Forschungsreisen in früheren Jahrhunderten - Band 124 in der maritimen gelben Buchreihe bei Jürgen Ruszkowski. Jürgen Ruszkowski

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Forschungsreisen in früheren Jahrhunderten - Band 124 in der maritimen gelben Buchreihe bei Jürgen Ruszkowski - Jürgen Ruszkowski


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zurücklegen könnten und dass man sie am Hofe des Groß-Khans höchst ehrenvoll aufnehmen würde. Da ihnen ohnehin die Rückkehr in die Heimat auf unabsehbare Zeit verwehrt war, beschlossen die Brüder Polo, das Angebot anzunehmen. Wohl war der Weg weit und beschwerlich, aber unter dem Schutz der tatarischen Gesandtschaft kamen sie nach einer Reisezeit von einem Jahr wohlbehalten am Hofe des Groß-Khans an.

Grafik 188

       Der mongolische Herrscher Kublai Khan – ein Enkel Dschingis Khans

      Kublai Khan empfing sie mit freundlicher Herablassung. Er erkundigte sich nach allen Herrschern des Abendlandes, nach der Größe ihrer Länder, der Art ihrer Rechtspflege und Kriegführung. Vor allem aber wollte er immer wieder vom Papst hören, von der christlichen Religion und der römischen Kirche. Da die beiden Polos welterfahrene Männer waren, zudem durch jahrelangen Umgang mit Tataren deren Sprache vollkommen beherrschten, war es ihnen leicht, die Wissbegierde des Herrschers zu stillen.

      Als der Groß-Khan sie in zahlreichen Unterredungen gründlich ausgeforscht und alles, was er über das Abendland wissen wollte, erfahren hatte, beschloss er, sie als seine Gesandten nach Rom zu schicken. Er gab ihnen ein in tatarischer Sprache abgefasstes persönliches Schreiben an das Oberhaupt der Christenheit mit, worin er bat, der Papst möge ihm hundert Priester senden. Sie sollten vor allem die Kunst des Diskutierens beherrschen und in der Lage sein, vor Buddhisten und anderen Leuten mit überzeugenden Argumenten klarzulegen, dass die Lehre Christi die beste sei, alle anderen Religionen dagegen falsch und nichtig. Wenn sie das beweisen könnten, dann würde er selbst, der Groß-Khan, mit allen seinen Untertanen zum christlichen Glauben übertreten.

      Über den Rückweg der Polos sind wir im Einzelnen nicht genauer unterrichtet. Wir wissen jedoch, dass sie trotz dieser bedeutenden Erleichterungen volle drei Jahre für die Heimreise gebraucht haben. Gewaltige Regenzeiten hinderten ihr Vorwärtskommen, reißende Ströme schwollen so an, dass sie lange Zeit unpassierbar waren, und im Winter mussten sie wegen mächtiger Schneefälle oft die Reise unterbrechen. – Sie erreichten schließlich das langersehnte Mittelmeer bei Acre in Palästina. Hier fühlten sie sich schon fast auf heimischem Boden, denn in dieser Stadt befand sich damals eine bedeutende venezianische Niederlassung. Nun erfuhren sie erst, dass inzwischen Papst Clemens IV. gestorben war. Sie berichteten dem in Acre amtierenden päpstlichen Legaten Theobald von Piacenza, woher sie kamen und welchen Auftragt sie auszuführen hatten. Der bestärkte sie in der Auffassung, dass ihre Mission für die ganze Christenheit von höchster Bedeutung sei. Er riet ihnen, zunächst in ihre Heimat zu reisen und dort die Wahl des neuen Papstes abzuwarten. Als sie in Venedig ankamen, fand Nicolo, dass seine Frau inzwischen gestorben, sein Sohn Marco aber, der im Jahre 1254 geboren war, zu einem stattlichen Knaben herangewachsen war. Er beschloss daher, ihn bei der Rückkehrt zum Hofe des Groß-Khans mit auf die Reise zu nehmen.

