Die Elixiere des Teufels. E.T.A. Hoffmann

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Die Elixiere des Teufels - E.T.A. Hoffmann


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waren es aber die mannigfachen Bücher, welche er mir in die Hände gab, sowie seine Gespräche, die meinen Geist auf besondere Weise ausbildeten. Beinahe die ganze Zeit, welche meine Studien im Seminar mir übrig ließen, brachte ich im Kapuzinerkloster zu, und ich spürte, wie immer mehr meine Neigung zunahm, mich einkleiden zu lassen. Ich eröffnete dem Prior meinen Wunsch; ohne mich indessen gerade davon abbringen zu wollen, riet er mir, wenigstens noch ein paar Jahre zu warten und unter der Zeit mich mehr als bisher in der Welt umzusehen. So wenig es mir indessen an anderer Bekanntschaft fehlte, die ich mir vorzüglich durch den bischöflichen Konzertmeister, welcher mich in der Musik unterrichtete, erworben, so fühlte ich mich doch in jeder Gesellschaft und vorzüglich, wenn Frauenzimmer zugegen waren, auf unangenehme Weise befangen, und dies sowie überhaupt der Hang zum kontemplativen Leben schien meinen innern Beruf zum Kloster zu entscheiden. –

      Einst hatte der Prior viel Merkwürdiges mit mir gesprochen über das profane Leben; er war eingedrungen in die schlüpfrigsten Materien, die er aber mit seiner gewöhnlichen Leichtigkeit und Anmut des Ausdrucks zu behandeln wußte, so daß er, alles nur im mindesten Anstößige vermeidend, doch immer auf den rechten Fleck traf. Er nahm endlich meine Hand, sah mir scharf ins Auge und frug, ob ich noch unschuldig sei. – Ich fühlte mich erglühen, denn indem Leonardus mich so verfänglich frug, sprang ein Bild in den lebendigsten Farben hervor, welches so lange ganz von mir gewichen. – Der Konzertmeister hatte eine Schwester, welche gerade nicht schön genannt zu werden verdiente, aber doch, in der höchsten Blüte stehend, ein überaus reizendes Mädchen war. Vorzüglich zeichnete sie ein im reinsten Ebenmaß geformter Wuchs aus; sie hatte die schönsten Arme, den schönsten Busen in Form und Kolorit, den man nur sehen kann. – Eines Morgens, als ich zum Konzertmeister gehen wollte meines Unterrichts halber, überraschte ich die Schwester im leichten Morgenanzuge, mit beinahe ganz entblößter Brust; schnell warf sie zwar das Tuch über, aber doch schon zu viel hatten meine gierigen Blicke erhascht, ich konnte kein Wort sprechen, nie gekannte Gefühle regten sich stürmisch in mir und trieben das glühende Blut durch die Adern, daß hörbar meine Pulse schlugen. Meine Brust war krampfhaft zusammengepreßt und wollte zerspringen, ein leiser Seufzer machte mir endlich Luft. Dadurch, daß das Mädchen ganz unbefangen auf mich zukam, mich bei der Hand faßte und trug, was mir dann wäre, wurde das Übel wieder Ärger, und es war ein Glück, daß der Konzertmeister in die Stube trat und mich von der Qual erlöste. Nie hatte ich indessen solche falsche Akkorde gegriffen, nie so im Gesang detoniert, als dasmal. Fromm genug war ich, um später das Ganze für eine böse Anfechtung des Teufels zu halten, und ich pries mich nach kurzer Zeit recht glücklich, den bösen Feind durch die asketischen Übungen, die ich unternahm, aus dem Felde geschlagen zu haben. Jetzt bei der verfänglichen Frage des Priors sah ich des Konzertmeisters Schwester mit entblößtem Busen vor mir stehen, ich fühlte den warmen Hauch ihres Atems, den Druck ihrer Hand – meine innere Angst stieg mit jedem Momente. Leonardus sah mich mit einem gewissen ironischen Lächeln an, vor dem ich erbebte. Ich konnte seinen Blick nicht ertragen, ich schlug die Augen nieder, da klopfte mich der Prior auf die glühenden Wangen und sprach: »Ich sehe, mein Sohn, daß Sie mich gefaßt haben, und daß es noch gut mit Ihnen steht, der Herr bewahre Sie vor der Verführung der Welt; die Genüsse, die sie Ihnen darbietet, sind von kurzer Dauer, und man kann wohl behaupten, daß ein Fluch darauf ruhe, da in dem unbeschreiblichen Ekel, in der vollkommenen Erschlaffung, in der Stumpfheit für alles Höhere, die sie hervorbringen, das bessere geistige Prinzip des Menschen untergeht.« – So sehr ich mich mühte, die Frage des Priors und das Bild, welches dadurch hervorgerufen wurde, zu vergessen, so wollte es mir doch durchaus nicht gelingen, und war es mir erst geglückt, in Gegenwart jenes Mädchens unbefangen zu sein, so scheute ich doch wieder jetzt mehr als jemals ihren Anblick, da mich schon bei dem Gedanken an sie eine Beklommenheit, eine innere Unruhe überfiel, die mir um so gefährlicher schien, als zugleich eine unbekannte wundervolle Sehnsucht und mit ihr eine Lüsternheit sich regte, die wohl sündlich sein mochte. Ein Abend sollte diesen zweifelhaften Zustand entscheiden. Der Konzertmeister hatte mich, wie er manchmal zu tun pflegte, zu einer musikalischen Unterhaltung, die er mit einigen Freunden veranstaltet, eingeladen. Außer seiner Schwester waren noch