Auferstehung. Лев Толстой

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Auferstehung - Лев Толстой


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unangenehme Vertraulichkeit des Lehrers peinlich zu empfinden.

      »Ganz gewiß,« sagte dieser, »wir haben in unserer Antwort den Zusatz vergessen: ›schuldig, doch unter Verneinung des Vorsatzes zu töten‹. Der Sekretär machte mich eben darauf aufmerksam – Der Staatsanwalt will ihr fünfzehn Jahre Zwangsarbeit aufbrummen.«

      »Es ist eben so entschieden worden,« sagte der Obmann.

      Peter Gerassimowitsch widersprach dem – er sagte, es sei selbstverständlich, daß, wenn sie kein Geld genommen, sie auch nicht die Absicht haben konnte, ihn des Lebens zu berauben.

      »Aber ich habe doch die Antworten vorgelesen, bevor wir das Beratungszimmer verließen,« suchte der Obmann sich zu rechtfertigen. »Niemand hat dagegen Einspruch erhoben.«

      »Ich war gerade um die Zeit aus dem Zimmer gegangen,« sagte Peter Gerassimowitsch. »Und Sie haben es wohl verpaßt?« wandte er sich an Nechljudow.

      »Ich habe gar nicht darauf geachtet,« sagte Nechljudow.

      »So, so – nicht darauf geachtet!«

      »Aber das läßt sich doch noch gutmachen!« sagte Nechljudow.

      »Leider nicht – jetzt ist die Sache erledigt.«

      Nechljudow wandte seinen Blick den Angeklagten zu. Sie, deren Schicksal soeben entschieden wurde, saßen immer noch mit derselben Teilnahmslosigkeit hinter ihrem Gitter vor den Soldaten. Die Maslowa lächelte über irgend etwas, und in Nechljudows Seele regte sich ein häßliches Gefühl. Vorher, als er noch annahm, daß man sie freisprechen und sie in der Stadt bleiben würde, hatte er geschwankt, wie er sich gegen sie verhalten solle – es war nicht eben leicht, dieses Verhalten festzustellen. Die Aussicht auf Zwangsarbeit, auf Sibirien, vernichtete mit einem Schlage jede Möglichkeit, sich mit ihr irgendwie glimpflich abzufinden: der angeschossene Vogel sollte nicht aufhören, in der Jagdtasche zu zappeln und daran zu erinnern, daß er immer noch lebe.

      24

      Die Vermutungen, die Peter Gerassimowitsch geäußert hatte, erwiesen sich als richtig.

      Als der Vorsitzende aus dem Beratungszimmer zurückkehrte, nahm er das Schriftstück und las:

      »Am 28. April 18.. hat, laut Ukas Seiner Majestät des Kaisers, die Kriminalabteilung des Bezirksgerichts auf Grund der Entscheidung der Herren Geschworenen unter Zugrundelegung von § 3 Art. 771, § 3 Art. 766 und Art. 777 der Strafprozessordnung erkannt: den Bauer Simon Kartinkin, 33 Jahre alt, und die Kleinbürgerin Jekaterina Maslowa, 27 Jahre alt, unter Aberkennung aller bürgerlichen Rechte zu Zwangsarbeit zu verurteilen, und zwar den Kartinkin auf acht, die Maslowa aber auf vier Jahre, beide mit den Folgen laut Artikel 25 des Strafgesetzbuches.

      »Die Kleinbürgerin Euphemia Botschkowa, 43 Jahre alt, unter Aberkennung aller besonderen, ihr persönlich oder von Standes wegen zustehenden Rechte und Privilegien, für die Zeitdauer von drei Jahren ins Gefängnis einzuschließen, mit den Folgen laut Artikel 49 des Strafgesetzbuches.

      »Die in dem Prozeß entstandenen Gerichtskosten sind den Verurteilten zu gleichen Teilen, im Falle der Zahlungsunfähigkeit aber der Staatskasse aufzuerlegen.

      »Die Beweisstücke im vorliegenden Prozeß sind zu veräußern, der Fingerring ist zurückzugeben, die Gläser sind zu vernichten.«

      Kartinkin stand ganz so wie bisher da, in straffer Haltung, die Hände mit den gespreizten Fingern an den Hosennähten, während seine Backenmuskeln unaufhörlich arbeiteten. Die Botschkowa schien vollkommen ruhig. Die Maslowa wurde, als sie das Urteil vernahm, purpurrot im Gesicht.

      »Ich bin unschuldig, unschuldig!« schrie sie plötzlich über den Saal hin. »Das ist Sünde! Ich bin unschuldig! Ich habe es nie gewollt, nie daran gedacht. Ich sage die Wahrheit, die Wahrheit! ...« Und indem sie auf die Bank niedersank, brach sie in lautes Schluchzen aus.

      Als Kartinkin und die Botschkowa bereits hinausgegangen waren, saß sie immer noch auf ihrem Platze und weinte, so daß der Gendarm sie am Ärmel des Schlafrocks ziehen mußte.

