Der Alpdruck. Ханс Фаллада

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Der Alpdruck - Ханс Фаллада


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Ängsten wie er gequält.

      Aber immer, in all den endlosen qualvollen Traumstunden, da der am Tage tätige und energische Dr. Doll ausgelöscht und nur Angst in ihm war – aber immer in diesen mörderischen Schlafminuten sah er noch ein anderes. Und das, was er sah, war dies:

      Am Rande des Trichters saßen schweigend und still und ohne eine Bewegung die Großen Drei. Noch im Traume nannte er sie nur mit diesem Namen, den der Krieg unauslöschlich in sein Hirn gebrannt hatte. Dazu fanden sich dann die Namen Churchill, Roosevelt und Stalin, obwohl ihn der Gedanke manchmal quälte, daß es da vor kurzem noch eine Veränderung gegeben habe.

      Diese Großen Drei saßen dicht bei- oder doch nicht weit auseinander; sie saßen, wie sie eben aus ihrer Weltgegend gekommen waren, und starrten voll stummer Trauer in den ungeheuren Trichter hinab, auf dessen Grund Doll mit seiner Familie und das deutsche Volk und alle Völker Europas wehrlos und beschmutzt lagen. Und während sie so stumm und voller Trauer saßen und starrten, wußte Doll mit aller Bestimmtheit in seines Herzens tiefstem Grunde, daß die Großen Drei ununterbrochen darüber nachgrübelten, wie ihm, dem Doll, und mit ihm allen andern wieder aufzuhelfen und wie aus einer geschändeten wieder eine glückliche Welt aufzubauen sei. Ja, darüber grübelten sie ununterbrochen, die Großen Drei, während endlose Krähenschwärme über das befriedete Land heimzogen, von den Schlachtfeldern der Welt zu ihren alten Horsten, und während stille Quellen unhörbar rieselten, deren Wasser den gelben Lehmbrei seinem Munde immer gefährlicher nahebrachten.

      Er aber, Doll, konnte gar nichts tun, mit den eng an seinen Leib gepreßten Armen mußte er stille liegen und warten, bis die traurig grübelnden Großen Drei zu einem Entschlusse gekommen waren. Dies war vielleicht das Allerquälendste in diesem Angsttraum für Doll, daß er, noch immer von vielen Gefahren bedroht, nichts tun konnte, sondern stille warten mußte, eine endlose, endlose Zeit! Die leeren Häuserfassaden konnten noch über ihn einbrechen, die leichenhungrigen Krähenschwärme den Wehrlosen entdecken, der gelbe Lehm seinen Mund füllen: er konnte gar nichts tun, nur warten, und vielleicht wurde es über diesem Warten für ihn und die Seinen, die er sehr liebte, zu spät ... Vielleicht gingen sie doch noch alle zugrunde!

      Es dauerte eine sehr lange Zeit, bis die letzten Reste dieses quälenden Angsttraums Doll verließen; völlig frei wurde er erst von ihnen, als eine Wendung seines Lebens ihn zwang, das Grübeln aufzugeben und wieder ein tätiger Mensch zu sein. Aber noch viel länger dauerte es, bis Doll klar erkannte, daß dieser ganze, aus seinem Innern gespenstisch aufgetauchte Angsttraum ihn nur narrte und täuschte. So qualvoll dieser Traum auch war, Doll hatte an seine Wahrheit geglaubt.

      Sehr lange dauerte es, bis er begriff, daß da niemand in der Welt war, bereit, ihm aus dem Dreck aufzuhelfen, in den er gestürzt war. Kein Mensch, nicht die Großen Drei, von seinen Landsleuten ganz zu schweigen, interessierte sich für Dr. Doll. Wenn er im Lehmbrei verkam, um so schlimmer für ihn, aber nur für ihn! Kein Herz auf der Welt wurde schwerer darum. Wenn er ernstlich den Wunsch hatte, noch einmal etwas zu arbeiten und darzustellen, so war es seine Sache allein, diese Apathie zu überwinden, aufzustehen, den Dreck von sich abzuklopfen und ans Werk zu gehen.

      Aber von dieser Erkenntnis war Doll in jener Zeit noch sehr weit entfernt. Nachdem nun endlich Friede geworden war, meinte er noch lange, die ganze Welt warte nur darauf, ihm auf die Beine zu helfen.

      Zweites Kapitel

      Die andere Täuschung

      Am Morgen dieses 26. April 1945 war Doll endlich einmal wieder in guter Stimmung erwacht. Nach Wochen und Monaten tatenlosen Wartens auf das Kriegsende schien der Augenblick der Befreiung nahe. Die Stadt Prenzlau war genommen, der Russe konnte jede Stunde kommen; am Vortage hatten schon Flieger über der Stadt gekreist, und es waren keine deutschen Flieger gewesen!

      Die beste Kunde aber hatte Doll am späten Abend gehört: die SS war im Abrücken, der Volkssturm aufgelöst: die kleine Stadt würde nicht gegen die anziehenden Russen verteidigt werden! Damit war eine Bergeslast von seiner Seele genommen: seit Wochen hatte er nicht mehr sein Haus zu verlassen gewagt, um nur niemanden auf seine Person aufmerksam zu machen. Denn er war fest entschlossen gewesen, nicht im Volkssturm zu kämpfen.

