Begriff der Nation und der Wandlung des Nationalismus. Juryk Barelhaven
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Juryk Barelhaven
Begriff der Nation und der Wandlung des Nationalismus
Eine wissenschaftliche Abhandlung
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Inhaltsverzeichnis
2.1 Definition nach Hättich, Manfred (1966)
2.2 Definition nach Planert, Ute (1995)
2.3 Definition nach Schlie, Ulrich (2004)
3. Der Begriff des Nationalismus im Wandel
5. Das europäische Nationalbewusstsein seit der Französischen Revolution
6. Die Renaissance der Nationalen
7. Hobsbawm Standpunkt zum Thema
8. Zum Selbstverständnis der Deutschen
10. Literatur- und Quellenverzeichnis
Einleitung
Der Nationalismus hat in den vergangenen Jahrzehnten unter völlig unterschiedlichen historischen Bedingungen seine Kraft bewiesen. Am Ende des 19. Jh. dienten nationalistische Vorstellungen zur Legitimierung des Imperialismus nach außen und zur Ausgrenzung demokratischer Strömungen nach innen. Um ihre Herrschaft zu legitimieren, griffen Faschismus, Nationalsozialismus und Kommunismus auf Symbolik und Propaganda zurück. Die Balkankriege der neunziger Jahre bleiben bis heute schreckliche Zeugnisse dafür, wie Demokratie erbarmungslos durch nationalistische Strömungen ersetzt wird - mit den bekannten Folgen.
Wer nach dem II. Weltkrieg geboren wurde, hat nicht solche politischen Umwälzungen erlebt wie seit 1989. Es wurden im Ostblock viele Hoffnungen geweckt und nur wenige haben sich erfüllt. Die neofaschistischen Bewegungen in den westlichen Ländern und die Auseinandersetzungen in den alten Balkanstaaten lassen ein Gespenst durch Europa laufen: das Gespenst des Nationalismus.
Was fangen die Deutschen heute mit dem Begriff Nation an - und wichtiger noch: können die Deutschen sich selbst als Nation begreifen? Wer stolz darauf ist Deutsch zu sein, gehört zu einer Minderheit und wird gerade nach den Gräueltaten der NS-Zeit eher verneinen. Es herrscht bei vielen Deutschen Verwirrung bei den Begriffen Nation und Volk.
In dieser Arbeit wird der Begriff der Nation analysiert und der Wandlung des Nationalismus nachvollzogen. Es werden Ausführungen zu den Arbeiten des englischen Sozialhistorikers Eric J. Hobsbawm vorgestellt und sich mit der Fallfrage beschäftigt, ob wir Deutschen uns als Nation betrachten.
Eric J. Hobsbawm war der bekannteste marxistische Historiker der Welt und ein führender Vertreter der britischen Linken. Sein vierbändiges Standardwerk über die Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts ("The Age of Revolutions", "The Age of Capital", "The Age of Empire" und "The Age of Extremes") wurde zum Bestseller. Er spürte in seinem Buch Nationen und Nationalismus die Geschichte von Nationen und Nationalismus in den letzten 200 Jahren nach und wagte eine Bewertung des Wesens und der Bedeutung dieser Begriffe. In einem späteren Kapitel wird explizit darauf eingegangen und ist bewusst an das Ende der Arbeit gestellt worden um nicht den Blickwinkel Hobsbawms bestimmend werden zu lassen.
2. Aktueller Forschungsstand
Für die Orientierungslosigkeit innerhalb der gegenwärtigen Politik sehen manche in der Auflösung althergebrachter Traditionen und Gewohnheiten. Der Erhalt nationaler Identitäten und die selektive Besonderheiten sollten doch einen umfassenden Schutz vor negativen Einflüssen wie Gleichschaltung garantieren - jedoch erscheint es paradox, dass am Ende des Zeitalters der Extreme (Hobsbawm) das Nationale wieder salonfähig und in manchen Ländern sogar zu einem politischen Leitmotiv heranwächst. Meinten manche Politiker noch nach der Kapitulation des Nazideutschlands, dass der Nationalismus durch den Faschismus endgültig diskreditiert sei stehen unsere Politiker heute wieder vor einem nationalen Flickenteppich.
Schon viele Experten haben sich um eine klare Definition bemüht, und leider sind die Kriterien für den Begriff (wie wir noch sehen werden: Sprache, ethnische Zugehörigkeit etc.) oftmals wandelbar oder sogar kaum ausreichend. Die bekannteste, aber nicht einzige Definition stammt von Stalin1 : "Eine Nation ist eine historisch entstandene stabile Gemeinschaft von Menschen, entstanden auf der Grundlage der Gemeinschaft der Sprache, des Territoriums, des Wirtschaftslebens und der sich in der Gemeinschaft der Kultur offenbarenden psychischen Wesensart."
Der terminologische Aspekt des Begriffes "natio" ist ein alter, aus der römischen Antike überlieferter Traditionsbegriff, der ursprünglich Abstammung oder Geburt als Unterscheidungsmerkmal von Gruppen aller Art bezeichnet. Es bezeichnet eine Ideologie, die die Merkmale der eigenen ethnischen Gemeinschaft überhöht und in dem übersteigerten Verlangen nach Einheit von Volk und Raum mündet2 . Als nation bezeichneten sich auch die Generalstände in Frankreich. Das Selbstbewusstsein des "Dritten Standes" hat zur Französischen Revolution geführt und wurde so salonfähig: die Nation als tägliches Plebiszit (Ernest Renan). Renans berühmte Vorlesung "Was ist eine Nation?" sei hier neben John Stuart Mills Passagen zu diesem Thema in seinem "Considerations on Representative Government" empfohlen, gerade weil es zumindest nach Hobsbawm´s Ansicht mit das Beste ist, was im letzten Jahrhundert dazu verfasst wurde3 . Nationen sind - eben nicht, wie Bagehot angenommen hatte, "so alt wie die Geschichte4, sondern in seiner modernen Bedeutung nicht älter als das 18. Jh.
Im Folgenden sollen andere Historiker ihre Definitionen vorstellen dürfen.
2.1 Definition nach Hättich, Manfred (1966)
Manfred Hättich, deutscher Politikwissenschaftler, schrieb 1966 in seinem Werk "Nationalbewusstsein und Staatsbewusstsein“, dass mit der Überwindung des Nationalbewusstseins ein Gefühl der Heimatlosigkeit mit sozialer Bindungslosigkeit einhergehen kann.5 "Es wird zu prüfen sein, ob ein gesundes Nationalbewusstsein, wie es gerne verlangt wird, nicht doch lebensnotwendig für uns ist". Denn, so Hättich, könne ein Staat nur sicher agieren, wenn es sich nicht ständig in Frage stellt. Die Wiedervereinigung des geteilten Deutschlands stellte er schon damals als Hauptziel der deutschen Politik dar und zeitgleich das Problem, dass das (zu der Zeit) auseinanderklaffende Bewusstsein zwischen National- und Staatsbewusstsein eine "Verdünnung" aller Werte darstelle. Wer Hättichs Schriftenverzeichnis