Erzählungen aus 1001 Nacht - 1. Band. Anonym
Читать онлайн книгу.und er stellte mich hin wie einen Flehenden. Und als Sulayman mich sah, empfahl er sich Allah und hieß mich den wahren Glauben annehmen und seinen Befehlen gehorchen; ich aber weigerte mich; da schickte er nach dieser Flasche und schloß mich darin ein und versiegelte sie mit Blei, in das er den höchsten Namen preßte, und gab den Dschann Befehl, mich fortzutragen und mich mitten in den Ozean zu werfen. Dort lag ich hundert Jahre, derweilen ich in meinem Herzen sagte: Wer immer mich befreit, den will ich auf ewig und ewig reich machen. Aber das ganze Jahrhundert verstrich, und als mich niemand befreite, trat ich das zweite Jahrhundert an und sagte: Wer immer mich erlöst, dem will ich die Schätze der Erde öffnen. Aber wieder befreite mich niemand, und so verstrichen vierhundert Jahre. Da sprach ich: Wer immer mich erlöst, dem will ich drei Wünsche erfüllen. Aber niemand befreite mich. Da wurde ich zornig in äußerstem Zorn und sprach zu mir selber: Wer mich hinfort noch erlöst, den will ich erschlagen, und ich will ihm die Wahl geben, welchen Todes er sterben will: und da nun also du mich erlöst hast, so gebe ich dir die freie Wahl deiner Todesart.‹ Als der Fischer diese Worte des Ifriten hörte, sagte er: ›O Allah! welch Wunder, daß ich erst jetzt zu deiner Befreiung kam!‹ und er fügte hinzu: ›Schone mein Leben, so Allah deines schonen soll; und erschlage mich nicht, daß nicht Allah einen entsende, um dich zu erschlagen.‹ Da erwiderte der Empörer: ›Es hilft nichts; sterben mußt du; so erbitte dir als eine Gnade die Todesart, auf die du sterben willst.‹ Aber trotz dieser Versicherung wandte der Fischer sich nochmals an den Ifriten: ›Erlaß mir diesen meinen Tod zum Lohne dafür, daß ich dich befreite‹; und der Ifrit: ›Wahrlich, einzig gerade um dieser Befreiung willen erschlage ich dich.‹ ›O Haupt der Ifriten,‹ sagte der Fischer, ›ich tue dir Gutes, und du vergiltst mir mit Bösem!‹ Wahrlich, der alte Spruch lügt nicht, wenn er sagt:
Wir taten wohl, man lohnte es uns schlecht – Das ist, beim Leben, des Bösen Gang:
Wer Wichten Wohltat tut – Hat Ummi-Amirs Dank.
Als nun der Ifrit diese Worte hörte, erwiderte er: ›Schwätze nicht länger, ich muß dich töten.‹ Da sprach der Fischer bei sich selber: ›Dies ist ein Dschinni, und ich bin ein Mensch, dem Allah einige Schlauheit und Witz verlieh; so will ich mich umtun, durch meine Erfindung und meine Klugheit sein Verderben zustande zu bringen, genau wie er sich von seiner Bosheit und seiner Tücke leiten ließ.‹ Er begann und fragte: ›Bist du wirklich entschlossen, mich zu töten?‹ und als er zur Antwort erhielt: ›Gewißlich,‹ rief er aus: ›Im allerhöchsten Namen denn, eingegraben in den Siegelring Sulaymans, des Sohnes Davids (Friede sei mit den heiligen beiden!), wenn ich dich über etwas befrage, willst du mir eine wahrhaftige Antwort geben?‹ Der Ifrit erwiderte: ›Ja‹, aber da er den höchsten Namen erwähnen hörte, verwirrte sich ihm der Verstand, und er sagte zitternd: ›Frag, und sei kurz.‹ Sprach der Fischer: ›Wie paßtest du in diese Flasche, die deine Hand nicht fassen kann; nein, noch auch deinen Fuß; und wie konnte sie groß genug sein, dich ganz zu bergen?‹ Erwiderte der Ifrit: ›Was! Glaubst du nicht, daß ich darin war?‹ Und der Fischer versetzte: ›Nein, nie werde ich es glauben, bis ich dich mit eigenen Augen darin sah.‹ – –«
Und Schahrazad bemerkte das Grauen des Tages und hielt inne in der verstatteten Rede. Als aber die Vierte Nacht da war, sagte ihre Schwester zu ihr: »Erzähle uns doch die Geschichte zu Ende, wenn du nicht schläfrig bist!« und so fuhr sie fort: »Ich habe gehört, o glücklicher König, als der Fischer zu dem Ifriten sagte: ›Nie und nimmer will ich dir glauben, bis ich dich mit meinen eigenen Augen darinnen sehe‹; da schüttelte sich der böse Geist und wurde ein Rauch, der sich verdichtete und langsam, langsam in die Flasche zog, bis er ganz darin war; und siehe, da verstopfte der Fischer in heller Hast den Hals der Flasche mit der Bleikapsel, die das Siegel trug, und rief den Ifriten an und sprach: ›Sag mir, als eine Gnade, auf welche Todesart du sterben willst! Bei Allah, ich will dich ins Meer hinauswerfen, und hier will ich eine Hütte bauen; und wer immer herkommt, den will ich warnen, daß er nicht fische, und will ihm sagen: Hier liegt ein Ifrit im Meer, der jedem, der ihn rettet, als letzte Gunst die Wahl der Todesart gewährt, und der Art, wie er ihn schlachte!