      Nun, nach diesen günstigen Nachrichten, konnte er sich wieder vor die Tür wagen, ohne Sorge um das Gerede der lieben Nachbarn, von denen ihm mindestens drei über Zaun und Hecke schauen konnten. Er trat also mit seiner jungen Frau in den herrlichen Frühlingstag hinaus. Die Sonne schien warm, und ihre Wärme tat – namentlich hier unten am Wasser – nur gut. Das Grün hatte noch die tausend leichten frohen Schattierungen des ersten Wachstums, und der Boden schien unter den Füßen vor drängender Fruchtbarkeit zu schwellen und zu schwanken.

      Als Doll so mit seiner Frau behaglich vor dem Hause stand, fiel sein Blick auf zwei lange Staudenbeete, die rechts und links von dem schmalen, zementierten Wege, der zu seiner Tür führte, lagen. Auch auf diesen Staudenbeeten grünte es, ja, es blühte dort sogar schon ein wenig mit den ersten Traubenhyazinthen, Primeln und Anemonen. Aber dieser an sich erfreuliche Anblick war verdorben durch ein Gewirr von Drähten, die, teils abgerissen, teils an häßlichen Pflöcken festsitzend, das junge Wachstum durch Unordnung beleidigten und mit ihren hinterlistig hängenden Drahtenden sogar das Betreten des Zementfußweges gefährlich machten.

      Kaum war sein Blick auf diese Unordnung gefallen, als Doll schon ausrief: »Da habe ich ja meine Arbeit für heute! Dieser elende Drahtverhau hat mich schon lange geärgert!« Er holte Zange und Hacke und machte sich eifrig an die vorgesetzte Arbeit.

      Während er so in der Sonne beschäftigt war, hatte er endlich einmal wieder Einblick in die Anwesen seiner nächsten Nachbarn. Bald merkte er dort eine ungewohnte Geschäftigkeit. Da war, nahe wie fern, ein ständiges Hin- und Hergelaufe, ein Schleppen von Koffern und Möbeln in die Schuppen aus den Häusern und umgekehrt, ein anscheinend zielloses Umherwandern mit Spaten, die da und dort wie aufs Geratewohl in den Boden gestoßen wurden.

      Schon lief ein Nachbar eilig auf den Bootssteg hinaus und blieb auf ihm stehen, die Hände in den Taschen, als habe er plötzlich viel Zeit. Dann plumpste etwas ins Wasser, und nachdem der Nachbar sich so unauffällig -auffällig wie nur möglich umgesehen, ob er auch beobachtet gewesen – Doll hackte munter fort –, ging er breitbeinig, wie in tiefen Gedanken, zu seinem Haus zurück, wo er alsbald eine neue fieberhafte Tätigkeit entfaltete.

      Dann plötzlich kam das alles wieder zum Stillstand. Gruppen sammelten sich an den trennenden Zäunen und flüsterten eifrig miteinander. Schon wechselten große Pakete über den Draht fort den Besitzer, und alles lief auseinander, wiederum sich eifrig umschauend, wiederum mit anderen Heimlichkeiten beschäftigt.

      Doll, der erst seit einigen Monaten auf diesem, seiner zweiten Frau gehörigen Grundstück wohnte, blieb von all dieser Geschäftigkeit als »Fremder« ausgeschlossen, und er freute sich dessen. Denn alle diese so offenkundigen Heimlichkeiten wurden fast nur von Frauen und sehr alten Männern betrieben und wurden als »Weiberkram« von ihm entsprechend verachtet.

      Freilich, lange konnte er sich nicht seiner Vereinzelung freuen, denn es erschienen zwei Damen auf seinem Grundstück, vorgebliche Freundinnen seiner Frau. Diese Frauen, die er nie hatte ausstehen können, blieben bei ihm stehen und taten sehr überrascht, daß er an solchem Tage zu solcher Arbeit Zeit habe. Der Russe stünde doch vor der Tür –!

      Mit ein wenig spöttischem Lächeln erklärte Dr. Doll, zu dem sich nun auch seine Frau gesellt hatte, er mache eben grade für diese so lange erwarteten Besucher die Wege frei. Überrascht erkundigten sich die Damen, ob er denn den Feind hier an Ort und Stelle zu erwarten gedenke, das sei bei zwei Kindern, einer alten Großmutter und einer jungen Frau doch wohl kaum ratsam. Sie hier im Ausbau des Städtchens wenigstens hätten alle miteinander beschlossen, bei Einbruch der Dämmerung mit den Kähnen das andere Ufer des Sees zu erreichen und, im tiefen Walde verborgen, die weitere Entwicklung der Dinge dort abzuwarten.

      Für Doll antwortete die Frau den Freundinnen: »Wir werden nichts Derartiges tun. Nicht einen Schritt gehen wir von hier, nichts verstecken wir; auf der Schwelle unseres Hauses werden mein Mann und ich die so lange erwarteten Befreier begrüßen!«

      Eifrig


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