      »Nein, das kann unmöglich so bleiben,« sagte sich Nechljudow, der das häßliche Gefühl, das er soeben noch gehabt, ganz vergessen hatte und ohne zu wissen, weshalb, in den Korridor eilte, um die Verurteilte noch einmal zu sehen. In der Tür drängten sich lebhaft die Geschworenen und Advokaten, die zum Saal hinausströmten und zufrieden waren, daß alles vorüber war. Nechljudow war hier, am Ausgang, ein paar Minuten zurückgehalten worden, und als er in den Korridor kam, war die Maslowa schon ein ganzes Stück entfernt. Mit raschen Schritten, ohne darauf zu achten, daß seine Hast Aufmerksamkeit erregen mußte, holte er sie ein, lief ein Stückchen voraus und blieb dann stehen. Sie hatte bereits aufgehört zu weinen und ließ nur noch von Zeit zu Zeit ein Schluchzen hören. Vom Weinen war ihr Gesicht mit roten Flecken bedeckt – sie trocknete es mit dem Zipfel ihres Kopftuches ab und schritt, ohne aufzublicken, an Nechljudow vorüber. Er ließ sie vorbeigehen und kehrte dann rasch zurück, um noch einmal den Vorsitzenden zu sehen. Der Vorsitzende war bereits fort, und erst im Portierzimmer holte ihn Nechljudow ein.

      »Herr Vorsitzender,« sagte Nechljudow, sich ihm gerade in dem Augenblick nähernd, als er seinen hellen Paletot anzog und aus der Hand des Portiers seinen Stock mit dem silbernen Knopf entgegennahm – »dürfte ich mit Ihnen ein paar Worte über den Prozeß sprechen, der soeben entschieden wurde? Ich war als Geschworener dabei.«

      »Ja, gewiß, Fürst Nechljudow! Sehr angenehm – wir sind uns schon begegnet,« sagte der Vorsitzende, während er Nechljudow die Hand drückte und sich mit Vergnügen daran erinnerte, wie flott und lustig er an jenem Abend, als er mit Nechljudow zusammen gewesen, sich im Tanze geschwungen – weit flotter als alle die jungen Leute. »Womit kann ich Ihnen dienen?«

      »Es liegt da ein Missverständnis vor, in der Antwort betreffs der Maslowa. Sie ist an der Vergiftung unschuldig, und gleichwohl hat man sie zu Zwangsarbeit verurteilt,« sagte Nechljudow mit düsterer Miene, doch dabei reserviert.

      »Der Gerichtshof hat auf Grund der Fragebeantwortung, die Sie abgaben, Beschluss gefaßt,« entgegnete der Vorsitzende, während er auf die Ausgangstür zuschritt – »obschon die Antworten auch nach Ansicht des Gerichtshofes nicht dem Tatbestand zu entsprechen schienen.«

      Er erinnerte sich, daß er den Geschworenen hatte auseinandersetzen wollen, ihre Antwort: »ja – sie ist schuldig« – bedeute ohne Verneinung der Vorsätzlichkeit die Annahme der vorsätzlichen Tötung, daß er jedoch, um die Verhandlung nur rasch zum Abschluss zu bringen, diese Belehrung unterlassen habe.

      »Und läßt sich dieser Irrtum nicht wieder gutmachen?«

      »Ein Kassationsgrund ist leicht gefunden. Man müßte sich freilich an die Advokaten wenden,« sagte der Vorsitzende, während er seinen Hut ein wenig schief aufsetzte und weiter dem Ausgang zustrebte.

      »Aber das ist ja furchtbar!«

      »Jetzt bleiben der Maslowa eben nur zwei Möglichkeiten, sehen Sie,« sagte der Vorsitzende, die beiden Hälften seines Backenbarts über den Paletotkragen legend. Er wollte offenbar Nechljudow gegenüber möglichst zuvorkommend und höflich sein und fragte, ihn leicht unterfassend: »Sie gehen doch gleichfalls, wie?«

      »Ja,« sagte Nechljudow, zog sich rasch an und ging mit ihm.

      Sie traten in den hellen Sonnenschein hinaus. In dem Wagengerassel, das auf der Straße herrschte, mußten sie lauter sprechen.

      »Die Situation ist, wenn ich so sagen darf, etwas verzwickt,« fuhr der Vorsitzende fort. »Es gab für die Verurteilung der Maslowa nur zwei Möglichkeiten: entweder ging sie fast ganz frei aus, bekam vielleicht eine kleine Gefängnisstrafe, auf die ihr auch noch die Untersuchungshaft angerechnet werden konnte, möglicherweise wäre es auch nur Haft geworden – oder es gab eben Zwangsarbeit, ein Mittelweg existiert nicht. Wären die Worte: »ohne Vorsatz der Tötung« hinzugefügt worden, dann wäre ohne weiteres ihre Freisprechung erfolgt.«

      »Ich habe unverzeihlicherweise übersehen, daß diese Worte ausfielen,« sagte Nechljudow.

      »Ja,


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