      * * *

       Ins Reich des Groß-Khans

Die Wahl eines Nachfolgers für Papst Clemens kam wegen anhaltender Uneinigkeit im Kardinalskollegium fast drei Jahre lang nicht zustande. Es war das längste päpstliche Interregnum, von dem man je gehört hatte. Nachdem zwei Jahre vergangen waren, meinten die Polos, dass sie Kublai Khan nicht länger ohne Nachricht lassen konnten. Sie beschlossen daher, auch ohne ihre eigentliche Mission erfüllt zu haben, erneut die Reise in das Tatarenreich anzutreten. Der siebzehnjährige Marco war jetzt mit ihnen. In Acre betrat er zum ersten Mal den Boden Asiens, nicht ahnend, dass er ihn nun fast ein Menschenalter lang nicht wieder verlassen sollte.Zunächst reisten die Polos nach Jerusalem, da Kublai Khan sie dringend gebeten hatte, ihm Öl aus der Lampe des Heiligen Grabes mitzubringen. In Acre gab der päpstliche Legat ihnen einen Brief an den Groß-Khan mit, in dem er bezeugte, dass die Brüder sich ehrlich bemüht hatten, ihren Auftrag beim Papst zu erfüllen, dass jedoch das neue Oberhaupt der christlichen Kirche noch immer nicht gewählt sei. Als sie auf ihrer Weiterreise in der Hafenstadt Theobald von Piacenza in Anatolien angekommen waren, wo damals die Karawanenstraßen aus Innerasien das Mittelmeer erreichten, da bekamen sie die Nachricht, dass eben ihr Freund, der Legat Theobald von Piacenza, zum Papst gewählt worden war. Zugleich erhielten sie ein Schreiben von ihm, worin er sie – jetzt im Namen des Heiligen Stuhles – aufforderte, noch einmal nach Acre zurückzukommen.Grafik 189So konnte der neue Papst ihnen doch noch seinen Segen für ihr Unternehmen erteilen. Zugleich gab er ihnen zwei italienische Mönche mit, die sich gerade in Palästina aufhielten und als gelehrte Männer und kenntnisreiche Theologen galten. Sie wurden feierlich mit besonderen Vollmachten ausgestattet, Priester und Bischöfe zu ernennen, auch alle sonstigen kirchlichen Funktionen auszuüben.Grafik 190Kaum waren sie aber mit den Polos von Layas aus ins Innere aufgebrochen, da erfuhren sie, dass der Sultan von Ägypten das armenische Land mit einem mächtigen Heer überfallen und auf weite Strecken verwüstet hatte. Darüber erschraken die beiden Mönche gewaltig, und für ihr Leben fürchtend beschlossen sie umzukehren. Sie übergaben den Polos die Briefe und Geschenke, die der Papst auch ihnen anvertraut hatte, stellten sich unter den Schutz des Meisters der Tempelherren und reisten mit diesem eilig zur Küste zurück.Die drei Polos begaben sich jetzt also ohne die vom Groß-Khan so dringend erbetenen geistlichen Begleiter auf jene denkwürdige Karawanenreise durch die weiten Landschaften Innerasiens; denkwürdig, weil zum ersten Male ein kluger und für alles Neue brennend interessierter Reisender, der junge Marco, die Fülle seiner Beobachtungen und Erkundungen sorgfältig sammelte und nach seiner Rückkehr ein Buch schrieb, das dem Abendland eine völlig neue Welt bildhaft lebendig machte.Grafik 191Die erste Etappe der Reise führte durch die Länder Armenien, Mesopotamien und Persien. Sie ziehen vorbei am Ararat, „einem großen und hohen Berg, auf dem, wie man sagt, die Arche Noah nach der Sintflut stehen geblieben ist.“ Er ist so gewaltig, dass man zwei Tagereisen braucht, um ihn am Fuße zu umgehen. Hinaufsteigen kann man nicht wegen der ungeheuren Menge des Schnees, der oben liegt und nie schmilzt, sondern nach jedem Schneefall noch zunimmt.Mesopotamien durchziehen sie von Nord nach Süd entlang dem Tigris. In Mossul begeistert sich Marco an den herrlichen Stoffen aus Gold und Seide, die dort gewebt werden und unter der Bezeichnung Musselin in alle Welt gehen. Bagdad ist die größte und prächtigste Stadt, die er bisher gesehen hat. Ein großer Strom – der Tigris – fließt mitten hindurch; auf ihm führen die Kaufleute ihre Waren in achtzehn Tagen bis zur Mündung in den Indischen Ozean. Und was für kostbare Waren gibt es hier! Golddurchwirkte Seidengewebe, noch schöner als die in Mossul, ferner Samt, Damast und Goldbrokate, in die Figuren von Vögeln kunstvoll hineingewebt sind. Bagdad ist überhaupt der Umschlagplatz für viele Kostbarkeiten der Welt. Alle Perlen, die von Indien nach Europa kommen, werden hier durchstochen und gefasst. Aber auch der Gelehrte kommt in dieser Stadt zu seinem Recht. Man kann hier ebenso das mohammedanische Gesetz studieren wie Physik, Astronomie und sogar Magie.Von Persien weiß Marco nicht viel Gutes zu berichten: „Es ist ein großes Land, das in alten Zeiten sehr berühmt und mächtig war. Aber jetzt haben die Tataren alles verwüstet und zerstört.“ Auch verknüpfen sich für ihn mit diesem Lande böse persönliche Erinnerungen. „Dort gibt es Banditen, die verstehen sich auf teuflische Zauberkünste, wodurch sie das Tageslicht verdunkeln können, so dass man kaum seinen Reisegefährten neben sich erkennt. Diese Dunkelheit können sie über eine Strecke von sieben Tagereisen erzeugen.“ Offenbar handelte es sich um eine Verdunkelung des Himmels durch Staub oder trockenen Nebel, worüber auch spätere Reisende aus diesen Gegenden berichten. „Marco wurde von diesen Banditen während einer solchen Verdunkelung gefangen genommen. Aber es gefiel Gott, dass er gerade noch davonkam und sich in eine benachbarte Ortschaft retten konnte. Er verlor dabei alle seine Begleiter bis auf sieben; die anderen wurden gefangen und teils als Sklaven verkauft, teils getötet.“ In der Hafenstadt Hormons hatten die Polos schwer unter der Hitze zu leiden. „Im Sommer weht dort oft ein so unerträglich heißer Wind, dass er jedermann töten würde, wenn die Leute nicht sofort bis an den Hals ins Wasser gehen würden. Dort bleiben sie, bis der Wind nachgelassen hat.“Von Hormos aus durchqueren die Reisenden ganz Persien von Süd nach Nord. Sie lernen dabei zum ersten Mal alle Beschwerden einer Wüstenreise kennen: „Wenn man von der Stadt Kerman aufgebrochen
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