Krieg und Frieden. Лев Толстой

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Krieg und Frieden - Лев Толстой


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Fürstin sah, daß ihr Vater die Sache nicht günstig ansah, aber der Gedanke erwachte in ihr, daß jetzt oder niemals ihr Lebensschicksal sich entscheiden werde. Sie vermied den Blick ihres Vaters, unter dessen Einfluß sie nicht denken, sondern nur sich unterwerfen konnte.

      »Ich wünsche nur eins, Ihren Willen zu erfüllen«, sagte sie.

      »Prächtig«, unterbrach sie der Fürst, »er nimmt dich mit der Mitgift und erwischt dabei auch noch Mamsell Bourienne! Diese wird Frau sein, und du …« Der Fürst schwieg, als er den Eindruck bemerkte, welchen diese Worte auf seine Tochter hervorbrachten. Sie hatte den Kopf gesenkt und war dem Weinen nahe.

      »Nun, nun, ich scherze nur«, sagte er, »aber du weißt, Fürstin, es ist mein Grundsatz, daß ein Mädchen volle Freiheit, zu wählen, haben muß! Nur bedenke, daß von deiner Entscheidung dein Lebensglück abhängt. Von mir ist nichts zu sprechen.«

      »Aber ich weiß nicht – Väterchen.«

      »Wenn man es ihm befiehlt, so wird er jede andere heiraten, du aber bist frei, zu wählen. Gehe in dein Zimmer, überlege alles und nach einer Stunde komme zu mir und sage mir in seiner Gegenwart ja oder nein. Ich weiß, du wirst wieder beten. Nun, meinetwegen, bete, aber es wäre besser, du würdest überlegen. Jetzt gehe!«

      »Ja oder nein! Ja oder nein! Ja oder nein« schrie er noch immer, während Marie wie betäubt aus dem Kabinett schwankte. Ihr Schicksal hatte sich entschieden, und glücklich entschieden! Aber die Anspielung auf Mademoiselle Bourienne war schrecklich. Wenn sie auch unbegründet war, so klang sie doch schrecklich und erschütterte Marie. Sie ging mit gesenkten Blicken nachdenklich durch den Wintergarten, ohne zu sehen und zu hören, als sie plötzlich das wohlbekannte Flüstern von Mademoiselle Bourienne vernahm.

      Sie erhob den Blick und zwei Schritte vor sich erblickte sie Anatol, der die Französin im Arm hielt und ihr etwas zuflüsterte.

      Anatol blickte sich mit rotem Gesicht erschrocken nach der Fürstin Marie um, ohne die Taille der Französin loszulassen, welche sie noch nicht sah. »Wer ist da? Was gibt es? Warten Sie!« schien Anatols Gesicht zu sagen. Marie blickte beide schweigend an und war nicht sogleich imstande, zu begreifen, was sie sah. Endlich schrie Mademoiselle Bourienne auf und entfloh. Anatol verbeugte sich mit vergnügtem Lächeln vor der Fürstin Marie, als ob er sie einladen wollte, über diesen seltsamen Zwischenfall zu lachen, und ging achselzuckend nach der Tür.

      Eine Stunde später kam Tichon, um die Fürstin Marie zum Fürsten zu rufen, und sagte ihr, auch Fürst Wassil sei dort. Als Tichon ins Zimmer trat, saß Marie auf dem Diwan, hielt die weinende Mademoiselle in ihren Armen und glättete zärtlich ihr Haar. Die schönen Augen der Fürstin blickten mit ihrer früheren strahlenden Ruhe und mit zärtlicher Liebe und Mitleid auf das hübsche Gesichtchen der Französin herab.

      »Nein, Fürstin, ich habe auf immer Ihr Wohlwollen verscherzt«, sagte Fräulein Bourienne.

      »Warum? Ich liebe Sie mehr als jemals«, erwiderte Marie, »ich werde für Ihr Glück alles tun, was in meinen Kräften steht.«

      »Aber Sie verachten mich, Sie sind so rein und werden nie diese Verirrungen der Leidenschaft begreifen! Ach, ach, ma pauvre mère!«

      »Ich begreife alles«, erwiderte Fürstin Marie mit kummervollem Lächeln. »Beruhigen Sie sich, ich gehe jetzt zu meinem Vater!«

      Fürst Wassil saß mit mildem Lächeln in einem Lehnstuhl mit der Tabaksdose in der Hand und nahm hastig eine Prise.

      »Ach, meine Liebe«, sagte er aufstehend und ergriff ihre beiden Hände, »das Geschick meines Sohnes liegt in Ihrer Hand! Entscheiden Sie, meine liebe, teure Marie, die ich immer wie eine Tochter geliebt habe!« Mit einem Seufzer trat er beiseite, wirkliche Tränen erschienen in seinen Augen.

