehr hartem Holz und sehr spitz sind, welche Spitze von den unvorsichtigen Wilden jedesmal vorneweg geworfen wird! Man gab sich dabei jede nur erdenkliche Mühe, mir die für mich doch jedenfalls interessant sein müssenden genauesten Daten anzugeben, mit welcher Sicherheit sie ihr Ziel zu treffen wüßten, und zwar von achtzig bis hundert Schritt, und die Mitte des Stromes, die ich nicht einmal immer halten konnte, betrug an keiner Stelle mehr als vierzig bis fünfzig.

      Auf das Umständlichste erfuhr ich ebenfalls, was sie mit Denen machen, die sie entweder überfallen oder auf sonstige Art in ihre Gewalt bekommen. Sie haben gerade kein besonderes Interesse dabei, sie zu töten (falls sie nicht zu einer besonders feierlichen Gelegenheit, wie zum Beispiel zur Einweihung eines Zauberers, Menschenflcisch gerade gebrauchen sollten), sondern sie nehmen sich nur das N i e r e n f e t t - weiter nichts - und überlassen den Überwundenen dann höchst freundlich seinem Schicksal. Mit diesem Fett bestreichen /78/ sie sich alsdann, und glauben törichter Weise damit die Stärke des Überwundenen zu erhalten. Und solch eines albernen Vorurteils willen soll man sich den Leib aufschneiden lassen? Es ist himmelschreiend!

      Das, was ich von den Blacks in meiner nächsten Umgebung sah, war nicht geeignet, mir größeres Vertrauen zu ihnen einzuflößen. In Albury lief ein mit weißem Ton (ein Zeichen der Trauer) und roter Erde bemalter Schuft herum, der zwei Tage vorher ohne die mindeste Veranlassung seiner eigenen Frau den Schädel eingeschlagen, und von dem Zeder wußte, daß er schon sieben Weiße teils selber ermordet, teils bei ihrer Ermordung hülfreiche Hand geleistet hatte. Dennoch ließen ihn die Gerichte ruhig und frei herumgehen, ja verhinderten sogar, daß sein eigener Stamm ihn des Frauenmordes wegen bestrafte. Das hochweise Gericht steckte ihn nur - und welchen moralischen Eindruck das auf den Schuft gemacht haben muß! -eine Nacht auf die Wache.

      Während ich noch dort war, trat ihm ein Pferd die mittlere Zehe des einen Fußes ab, er lief aber an dem ordentlich frostigen Morgen mit dem blutenden Stumpf so ungeniert herum, als ob seinem Fuße nicht das Mindeste fehle.

      Sonntag den 27. marschierte ich mit einer dieser schwarzen Seelen in die Hügel hinein, wir fanden aber nur sehr wenig Stringybarkbäume, die groß genug waren, um ein Canoe auszuhauen. Nur etwa eine halbe Meile vom Fluß ab standen mehrere, und ich beschloß, einen Versuch mit dem besten von diesen zu machen. Am Montag nahm ich mir einen Arbeiter, einen jungen Australier, zu Hilfe, um einen Baum umzusägen und mir beim Aushauen zu helfen. Der beste Stringybark aber, den wir fällten, war hohl und brach beim Sturze morsch entzwei, und mein Gehülfe versicherte mir, wir würden nicht einen einzigen gesunden Stringybark in der Nähe des Flusses finden. Um nun nicht noch mehr Zeit unnütz zu verlieren, blieb also nichts weiter übrig, als einen der schweren und hart zu bearbeitenden Gumbäume zu fällen, und mit diesem zu versuchen, wie weit er sich eben aushöhlen und dünn machen lasse. Gesagt getan, rüstig gingen wir /79/ daran, zwei Stunden später hatten wir einen passenden Baum gefunden und gefällt, schlugen an dem Abend noch die Rinde herunter und begannen nun am nächsten Morgen die ordentliche Arbeit des Aushöhlens.

      In der Zwischenzeit machte ich in Albury einige sehr interessante Bekanntschaften, so unter anderen die eines Mr. Roper, der Doktor Leichhardt's erste Entdeckungstour nach Port Essington mitgemacht und dort durch einen Speerwurf der Blacks ein Auge verloren hatte. Die Bewohner Alburys interessierten sich aber ebenfalls für meine zu unternehmende Fahrt, denn dadurch wurde ein schon lange liebgewonnenes Projekt wieder in Anregung gebracht, die mögliche Befahrung des Murray und Hume, die für ihr kleines Städtchen von unberechenbarem Nutzen sein mußte. Man beschloß denn auch, mein Canoe bei seiner Abfahrt feierlich zu taufen, und Einzelne meinten, es wäre nur schade, daß sie nie das Ende des Unternehmens zu hören bekämen, denn die Schwarzen würden mich jedenfalls irgendwo „anspießen“.

      Sonnabend den 3. Mai bekam ich mein Canoe fertig und ins Wasser, und nahm es den Fluß, der hier entsetzliche Biegungen machte, etwa sieben Meilen hinunter, bis unter den Landungsplatz von Albury, von wo aus ich am Montag mit Provisionen und sonstig Nötigem vollkommen gut ausgerüstet, aufbrechen wollte. Viele wollten mir selbst j e t z t noch abreden, die lange beschwerliche Reise so ganz allein anzutreten; mein Entschluß war aber einmal gefaßt, zurück konnt' ich ja auch gar nicht mehr, denn von Sidney aus waren meine Sachen schon sämtlich nach Adelaide gesandt, und mein Geld, lieber Gott, das war schon gar bös zusammengeschmolzen, und eine lange, lange Strecke lag vor mir. - Doch ich hatte Pulver und Blei genug, und fürchtete nichts als die vielleicht zu großen Beschwerden, wenn ich in von Wilden gefährdete Gegenden kommen sollte und dann Niemanden hatte, mit dem ich Nachts abwechselnd Wacht halten konnte.

       Doch mit Gott! Ich war schon aus so verschiedenen Klemmen


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