Der Schokoladenverkäufer. Petrus Faller
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Inhalt
Vorspiel
Mr. Booja-Booja
Money-Truffle
Die sagenhafte Geschichte von Mr. Booja-Booja
Den Hof machen
Venusbrüstchen
Pralinen-Andacht
Adonis-Naschwerk
Karma-Konfekt
Diesel-Praline
Der Schokoladenweg
Liebeskugeln
Meditation de Macaron
Ecstasy Balls
Der Meister-Trüffel
Mousse au fin
Anhang
Vorspiel
Das Leben ist eine verführerische, schicksalsschwangere Pralinenschachtel voller Drama und Überraschungen, bei der Frau oder Mann nicht so recht wissen, was sie darin erwartet bzw. was die Packung enthält, die man geschenkt bekommen hat. Die Aufmachung kann leicht täuschen und der Inhalt sowieso: Man denke nur an all die nicht deklarierten Zusatzstoffe! Aber, und das ist die vorweggenommene Botschaft dieses Buches, wissen wir – frei nach „Forest Gump“ – alle, dass wir nicht nur nicht wissen, was für eine Praline wir bekommen, sondern auch, dass kein einziger Schoko-Trüffel übrig bleiben wird.
Wie sich auch immer das süße, zart-bittere Drama des Lebens entfaltet, alle Pralinen müssen gegessen werden, wenn nicht beim Lesen dieses Buches oder in diesem Leben, dann im nächsten oder übernächsten. Die verschmähten Pralinen, die nicht gelebten Leben, die verdrängten Sünden und Gelüste werden uns immer wieder neu serviert, schön hergerichtet und verschwinden nicht. Ein Mindesthaltbarkeitsdatum tragen solche Pralinen übrigens nicht!
Auch von diesen seltsamen, ja oft skurrilen Pralinen erzählt dieses Buch, jedoch vor allem von neckischem Naschwerk wie zum Beispiel Energiebällchen, Venusbrüstchen, Liebeskugeln und Meister-Trüffeln. Es geht um Sünde, Sex und Sperma. Verbiegungen, Verführung und Verkauf. Kasse, Kundinnen, Karma und Komplimente. Und wieder um Sex, Bäume, Meditation und das Nirwana. Vielleicht nochmal um Sex, doch diesmal nach dem Yoga. Um alles eben, was eine gut aufgemachte Pralinenschachtel und ein durchschnittliches Leben als Schokoladenverkäufer ausmacht, und um all das, wovon Frau und Mann scheinbar nie genug bekommen. Der Schokoladenverkäufer würde das Ganze nach jahrzehntelangem Probieren und Studieren in dem Begriff „bitter-zartes Schokoladen-Kamasutra“ zusammenfassen.
Doch jede Pralinenschachtel hat ihr ganz eigenes Karma, ihre eigene Ordnung und Reihenfolge. Auch die seltsam aussehenden Pralinen, die meist zuerst liegen bleiben, die keiner haben will, deren Zutatenliste einen die Nase rümpfen lässt oder die scheinbar vom Himmel gefallen oder geradewegs aus der Hölle gekommen sind, die es eigentlich nicht geben kann und darf, werden letztlich gegessen werden müssen. Manche heimlich nachts mit unstillbarer Gier und Lust, andere nur zu ganz bestimmten Momenten und mit ganz bestimmten Menschen.
Meist liegen diese Außenseiter-Trüffel ganz rechts unten oder in der allerletzten Ecke der Schachtel und sehen irgendwie merkwürdig aus, obszön künstlich, viel zu dunkel oder auch zu perfekt, unheimlich oder einfach nur ungewöhnlich. Keiner will sie haben. Mach die Schachtel auf, mach sie wieder zu. Wird sie schmecken? Ist es das, was ich gerade jetzt brauche? Keiner weiß im Vorhinein, welche Füllung, welches Herz sie hat. Der erste Anschein kann trügen.
Für diese letzten Objekte der Begierde braucht es eine gewaltige Frustrationstoleranz, große Nüchternheit oder große Ernüchterungen, einen großen Moment, einen Impuls, um diese „vergessenen Pralinen“ vorurteilsfrei, tolerant und ungehemmt zu verschlingen.
Der Fluss der Schokolade ebbt nie ab und endet nicht – eine unbestrittene Tatsache, der unserem Schokoladenverkäufer so manches Trauma zu verdanken hat. Doch Schokolade geht immer! Vielleicht weil sie die einzige wahre Droge für unser Hormonsystem ist. Weil sie, wenn sie richtig serviert, dargereicht, hergestellt und vor allem wunderschön verpackt ist, sprich wenn sie „Booja-Booja“ ist, tatsächlich „Prasad“ ist.
