Kleine Erzählungen und Nachgelassene Schriften 1. Gerstäcker Friedrich

Читать онлайн книгу.

Kleine Erzählungen und Nachgelassene Schriften 1 - Gerstäcker Friedrich


Скачать книгу
sah er eigentlich nicht aus – schon die schwarzen, gelockten Haare sprachen dagegen – weit eher wie ein Italiener oder Spanier; er hatte auch außerordentlich weiße und zarte Hände, und in der seidenen feuerrothen Cravatte funkelte ein prachtvoller Diamant. Ohne eine Antwort abzuwarten, schritt aber der Fremde der bezeichneten Stelle zu, und es war in der That ein wundervoller Platz, wie man ihn sich nicht reizender hätte aussuchen können.

      Voll und klar stand der Mond am blauen, sternbesäeten Himmel; nur hier und da zogen lichte und durchsichtige Wolkenschleier darüber hin und warfen für Momente einen Halbschatten auf die Erde. Ueber ihnen wölbte sich das breite Dach des Kastanienbaumes – vor ihnen lenkte sich allmälig der leise ablaufende Hang dem kleinen Strom entgegen, unfern von dem, aus eingeschlossenen Mauern hervor, die weißen Dämpfe der dort zum Abkühlen gesammelten /19/ heißen Quelle stiegen. – Drunten im Thal aber und drüben auf dem andern Ufer der Lahn blitzten die Lichter der zahllosen Hotels, und von dort her tönte auch noch die rauschende Melodie eines lustigen Galopps, zu der sich die geputzten Paare auf dem Parket des Saales im Kreise schwenkten. Still und majestätisch aber lagen dahinter die mondbeschienenen und dicht bewaldeten Hänge der Berge, und stiller, heiliger Frieden ruhte über dem ganzen Bilde.

      Der Fremde schien die prachtvolle Scenerie selber mit Wohlgefallen zu betrachten. Er warf sich auf das weiche Laub nieder, und den rechten Ellbogen auf den Boden stützend, sagte er:

      „Allerliebste Gegend hier – und so kühl und frisch heut Abend. Bitte, Herr Lerche, nehmen Sie Platz, und nun erzählen Sie mir einmal, was Sie eigentlich zu einem Schritt getrieben, den Ihr Menschen doch nur einmal im Leben wagen könnt, während Ihr dabei völlig und unrettbar in das Dunkel einer geheimnißvollen Zukunft hinausspringt. – Merkwürdig – nicht einmal ein unvernünftiges Pferd springt über eine Bretterwand, wenn es nicht sehen kann, wo es drüben im Stande ist, die Füße hinzusetzen.“

      „Und weshalb nehmen Sie ein solches Interesse an mir?“ sagte Lerche düster, indem er aber doch der Einladung Folge leistete und sich neben dem Fremden auf das wie aufgeschüttete Laub niederwarf.

      „Werden Sie nicht langweilig,“ erwiderte der Fremde – „woher vermuthen Sie, daß ich überhaupt Interesse an Ihnen nehme? Ich will nur sehen, ob Sie sich hier aus der Welt nicht noch nützlich machen können – wäre das nicht der Fall, so würde ich Sie nicht weiter belästigen. Also erzählen Sie frisch von der Leber weg; es ist noch früh, und Sie haben übrig Zeit.“

      „Aber,“ sagte Lerche.– „wenn ich mich einem vollkommen Fremden anvertrauen soll, so muß ich doch wenigstens im Ernst wissen, mit wem ich es zu thun habe. Wer sind Sie? Wie heißen Sie?“

      „Wer ich bin, habe ich Ihnen schon vorhin gesagt. Wie ich heiße? Ihre Nation hat zahllose Namen für mich – /20/ manche sogar beleidigender Art, wenn mich die kindliche Einfalt derartiger Menschen überhaupt beleidigen könnte.“

      „Sie treiben Ihren Scherz mir mir,“ sagte Lerche – „Ihr gutes Herz verleitet Sie, einem Unglücklichen zu helfen, ohne ihn zu Dank verpflichten zu wollen.“

      „Mein gutes Herz?“ lachte der Fremde jetzt wirklich grell und unheimlich auf. – „Das ist vortrefflich, Herr Lerche, ich fange wirklich an zu glauben, daß Sie ein Dichter sind, denn Sie haben Phantasie. Mir ist schon viel im Leben nachgesagt, aber ein gutes Herz – hahahaha – das ist in der That äußerst komisch! Aber bitte, beginnen Sie. – Mit wem Sie es zu thun haben, wissen Sie jetzt. Doch geniren Sie sich nicht. Neues können Sie mir nicht berichten, denn im Leben der Menschen wiederholen sich ja derartige Dinge, und nur von Ihrem sechzehnten Jahre fangen Sie an – die Kindergeschichten brauche ich nicht zu wissen. Wer war Ihr Vater?“

      „Ein Weinhändler,“ sagte Lerche, der sich doch nicht recht behaglich fühlte – aber es mußte ein Engländer sein, denn ein anderer Mensch wäre gar nicht auf den Gedanken gerathen, sich direct für den Teufel auszugeben.