mehrere Frauenzimmer zugegen, und dieses steigerte die Befangenheit, die mir schon bei der Schwester allein den Atem versetzte. Sie war sehr reizend gekleidet, sie kam mir schöner als je vor, es war, als zöge mich eine unsichtbare unwiderstehliche Gewalt zu ihr hin, und so kam es denn, daß ich, ohne selbst zu wissen wie, mich immer ihr nahe befand, jeden ihrer Blicke, jedes ihrer Worte begierig aufhaschte, ja mich so an sie drängte, daß wenigstens ihr Kleid im Vorbeistreifen mich berühren mußte, welches mich mit innerer, nie gefühlter Lust erfüllte. Sie schien es zu bemerken und Wohlgefallen daran zu finden; zuweilen war es mir, als müßte ich sie wie in toller Liebeswut an mich reißen und inbrünstig an mich drücken! – Sie hatte lange neben dem Flügel gesessen, endlich stand sie auf und ließ auf dem Stuhl einen ihrer Handschuhe liegen, den ergriff ich und drückte ihn im Wahnsinn heftig an den Mund! – Das sah eins von den Frauenzimmern, die ging zu des Konzertmeisters Schwester und flüsterte ihr etwas ins Ohr, nun schauten sie beide auf mich und kicherten und lachten höhnisch! – Ich war wie vernichtet, ein Eisstrom goß sich durch mein Inneres – besinnungslos stürzte ich fort ins Kollegium – in meine Zelle. Ich warf mich wie in toller Verzweiflung auf den Fußboden – glühende Tränen quollen mir aus den Augen, ich verwünschte – ich verfluchte das Mädchen – mich selbst – dann betete ich wieder und lachte dazwischen wie ein Wahnsinniger! Überall erklangen um mich Stimmen, die mich verspotteten, verhöhnten; ich war im Begriff, mich durch das Fenster zu stürzen, zum Glück verhinderten mich die Eisenstäbe daran, mein Zustand war in der Tat entsetzlich. Erst als der Morgen anbrach, wurde ich ruhiger, aber fest war ich entschlossen, sie niemals mehr zu sehen und überhaupt der Welt zu entsagen. Klarer als jemals stand der Beruf zum eingezogenen Klosterleben, von dem mich keine Versuchung mehr ablenken sollte, vor meiner Seele. Sowie ich nur von den gewöhnlichen Studien loskommen konnte, eilte ich zu dem Prior in das Kapuzinerkloster und eröffnete ihm, wie ich nun entschlossen sei, mein Noviziat anzutreten, und auch schon meiner Mutter sowie der Fürstin Nachricht davon gegeben habe. Leonardus schien über meinen plötzlichen Eifer verwundert; ohne in mich zu dringen, suchte er doch auf diese und jene Weise zu erforschen, was mich wohl darauf gebracht haben könne, nun mit einemmal auf meine Einweihung zum Klosterleben zu bestehen, denn er ahndete wohl, daß ein besonderes Ereignis mir den Impuls dazu gegeben haben müsse. Eine innere Scham, die ich nicht zu überwinden vermochte, hielt mich zurück, ihm die Wahrheit zu sagen, dagegen erzählte ich ihm mit dem Feuer der Exaltation, das noch in mir glühte, die wunderbaren Begebenheiten meiner Kinderjahre, welche alle auf meine Bestimmung zum Klosterleben hindeuteten. Leonardus hörte mich ruhig an, und ohne gerade gegen meine Visionen Zweifel vorzubringen, schien er doch sie nicht sonderlich zu beachten, er äußerte vielmehr, wie das alles noch sehr wenig für die Echtheit meines Berufs spräche, da eben hier eine Illusion sehr möglich sei. Überhaupt pflegte Leonardus nicht gern von den Visionen der Heiligen, ja selbst von den Wundern der ersten Verkündiger des Christentums zu sprechen, und es gab Augenblicke, in denen ich in Versuchung geriet, ihn für einen heimlichen Zweifler zu halten. Einst erdreistete ich mich, um ihn zu irgend einer bestimmten Äußerung zu nötigen, von den Verächtern des katholischen Glaubens zu sprechen und vorzüglich auf diejenigen zu schmälen, die im kindischen Übermute alles Übersinnliche mit dem heillosen Schimpfworte des Aberglaubens abfertigten. Leonardus sprach sanft lächelnd: »Mein Sohn, der Unglaube ist der ärgste Aberglaube«, und fing ein anderes Gespräch von fremden gleichgültigen Dingen an. Erst später durfte ich eingehen in seine herrliche Gedanken über den mystischen Teil unserer Religion, der die geheimnisvolle Verbindung unsers geistigen Prinzips mit höheren Wesen in sich schließt, und mußte mir denn wohl gestehen, daß Leonardus die Mitteilung alles des Sublimen, das aus seinem Innersten sich ergoß, mit Recht nur für die höchste Weihe seiner Schüler aufsparte. –

      Meine Mutter schrieb mir, wie sie es längst geahnet, daß der weltgeistliche Stand mir nicht genügen, sondern daß ich das Klosterleben erwählen werde. Am Medardustage sei ihr der alte Pilgersmann aus der heiligen Linde erschienen und habe mich im Ordenskleide der Kapuziner an der Hand geführt. Auch die Fürstin war mit meinem Vorhaben ganz einverstanden. Beide sah ich noch einmal vor meiner Einkleidung, welche, da mir, meinem innigsten Wunsche gemäß, die Hälfte des Noviziats erlassen wurde, sehr bald erfolgte. Ich nahm auf Veranlassung der Vision meiner Mutter den Klosternamen Medardus an. –

      Das


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