‹ Als nun der Ifrit den Fischer also sprechen hörte und sich gefangen sah, wollte er entschlüpfen, aber Sulaymans Siegel hinderte ihn; da wußte er, daß der Fischer ihn geprellt und überlistet hatte, und er wurde demütig und unterwürfig und sagte flehend: ›Ich scherzte nur mit dir‹; aber der andere erwiderte: ›Du lügst, o schändlichster der Ifriten, gemeinster, schmutzigster!‹ und er lief mit der Flasche zum Meere. Rief der Ifrit: ›Nein, nein!‹ er aber rief: ›Doch, doch!‹ Und der böse Geist dämpfte die Stimme, glättete die Worte, demütigte sich und sprach: ›Was willst du mit mir tun, o Fischer?‹ ›Ich will dich wieder ins Meer werfen‹, versetzte er, ›wo du eintausendundachthundert Jahre herbergtest und haustest; und jetzt will ich dich darin lassen bis zum Tage des Gerichts. Sagte ich dir nicht: Schone mich, und Allah wird deiner schonen; erschlage mich nicht, auf daß Allah nicht dich erschlage? Aber du verschmähtest mein Flehen und wolltest nicht anders als schlimm an mir handeln; nun hat Allah dich in meine Hände gegeben, und ich bin listiger als du.‹ Sprach der Ifrit: ›Öffne mir, daß ich dir Gutes tue.‹ Sprach der Fischer: ›Du lügst, Verfluchter, ich und du, wir stehen wie der Vezier des Königs Yunan und der Weise Duban.‹ ›Und wer war der Vezier des Königs Yunan, und wer war der Weise Duban; und welches ist ihre Geschichte?‹ sprach der Ifrit, und der Fischer begann
Die Geschichte von dem Vezier und dem weisen Duban
Wisse, o du Ifrit, in alten Zeiten und längst verschollenen Vergangenheiten herrschte ein König namens Yunan über die Stadt Fars im Lande Roum. Er war ein mächtiger und reicher Herrscher, und er hatte Heere und Wachen und Verbündete aus allen Nationen der Menschen; aber sein Leib war mit einem Aussatz behaftet, den weder Ärzte noch Männer der Wissenschaft zu heilen vermochten. Er trank Heiltränke und schluckte Pulver und brauchte Salben, aber nichts half ihm, und keiner unter der Schar der Ärzte konnte ihm ein Mittel sagen. Schließlich kam in seine Stadt ein gewaltiger Heiler der Menschen, ein hochbegabter Mann, der Weise Duban. Dieser Greis war belesen in Büchern, griechischen, persischen, römischen, arabischen und syrischen; und er war erfahren in der Astronomie und Heilkunst, in der Wissenschaft sowohl wie in der Ausübung; er kannte alles, was dem Leibe hilft und schadet; er war vertraut mit allen Kräften jeder Pflanze, der Gräser und Kräuter, und mit ihrem Saft und Gift; und er verstand die Philosophie, und er hatte den ganzen Bereich der ärztlichen Wissenschaft und aller anderen Zweige am Baume des Wissens durchforscht. Nun hatte dieser Arzt nur wenige Tage erst in der Stadt verbracht, so hörte er von des Königs Krankheit und allem, was er durch den Aussatz zu leiden hatte, mit dem Allah ihn schlug; und wie all die Ärzte und Weisen ihn nicht hatten heilen können. Da blieb Duban die Nacht in tiefen Gedanken sitzen, und als es dämmerte und der Morgen kam und das Licht von neuem geboren wurde und die Sonne den Guten grüßte, dessen Schönheiten die Erde zieren, da zog er sein stattlichstes Kleid an und ging zum König Yunan und küßte vor ihm den Boden; dann betete er in schönster Rede um die Dauer seiner Ehre und seines Glücks und gab sich zu erkennen und sprach: ›O König, ich vernahm von dem, was dich durch das befiel, was in dir ist; und wie sich die Schar der Ärzte unvermögend zeigte, es zu bekämpfen; und siehe, ich kann dich heilen, o König; und doch will ich dir keinen Trank zu trinken geben, noch dich mit einer Salbe salben.‹ Als nun der König Yunan diese Worte hörte, sagte er in großem Staunen: ›Wie willst du das beginnen? Bei Allah, wenn du mich heilest, so will ich dich reich machen bis auf deine Kindeskinder, und ich will dir herrliche Geschenke geben; und was immer du wünschest, soll dein sein, und du sollst aus meinem Becher trinken und mein Freund sein.‹ Dann kleidete der König ihn in ein Ehrenkleid und behandelte ihn ehrfurchtsvoll und fragte: ›Kannst du mich wirklich ohne Trank und Salbe von diesem Leiden heilen?‹ und der Weise erwiderte: ›Ja, ich will dich ohne die Plage und Pein der Arzneien heilen.‹ Der König staunte in höchstem Staunen und sagte: ›O Arzt, wann soll dies sein, wovon du redest, und in wieviel Tagen soll es geschehen? Eile, mein Sohn!‹ Und er erwiderte: ›Ich höre und gehorche; die Heilung soll morgen beginnen.‹ Damit verließ er den König und mietete sich ein Haus in der Stadt, um seine Bücher und Schriften, seine Tränke und aromatischen Wurzeln hineinzutun. Dann machte er sich ans Werk, wählte die passendsten Tränke und Kräuter aus und stellte einen Schlegel her, der innen hohl war und außen einen