      „Ein Weinhändler! – hm – das ist gut,“ nickte sein Nachbar zufrieden – „und zu welchem Lebensberuf wurden Sie bestimmt?“

      „Ich sollte demselben Geschäft folgen,“ sagte Lerche – „hatte aber keinen besondern Trieb dazu. Der harten Arbeit als Küper war mein schwächlicher Körper nicht gewachsen – ich fühlte immer einen Hang zur Poesie und ging frühzeitig zum Theater.“

      „Sehr gut,“ nickte der Teufel – „aber damit ging es nicht.“

      „Nein,“ sagte Lerche zögernd – „Intriguen und Chicanen wurden gegen mich gesponnen.“

      „Natürlich,“ lächelte sein Nachbar – „Sie finden nie einen schlechten Schauspieler, gegen den nicht die bösartigsten Intriguen angezettelt werden.“

      „Aber ich war kein schlechter Schauspieler,“ fuhr Lerche auf.

      /21/ „Bitte, fahren Sie fort,“ nickte der Andere. „Sie verließen die Bühne, weil der schlechte Geschmack des Publikums Ihre Verdienste nicht zu würdigen wußte, und gingen – ?“

      „Nach Amerika –“

      „Caramba,“ sagte der Fremde wieder – „das ist weit! Aber es gefiel Ihnen auch dort nicht?“

      „Nein – das materielle Volk da drüben hat keinen Sinn für Poesie – in der That keinen andern Gedanken, als immer nur Geld – Geld – Geld. – Wenn ich hätte mit Spitzhacke und Schaufel arbeiten wollen –“

      „Aber das wollten Sie nicht!“

      „Nein, es drängte mich nach Deutschland zurück –“

      „Sie borgten das Geld zur Ueberfahrt –“

      Herr Lerche sah ihn überrascht an. – „Es blieb mir nichts Anderes übrig,“ sagte er.

      „Selbstverständlich,“ nickte der Fremde.

      „Hier in Deutschland warf ich mich auf die Schriftstellerei,“ fuhr Lerche fort, dem der Gegenstand unangenehm sein mochte, „aber der Teufel soll die Buchhändler holen!“

      „Bitte!“ sagte der Fremde.

      „Es ist nichts als Protection, Schwindel oder Betrug. – Ich habe Romane geschrieben, bei denen mir selber die Haare zu Berge stiegen – Gedichte, die ich vorgelesen und bei denen mich die Zuhörer zuletzt um Gottes willen baten, aufzuhören, weil ihre Nerven zu sehr angegriffen wurden und sie die Thränen nicht mehr zurückhalten konnten – umsonst, ich fand keinen Verleger. – Dann warf ich mich auf die dramatische Kunst – ich schrieb Dramen, die von einer ergreifenden Wirkung hätten sein müssen, wenn ich eine einzige Direction gefunden, die sie aufgeführt – Operntexte – Alles vergebens – ich wurde der Verzweiflung preisgegeben.“

      „Und wovon lebten Sie die ganze Zeit?“ frug der Fremde.

      „Ich – suchte mich so ehrlich als möglich durchzubringen –“

      „Natürlich durch weitere Schulden –“

      „Ich mußte allerdings Gelder aufnehmen,“ sagte wieder zögernd Herr Lerche – „ich – konnte nicht verhungern.“

      /22/ „Hm – ich weiß jetzt genug,“ sagte der Fremde trocken, „und es bleibt mir noch übrig, Sie um Auskunft zu bitten, was Sie zu diesem letzten verzweifelten Schritt getrieben?“

      „Mein Unglück ist bald erzählt,“ sagte Herr Lerche. „Ich hatte einen Band meiner besten Gedichte zusammengestellt – den Extract meiner Poesie, wenn ich es so nennen könnte – eine 59er Auslese Cabinetswein – der Buchhändler wollte mir kein Honorar geben, verstand sich aber dazu, den Band in Commission zu verlegen und hübsch auszustatten. – Jahre vergingen – ich schrieb endlich an den Geldmenschen und bat ihn um Abrechnung – die Abrechnung kam. Sie enthielt auf der einen Seite den genauen Kostenüberschlag für Druck, Papier, Buchbinder, Insertionsgebühren, auf der andern Seite den Absatz – es blieben noch sechs Gulden Saldo zu seinen Gunsten.“

      „Das war kein brillantes Geschäft,“ sagte achselzuckend der Fremde.

      „Nein,“ fuhr Lerche


Скачать книгу