Bel-Ami: Der Liebling. Guy de Maupassant

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Bel-Ami: Der Liebling - Guy de Maupassant


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zu stützen. Darin ist er großartig; er verdient Millionen durch Gesellschaften, die nicht vier Sous Kapital haben.«

      So ging es weiter, wobei er Duroy immer »Mein lieber Freund« nannte.

      »Und dabei hat dieser Geizhals Ausdrücke wie Balzac. Denken Sie, neulich war ich in seinem Arbeitszimmer, mit dem alten Narren de Norbert und diesem Don Quichotte Rival; da kommt Montelin, unser Verwalter, mit seiner Aktenmappe aus Saffianleder, die ganz Paris übrigens kennt. Walter hob die Nase und fragte: ‘Was gibt es Neues?’ Montelin erwiderte ganz harmlos: ‘Ich habe gerade die siebzehntausend Francs bezahlt, die wir dem Papierlieferanten schuldeten.’ Da sprang der Chef wütend in die Höhe:

      ‘Was sagten Sie?’

      ‘Ich habe eben Herrn Privas bezahlt.’

      ‘Sie sind wohl verrückt?’

      ‘Wieso?’

      ‘Wieso ... wieso ... wieso!’ Er nahm seine Brille ab und putzte die Gläser. Dann verzog er das Gesicht zu einem sonderbaren Lächeln, das jedesmal seine dicken Backen umspielt, wenn er ein boshaftes oder kräftiges Wort sagen will, und dann sagte er mit spöttischem, überzeugtem Ton: ,Wieso? Wir hätten darauf noch einen Rabatt von viertausend bis fünftausend Francs erzielen können!'

      Montelin entgegnete erstaunt: ‘Aber Herr Direktor, sämtliche Rechnungen waren in Ordnung. Sie waren von mir nachgeprüft und von Ihnen für richtig befunden.’

      Der Chef war wieder ernst geworden; er erklärte:

      ‘Nicht alle sind so naiv wie Sie. Merken Sie sich, Herr Montelin, man muß hohe Schulden stets anwachsen lassen, um sie nachher herunterhandeln zu können.’

      Saint-Potin setzte mit dem erhabenen Gesicht eines Kenners hinzu:

      »Na, ist das nicht der reine Balzac?«

      Duroy hatte nie Balzac gelesen, aber er antwortete mit Überzeugung: »Weiß der Teufel, ja.«

      Dann erzählte der Reporter über Madame Walter. Er nannte sie eine dumme Pute, Norbert de Varenne einen alten Narren und Rival eine Neuauflage von Fervacques.

      Endlich war er bei Forestier angelangt:

      »Was diesen Mann angeht, er hatte nur das Glück, seine Frau geheiratet zu haben. Das ist alles!«

      Duroy fragte:

      »Was ist eigentlich seine Frau?«

      Saint-Potin rieb sich die Hände: »Oh, ein ganz gerissenes und raffiniertes Weib! Sie ist die Mätresse eines alten Lebemannes namens Vaudrec, Graf de Vaudrec, der ihr eine Mitgift gegeben und sie verheiratet hat.«

      Duroy überfiel plötzlich ein Gefühl der inneren Kälte, eine Art Nervenkrampf; er hatte das Verlangen, diesen Schwätzer zu beschimpfen und zu ohrfeigen. Aber er unterbrach ihn einfach mit der Frage:

      »Ist Saint-Potin Ihr richtiger Name?«

      »Nein,« erwiderte der andere ruhig, »ich heiße Thomas. Für die Zeitung führe ich den Beinamen Saint-Potin.«

      Duroy beglich die Zeche und sagte:

      »Mir scheint, es ist spät geworden und wir haben noch die beiden hohen Herrschaften zu besuchen?«

      Saint-Potin begann zu lachen:

      »Sie sind noch sehr naiv. Glauben Sie denn wirklich, ich ginge zu diesem Chinesen und Inder fragen, was sie über England denken? Ich weiß es viel besser als sie, was sie für die Leser der Vie Française denken müssen. Ich habe schon gegen fünfhundert von diesen Chinesen, Persern, Indern, Chilenen, Japanern und dergleichen interviewt. Nach meiner Meinung antworten sie immer dasselbe. Ich brauche nur meinen Artikel vom letztenmal nachzusehen und ihn Wort für Wort abzuschreiben, es ändern sich nur ihr Aussehen, ihr Name, ihre Titel, ihr Alter, ihr Gefolge. Oh, dabei darf kein Irrtum unterlaufen, sonst würden mich der ‘Figaro’ oder der ‘Gaulois’ einfach festnageln. Doch wird mich der Portier des Hotels Bristol und Continental über alles das in fünf Minuten aufs genaueste aufgeklärt haben. Wir rauchen noch eine Zigarre und gehen dann zu Fuß hin. Und nachher berechnen wir der Zeitung hundert Sous Droschkenspesen. So machen's, mein Lieber, die praktischen Leute.«