Dann ist sie nicht der schnelle Fast-Food-Quickie, die obszöne Kassenware, die billig plattgewalzte Tafel oder die industriell gefertigte Frust-Kugel, die selbst bei 30 Grad im Schatten nicht schmelzen und zu den perfidesten Leugnern des Klimawandels zählen. Ja, wenn es tatsächlich Prasad ist, dann tut der Schokoladen-Trüffel einfach gut, beruhigt das Herz und lässt die Zeit stillstehen. Der Atem geht tiefer. Entspannung macht sich breit, ein neues Gefühl vollkommener Ruhe und anhaltender Befriedigung im nervenaufreibenden Getriebe des Lebens. Eine willkommene Pause, ein Liebesgefühl, ein Segen.
Schokolade spendet jedoch keinen Trost: das weiß jede Frau, die schon mal mehrere Packungen hintereinander in sich reingeschoben hat. Das ist wie schlechter Sex, auf den Frau oder Mann besser verzichtet hätten.
Schokolade ist die Speise der Götter. Und von daher eine der vielen Manifestationen, welche die Welt in ihrer süßen, weiblichen Seite in Erscheinung treten lässt. Und Frauen ohne exzellente Schokolade sind wie Männer ohne echte Freundschaft.
Der Schokoladenverkäufer, von dem dieses Buch handelt, hatte das große Glück, Frauen tatsächlich erleben und genießen zu dürfen, ihre Shakti, die Maya, die Dakini, ihre Schlangenkraft, die Kali, die große Verführerin, die alle Männer verwirrende, alles verschlingende Energie, die sich in einem unglaublichen Moment in der Zeit ihrem Ewigen Geliebten vollständig hingibt.
Mann darf keine Angst vor ihr haben, schon gar nicht als Verkäufer. Mann muss lernen, sie völlig zu umarmen und anzunehmen, so wie sie ist. In dieser Hinsicht ist dieses Buch auch ein Männerbuch, das Frauen ihren Männer schenken sollten. Ganz ähnlich, wie Frauen ihren geliebten Männern und Frauen Schokolade schenken, um sich dann trotzdem meist selbst die süßen Kugeln in den Mund zu schieben oder auf den Lippen der Geliebten zergehen zu lassen. Wer schon einmal bewusst einer Frau beim Schokoladengenuss zugesehen hat – ein süß-erregendes, immer wieder faszinierendes Eye-Candy – der weiß, was hingebungsvoller Genuss und Vergänglichkeit bedeuten. Ein gelebtes, umarmtes Leben. Ungeplant, berauschend, beglückend und mit einer großen Portion spielerischer Selbstdisziplin.
Übrigens: Gute Schokolade sollte man nie zerbeißen oder womöglich kauen, sondern ganz langsam im Mund dahinschmelzen lassen – bereits hier fängt die Disziplin an.
Der Schokoladenverkäufer hat auf seiner jahrzehntelangen Reise durch die Schokoladenwelt gelernt, dass die meisten Kunden Frauen sind. Ähnlich wie beim Yoga. Ein Thema, dass bei diesem Buch über Hüftgold, Bauch, Beine, Po und Süßkram natürlich nicht fehlen darf.
Doch wenn die fachlich fundierte und empirisch belegte Theorie des Schokoladenverkäufers, dass Schokolade das einzig wahre Yoga der Frau ist, was ist dann das wahre alltägliche Yoga des Mannes? Der Geliebten, dem Geliebten zu sagen, dass er sie liebt. Täglich. Immer. Das klingt vielleicht albern, ist aber eine ernste Tatsache, um die Mann nicht herumkommt, wenn diese Welt ihren dramatisch überhitzten Weg in Geist und Materie verändern will.
Da alles, was auf dieser Welt als sichtbare Manifestation in Erscheinung tritt, weiblich ist, Shakti ist, hört diese Liebe natürlich nicht bei der Partnerin oder dem Partner und ihrer Lieblingsschokolade auf. Die Verantwortung der sich „männlich“ manifestierenden Liebe von Mann und Frau ist viel größer, ja allumfassend.
In dieser Hinsicht ist das Endzeit-Dilemma dieser Welt, das hauptsächlich in der Psyche des Mannes begründet liegt, nicht, dass Männer scheinbar ihre Identität verloren haben, seit Jahrzehnten zuhauf billige Schokolade verschenken, sämtliche Regeln des guten Geschmacks verachten bzw. wieder als halbstarke Sandkasten-Rowdys das Weltgeschehen bestimmen oder Frauen die Männer verdrängen. Es ist der Mangel und die Weigerung des Mannes, wahre Liebe zu geben, zu teilen, sich zu verschenken, sich in den Dienst von allem zu stellen und das bedingungslos sowie objektlos. Ohne Machtanspruch, ohne Selbst-Glorifizierung, ohne Dagobert Ducks Geldspeicher, ohne Gesichtswahrung und in größter Demut.
Das selbstgemachte und vollkommen unnötige Endzeit-Drama basiert auf der Weigerung, nicht nur das zu lieben, was Mann scheinbar besitzen