Reisen Band 2. Gerstäcker Friedrich
Читать онлайн книгу.schon wieder hell auf, und ihm ein paar Blumen in's Gesicht werfend, die sie in der Hand hielt, sprang sie in flüchtigen Sätzen die Straße etwa hundert Schritt weiter hinab und verschwand dann rechts vom Weg in einer niedern Bambushütte.
,,A-u-ma-ma hat ihren Namen mit Recht,“ lachte der Soldat, „sie ist flüchtig wie eine kleine Eidechse, aber - ein wildes Mädchen bleibt's doch - einem Kameraden von mir hat sie neulich ein Messer gerade in die Schulter gerannt. Freilich, sie haben sie auch geärgert," setzte er dann in seiner gemütlichen Weise hinzu, „Lefevre heiratete sie erst, wie man hier überhaupt heiratct, und sie hat zwei Kinder mit ihm - seit ein paar Monaten hat er aber die jüngere Schwester genommen, und da wollte dies wilde Ding da nicht mit im Haus bleiben und ist mit ihren Kindern in die alte verfallene Hütte da gezogen. Manchmal kommt's mir ordentlich vor, als ob sie nicht recht bei Verstand wäre - sie spricht aber so weit ganz vernünftig.“
Wir hatten jetzt die Hütte erreicht, wo der alte Tätowierer wohnte, und wurden von diesem freundlich empfangen, obgleich die Nähe einer Stadt, wo Producte für Geld abzusetzen sind, allerdings einen sehr merklichen Einfluß auf die Gastfreundschaft dieser Leute ausübt. Da ich nach einer Weile Durst bekam, bat ich um eine Cocosnuß, und ein Knabe erbot sich augenblicklich - mir „einen Stock voll", wie sie zum Gebrauch nach Papetee geführt werden, von dem Nachbar zu holen - wenn ich ihm das Geld dazu gäbe. - So ist es aber auf der ganzen Welt - die Civilisation muß die Gastfreundschaft verdrängen, und wo die Leute erst einmal rechnen lernen, da zählen sie dann auch schon die Früchte auf ihren Bäumen, und selbst die Cocosnüsse sangen an Geld zu kosten.
Um nun übrigens ein Andenken von Tahiti mitzunehmen, beschloß ich, mich tätowieren zu lassen, und Taitaou war auch /12/ augenblicklich bereit, die Operation mit mir vorzunehmen. Die ganze Behandlungsart war übrigens schon an und für sich interessant genug, und der Ernst, mit dem der Künstler an sein Geschäft ging, entsprach ganz der Wichtigkeit des Unternehmens: Jemandem nämlich ein Kleid anzulegen, das er nicht etwa auf Monate oder Jahre, sondern sein ganzes Leben lang tragen und einst mit in sein Grab nehmen soll.
Er selber trug die Spuren der alten Heidenzeit in reichem Maße an sich, und ganz besonders die mondartigen Zeichnungen über seinem Rückteil, schien auch aus dieser Sache - wie mir übrigens schon vorher gesagt worden war - eine Art von Geschäft zu machen, denn er hielt sich ein besonderes Musterbuch. Als ich ihm meinen Wunsch kundgegeben und ihm zugleich ein paar Zeilen zu dem Zweck von Mr. Orsmond gebracht hatte holte er dieses aus einer alten „Seekiste" heraus, legte es mir vor und schien, die wilden Zeichnungen darin mit Wohlgefallen betrachtend, meine Wahl zu erwarten. Das Buch war ein wunderliches Album roher Zeichnungen von Schiffen vor allen Dingen, vollen Schiffen und Barken, Briggs und Schonern - dann kamen Flaggen verschiedener Nationen, besonders französische, englische und amerikanische. Eine vortreffliche Auswahl von Meerweibchen hatte er ebenfalls, und einige von ihnen mit einem Kamm in der Hand wie ein Gartenrechen. Dann kamen Anker und Walfische, und nachher eine wundervolle Sammlung von europäischen Damen, alle mit einer entsetzlichen Frisur und einem blau und roten Kleidmuster, sehr bauschigen Ärmeln und ungemein kurzer Taille. - Es war dies die Sammlung von Mustern, unter denen Matrosen gewöhnlich ihre Wahl treffen, wenn sie sich die Arme oder die Brust mit Anker, Meerweibchen, Schiffen und Schönen zeichnen lassen, und sie sehen dann besonders darauf, die Bilder abwechselnd hübsch rot und blau zu haben; die Indianer selber bedienten sich früher aber nur der blauen Farbe für sich, und ich habe nie einen mit einer roten Zeichnung oder Malerei gesehen. Ich selber war ebenfalls nicht gesonnen, mich mit derartigen Emblemen zu verunstalten. Ich bat ihn durch meinen Dolmetscher, mir mit seiner eigenen Farbe die alten heidnischen Zeichen der /13/ Tahitier in die Haut zu graben, und der alte Bursche schien damit ebenfalls von Herzen gern einverstanden. Er warf sein Musterbuch, das er im Anfang so achtungsvoll und sorgfältig vorgesucht, mit einem Ruck seines Armes in die fernste Ecke der Hütte, und sein Kästchen vorholend, begann er ohne Weiteres seine Arbeit aus freier Hand, als ob es seine alltägliche Beschäftigung sei und gar nicht zu den jetzt so streng verpönten heidnischen Künsten gehöre.
