Rätsel im Ballsaal. Historischer Roman. Catherine St.John

Читать онлайн книгу.

Rätsel im Ballsaal. Historischer Roman - Catherine St.John


Скачать книгу
Portal hinauf. Drinnen herrschte bereits ein gewaltiges Gedränge, wie es für einen gelungenen Ball offenbar zwingend erforderlich war, aber es gelang ihm, die geschwungene Treppe auszumachen, auf deren erstem Absatz Sir Michael und Lady Preston standen und die Gäste mit sorgsam abgestufter Herzlichkeit begrüßten.

      Ein alleinstehender Herr vor ihm zum Beispiel empfing ein sehr kühles Lächeln und Lady Preston zog eine Miene, als fragte sie sich, ob sie diesen Gentleman tatsächlich eingeladen hatte. Sofort begann Cecil zu überlegen, wer das wohl sein mochte – doch jedenfalls jemand, der gar nicht mehr wohlgelitten war – aber mit Recht?

      Er selbst wurde schließlich auch nicht immer begeistert begrüßt…

      „Cecil! Na endlich sieht man dich mal wieder!“ Michael umarmte ihn und klopfte ihm auf die Schulter; Cecil erwiderte die Umarmung noch etwas ungeschickt, schielte kurz zur Seite und beugte sich dann über die Hand der strahlend lächelnden Laura Preston. „Michael hat recht, du hast dich viel zu lange nicht mehr blicken lassen! Wenn dies hier dein erster Ball der Saison ist, fühlen wir uns sehr geehrt.“

      „Das ist er tatsächlich“, antwortete Cecil und erwiderte das Lächeln: Er hatte seine Freunde wirklich zu lange vernachlässigt. „Ich wusste eben nicht, ob -“ Er brach ab.

      „Ob wir den idiotischen Gerüchten glauben? Cecil, wofür hältst du uns denn? Nun, auf jeden Fall wünschen wir dir viel Vergnügen!“

      Er trat zur Seite, denn hinter ihm wurden die nächsten Gäste gewiss langsam ungeduldig, und stieg die Stufen zum Ballsaal hinauf.

      Immerhin hatte er den ungeliebten Gast eben erkannt – Carew. Kein Wunder, dass die Prestons so kühl reagiert hatten: Carew hatte doch vor vielleicht zwei Jahren versucht, sich durch die Entführung einer Erbin zu sanieren? Cecilia Herrion? Viel besser schien es ihm heute auch noch nicht zu gehen, jedenfalls wirkte sein Abendanzug reichlich abgetragen.

      Dafür schien er aber deutlich an Gewicht zugelegt zu haben, zumindest spannte der Frack am Rücken unübersehbar.

      Wer interessierte sich schon für Carew? Bedauernswerter Tölpel.

      Der Ballsaal war bereits gut gefüllt und er schlenderte langsam am Parkett vorbei zu den Erfrischungen, wo er seine Freunde Adam Prentice und Ben de Lys stehen sah. Im Näherkommen breitete er die Arme schon in einer demütigen Geste aus und sagte, als er vor ihnen stand: „Ich weiß, ich weiß, ich war dumm, mich so lange fernzuhalten, Michael hat es auch schon gesagt. Aber mein Ruf – naja.“

      „Dummkopf“, antwortete Adam freundlich, „was interessiert uns denn der Ruf unter diesem Volk hier?“ Er deutete weitausholend einmal rund um den Ballsaal, was ihm einige pikierte Blicke eintrug. Ben und Cecil lachten. Nun wurde auch Cecil fixiert – und Ben, um den es ja vor längerer Zeit auch üble, wenn auch genauso unberechtigte Gerüchte gegeben hatte.

      Sie stießen mit Champagner darauf an, dass Cecil in die Öffentlichkeit zurückgefunden hatte. „Und was hat dich nun hergetrieben?“, fragte Ben. „Geschäfte?“

      „Das wohl auch. Aber ich fürchte, ich muss wieder heiraten, schon wegen Marian. Wenn sie keine Brüder bekommt, steht sie nach meinem Tod doch vor dem Nichts!“

      „Ist dein momentaner Erbe so herzlos?“

      „Wahrscheinlich ja – und ohne Mitgift findet auch eine Lady Marian nicht so leicht einen guten Mann. Ich brauche einen Erben, das steht fest.“

      „Oder zwei“, murmelte Adam.