      Der alte Fürst schnaubte. »Der Fürst macht dir im Namen seines Zöglings … seines Sohnes einen Antrag! Willst du die Frau des Fürsten Anatol Kuragin sein oder nicht? Sprich! Ja oder nein?« schrie er. – »Ich behalte mir vor, meine Meinung nachher zu sagen! Ja, meine Meinung und nur meine Meinung«, fügte er hinzu, gegen den Fürsten Wassil sich wendend. – »Ja oder nein?«

      »Es ist mein Wunsch, Väterchen, Sie niemals zu verlassen, niemals mein Leben von dem Ihrigen zu trennen! Ich will nicht heiraten!« sagte sie entschlossen und blickte mit ihren schönen Augen die alten Herren offen an.

      »Unsinn! Dummheiten! Unsinn! Unsinn!« schrie der alte Fürst mit ärgerlichem Gesicht. Dann legte er seine Stirn an ihre Stirn und drückte ihre Hand so stark, daß sie aufschrie. Auch Fürst Wassil stand auf.

      »Meine Liebe, ich sage Ihnen, ich werde diese Minute niemals vergessen! Aber ich bitte Sie, geben Sie uns wenigstens eine kleine Hoffnung, dieses gute, großmütige Herz zu rühren, sagen Sie wenigstens: vielleicht! Die Zukunft ist groß, sagen Sie: vielleicht!«

      »Fürst, was ich gesagt habe, ist alles, was in meinem Herzen liegt. Ich danke für die Ehre, aber niemals werde ich die Frau Ihres Sohnes sein!«

      »Nun ist's aus, mein Lieber! Ich bin sehr erfreut, dich zu sehen! Sehr erfreut, dich zu sehen! Geh in dein Zimmer, Fürstin, geh! Sehr, sehr erfreut, dich zu sehen!« wiederholte er, indem er den Fürsten Wassil umarmte.

      »Meine Bestimmung ist eine andere«, dachte die Fürstin Marie, »meine Bestimmung ist es, auf andere Weise glücklich zu sein, durch das Glück der Liebe und Selbstaufopferung! Und was es mich auch kostet, ich werde das Glück der armen Amélie machen!« So wurde zuweilen Mademoiselle Bourienne genannt. »Er liebt sie so leidenschaftlich, und sie ist so reuevoll! Ich werde alles tun, um ihr die Heirat zu ermöglichen, den Vater für sie bitten. Ich werde so glücklich sein, wenn sie seine Frau sein wird, und, mein Gott, wie leidenschaftlich sie ihn lieben muß, wenn sie sich so vergessen konnte! Vielleicht hätte ich ebenso gehandelt.«

      48

      Lange Zeit traf bei Rostows keine Nachricht von Nikolai ein. Erst in der Mitte des Winters erhielt der Graf einen Brief, auf dessen Adresse er die Handschrift seines Sohnes erkannte. Erschrocken und hastig lief er auf den Zehenspitzen, um nicht bemerkt zu werden, in sein Kabinett, schloss sich ein und las. Die Fürstin Drubezkoi hatte von der Ankunft des Briefes erfahren, wie sie alles erfuhr und wußte, was im Hause vorging. Sie kam mit leisen Schritten in das Zimmer des Grafen, den sie weinend antraf.

      »Mein guter Freund«, sagte sie teilnahmsvoll, »was ist geschehen?«

      Der Graf weinte noch heftiger. »Nikolai! … ein Brief! … Verwundet! … Meine Liebe, verwundet! … Er ist Offizier geworden, Gott sei Dank! … Wie soll ich es der Gräfin sagen?«

      Die Fürstin setzte sich neben ihn und wischte mit einem Tuch die Tränen aus seinen Augen. Sie beruhigte den Grafen und entschied, sie werde vor Tisch die Gräfin vorbereiten und nach dem Tee ihr mit Gottes Hilfe alles mitteilen.

      Während des ganzen Mittagessens sprach die Fürstin von Kriegsgerüchten und von Nikolai und fragte, wann der letzte Brief von ihm gekommen sei. Bei diesen Anspielungen wurde die Gräfin unruhig, aber Natalie erriet bald, daß etwas vorgefallen sei und daß die Fürstin ihre Mutter vorbereiten wollte. Nach Tisch holte sie die Fürstin ein und warf sich ihr um den Hals.

      »Tantchen, sagen Sie mir, was ist geschehen?«

      »Nichts, mein Kind, sei vorsichtig! Du weißt, wie leicht deine Mutter erschrecken kann!«

      »Ja, ja, aber erzählen Sie! Sie wollen nicht? Nun, dann gehe ich gleich und sage es allen!«

      Die Fürstin erzählte Natalie in kurzen Worten den Inhalt des Briefes, wonach Nikolai verwundet und Offizier geworden sei, aber unter der Bedingung, niemand davon zu sagen.

      »Mein heiliges Ehrenwort!« sagte Natalie, sich bekreuzigend, »ich werde niemand davon sagen.« Sofort lief sie zu Sonja, umarmte sie weinend und erzählte ihr alles, was sie wußte.

      Nikolais Brief wurde hundertmal gelesen. Diejenigen aber, welche sich für würdig hielten, den Inhalt zu erfahren, mußten sich zur Gräfin bemühen, welche ihn nicht aus


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