Das Tätowieren hatte auch früher eine weit höhere Bedeutung, wie nur die Haut zu färben. Gewisse Zeichen an bestimmten Teilen des Körpers, wie zum Beispiel bei den Frauen das Tätowieren der Knöchel, galten als Zeichen der Mannbarkeit - die Priester tätowierten sich anders als die Krieger, und Auszeichnungen in der Schlacht sollen hier und da gewissermaßen durch Hieroglyphen dargestellt sein. Auch nahmen sie Tiere zu diesen Symbolen, und Fische spielen dabei eine sehr bedeutende Rolle. Als Farbe benutzten sie den unter einem flachen Stein aufgefangenen Qualm der tui tui oder Lichtnuß, was der Zeichnung eine schöne blaue Farbe gibt, und zu Instrumenten haben sie kleine, mit aus Knochen und Haifischzähnen bewaffnete Werkzeuge, die in ihrer Gestalt unseren Gartenrechen ähneln und etwa 31/2 bis 4 Zoll lang sind. Diese Instrumente haben je einen bis zwölf Zähne, je nachdem sie die Striche lang brauchen, und jeder Zahn läßt in der Haut einen Punkt zurück. Beim Tätowieren setzen sie die Zähne auf die Haut, halten den Stiel mit der linken Hand, während Zeigefinger und Daumen dieser Hand das Instrument lenken, und schlagen dabei fortwährend mit einem kleinen Stückchen leichten Holzes auf den Stiel, wodurch sie eben die Zähne in die Haut eintreiben. Dieses Aufschlagen, dem Tact nach gewöhnlich in Triolen, hat nach seinem Geräusch, tat tat tat - tat tat tat, der ganzen Behandlung den Namen Tätowieren gegeben. Das Tätowieren selbst ist nicht besonders schmerzhaft, und die Zeichnung schwillt nur am nächsten Tag etwas auf.
So lange war ich nun übrigens schon auf Tahiti, und hatte noch nicht einmal die Königin des Landes, Pomare IV., die berühmte Königin der Gesellschaftsinseln, gesehen, war /14/ aber fest entschlossen, Tahiti nicht eher wieder zu verlassen, bis ich eine Audienz bei ihr gehabt hätte. Dem stellte sich jedoch manche Schwierigkeit entgegen. Herr Orsmond hatte mir versprochen, mir dazu behülflich zu sein, schien aber Schwierigkeiten gefunden zu haben; auch sagte mir sein Sohn, daß etwas wegen eines Landbesitzes zwischen ihnen vorgekommen wäre, wonach sie nicht auf dem besten Fuße stünden. Sonst kannte ich Niemanden, an den ich mich wenden konnte, und ich wußte nicht recht, wie es anzufangen sei. Außerdem hörte ich von meinem Straßburger Soldaten - der mir versicherte, mit dem Kronprinzen sowohl als den beiden jüngeren Prinzen auf sehr freundschaftlichem Fuße zu stehen -, daß die Königin jetzt gerade erst vor ganz kurzer Zeit ihr schönes und vollkommen europäisch eingerichtetes Haus einer kranken Verwandten überlassen habe und in eine ganz gewöhnliche Bambushütte am Strand gezogen sei, wo sie sich jetzt aufhalte. Dort dürfte sie wohl sehr schwer veranlaßt werden, überhaupt irgend eine Audienz zu erteilen, was unter solchen Verhältnissen gar nicht mit der gehörigen Würde geschehen könne.
An einer ordentlichen Audienz war mir überdies gar nichts gelegen - ließ ich mich ihr als ein Reisender aus Deutschland vorstellen, so wurde jedenfalls große Toilette verlangt, mit der ich nicht einmal eingerichtet war, und das Ganze lief auf nichts als eine steife Ceremonie hinaus; dagegen gab es ein anderes Mittel. - Ich bat den Straßburger, mich Ihrer Majestät als einen fremden Musikanten anzukündigen, der ein ganz neues Instrument mit nach Tahiti gebracht habe. Ich war ziemlich sicher, daß sie hier noch keine Zither gesehen hatten, und mein neuer Dolmetscher, dem ich die auch ihm fremde „Musik" zeigte, war so entzückt davon, daß er mir die Versicherung gab, die Königin würde die Zeit gar nicht erwarten können.
„Ich bin doch selber musikalisch," sagte er - er war Trommelschläger - „aber so ein Instrument hab' ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen."
Seines Beifalls gewiß, konnte ich darauf rechnen, daß er durch den Thronfolger auch Ihro Majestät für mich interes-/15/sieren würde, und am Montag Morgen kam er denn auch richtig schon zu mir und kündigte mir an, wir könnten noch an demselben Abend zur Königin gehen. Die Sonne mochte noch etwa anderthalb Stunden hoch sein, als wir uns anschickten, Ihro Majestät, die jetzt ganz am westlichen Ende der Stadt wohnte, unsere Aufwartung zu machen, und wir mussten zu diesem Zweck fast ganz Papetee durchwandern. Gegen Abend beginnt in den Straßen, der Stadt das Leben, und die Hotels und die Weinhäuser füllen sich. Die letzteren haben dabei ausschließlich die meisten Gäste, denn der größte Teil der Europäer auf Tahiti sind Franzosen, und diese können nun einmal nicht ohne ihren „Claret" existieren - den ich denn auch wirklich noch nirgends so schlecht getrunken habe, als gerade auf Tahiti.
Der Franzose ist überhaupt lebenslustig, und überall sitzen dann lachende, singende, trinkende