      Duroy fragte: »Es muß sehr viel einbringen, unter solchen Bedingungen Reporter zu sein.«

      Der Journalist antwortete geheimnisvoll: »Jawohl, aber nichts bringt soviel ein wie die Lokalnachrichten wegen der verschleierten Reklame!«

      Sie standen auf und gingen den Boulevard herunter, der Madeleine zu. Plötzlich sagte Saint-Potin zu seinem Begleiter :

      »Wissen Sie, wenn Sie noch etwas vorhaben, brauche ich Sie nicht mehr.«

      Duroy drückte ihm die Hand und ging. Der Gedanke an den Artikel, den er abends noch schreiben sollte, gab ihm keine Ruhe, und er begann darüber nachzudenken. Er suchte nach neuen Ideen, Einfällen, nach Anekdoten und Schilderungen und gelangte schließlich zur Avenue des Champs Elysées, wo er nur vereinzelte Spaziergänger erblickte, denn Paris war zu dieser heißen Jahreszeit fast unbelebt.

      Er aß in einer Weinstube in der Nähe der Arc de Triomphe de l'Etoile, ging über die äußeren Boulevards langsam nach Hause und setzte sich an den Schreibtisch, um zu arbeiten. Doch sobald er den großen weißen Bogen Papier vor Augen hatte, entfloh ihm all der Stoff, den er in Gedanken gesammelt hatte, und es war so, als ob sein Gehirn sich verflüchtigt hätte. Er versuchte, Einzelheiten aus seinen Erinnerungen hervorzuholen und sie festzuhalten. Aber auch sie entschlüpften ihm, sobald er ihrer habhaft werden wollte; er wußte nicht, wie er sich ausdrücken und womit er beginnen sollte.

      Nach einer Stunde vergeblicher Anstrengung waren fünf Seiten vollgeschmiert. Es waren aber nur Einleitungssätze und auch diese ohne jeden inneren Zusammenhang. Er sagte sich: »Ich bin in dem Beruf noch nicht genug bewandert, ich muß eine neue Lektion nehmen.« Und sofort machte ihn die Aussicht auf einen neuen Arbeitsmorgen bei Madame Forestier und die Hoffnung auf ein langes intimes und herzliches Beisammensein vor Sehnsucht erzittern. Er ging rasch zu Bett, denn er fürchtete fast, es könnte ihm plötzlich doch gelingen, wenn er sich nochmals an die Arbeit setzte. Am nächsten Morgen stand er ziemlich spät auf und genoß im voraus die Freude dieses Besuches, den er absichtlich hinausschob.

      Es war zehn Uhr vorbei, als er bei seinem Freunde klingelte.

      Der Diener antwortete: »Der Herr ist bei der Arbeit.«

      Duroy hatte gar nicht gedacht, daß der Mann überhaupt zu Hause sein könnte. Trotzdem ließ er sich nicht abweisen. »Sagen Sie ihm, ich wäre es und käme in einer dringlichen Angelegenheit.«

      Nachdem er fünf Minuten gewartet hatte, wurde er in das Arbeitszimmer geführt, in dem er einen so schönen Morgen verbracht hatte. Auf dem Platz, wo er gesessen hatte, saß jetzt Forestier im Schlafrock und Pantoffeln, auf dem Kopf ein leichtes englisches Barett, und schrieb, während seine Frau in demselben weißen Morgenkleide am Kamin lehnte und eine Zigarette rauchte. Sie diktierte.

      Duroy blieb an der Schwelle stehen und murmelte:

      »Ich bitte sehr um Verzeihung, wenn ich störe ...«

      Sein Freund drehte sich mit wütendem Gesicht um und brummte:

      »Was willst du denn noch? Beeile dich, wir haben zu tun.«

      Duroy wußte nicht, was er sagen sollte. Er stotterte:

      »Nein, es ist: nichts, Verzeihung.«

      Forestier wurde wütend:

      »Zum Donnerwetter, laß uns keine Zeit verlieren! Du bist nicht etwa hier eingedrungen, bloß um uns guten Tag zu sagen?«

      Duroy wurde ganz verwirrt; endlich entschloß er sich:

      »Nein ... es ist nur... ich bringe den Artikel nicht fertig ... du warst ... Sie waren ... Sie waren so ... so ... so liebenswürdig das letztemal ... daß ich hoffte ... ich wagte zu kommen ...«

      Forestier fiel ihm ins Wort:

      »Du schämst dich wohl gar nicht. Also du


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