      „Ach ja – ihr beide seid ja schon versorgt, nicht wahr? Erzählt!“

      Adam lächelte. „Charles ist zwei und Lizzie fast ein Jahr alt. Helen und ich sind sehr glücklich mit unserem Pärchen.“

      „Unser Jimmy ist erst vier Monate alt, aber quietschfidel und gesund – und das ist das Wichtigste, nicht wahr?“ Ben strahlte ebenfalls vor Vaterstolz.

      Cecil erwiderte das Lächeln. „Marian ist jetzt sechs. Und sie kann schon lesen und zählen! Ist das nicht wunderbar?“

      Das Orchester begann die Instrumente zu stimmen und Ben stellte sein Glas ab. „Ich werde mich zu Cecilia gesellen.“ Adam tat es ihm gleich und Cecil begann wieder herumzuschlendern. Kichernde Debütantinnen, streng dreinsehende Mütter, pfiffige und steife alte Damen, dazwischen einige Gesellschafterinnen oder andere noch junge Frauen, die aber eindeutig nicht mehr auf dem Heiratsmarkt waren.

      Wäre das vielleicht eine Option? Nein, beschloss er, so nüchtern wollte er die Sache auch nicht angehen.

      Er sah sich unauffällig um, während er scheinbar blicklos noch einmal an der Tanzfläche vorbei schritt. Diese Blonde in dem blassblauen Kleid, vielleicht? Sie sah ernst und vernünftig drein und fast so, als rechne sie nicht damit, überhaupt aufgefordert zu werden.

      Das Orchester intonierte probehalber einen Ländler und Cecil straffte sich. Er verbeugte sich vor der ältlichen Begleitung der Blondine und stellte sich vor. Sie nickte mit leicht hochgezogenen Augenbrauen und wies nachlässig auf ihre junge Nachbarin. „Meine Tochter, Miss Violet Settinghurst.“

      Cecil bat um Miss Settinghursts Tanzkarte und trug sich für den Ländler ein, den das Orchester gerade sozusagen angekündigt hatte.

      Die junge Dame nickte ernst und erhob sich, um seinen Arm zu nehmen und sich aufs Parkett führen zu lassen.

      Sie tanzte leichtfüßig und sah ab und an zu ihm hoch, immer noch ohne zu lächeln.

      „Bedrückt Sie etwas, Miss Settinghurst?“

      „Warum fragen Sie das, Euer Lordschaft?“

      „Sie wirken so ernst und – nun – in sich gekehrt.“

      „Das ist meine Art, fürchte ich. Deshalb bin ich auch über das Heiratsalter hinaus, schon fast dreiundzwanzig. Aber es ist reizend, dass Sie mich aufgefordert haben, das geschieht nicht mehr oft.“

      „Es war mir ein Vergnügen, Miss Settinghurst.“

      „Das zu behaupten ist genauso reizend.“

      „Sie glauben mir nicht?“ Er sah stirnrunzelnd auf sie herunter.

      „Oh, ich wollte Sie keinesfalls kränken, Mylord. Aber gebot es nicht die Höflichkeit, an dieser Stelle genau das zu sagen?“

      Er musste lachen. „Sie sind eine scharfe Beobachterin der gesellschaftlichen Konventionen, Miss Settinghurst, Respekt!“

      „Man muss die Verlogenheit doch durchschauen, um bei diesem Spiel mithalten zu können, nicht wahr?“

      „Das gebietet wahrscheinlich die Selbsterhaltung“, stimmte Cecil zu und zog sie in eine schwungvolle Drehung. „Schließlich klatschen die Geier dort drüben“ – er nickte in Richtung der Matronen und Anstandsdamen – „über uns alle, nicht wahr?“

      Sie grinste. „Wie wahr! Wahrscheinlich überlegen sie, warum meine Mutter das alte Ding immer noch auf Bälle mitschleppt, anstatt sich auf meine jüngere Schwester zu beschränken.“

      „Das alte Ding? Das ist doch wirklich ungezogen!“

      „Alte Damen dürfen das. Eigentlich wäre ich auch gerne schon eine exzentrische alte Dame und würde Unverschämtheiten nach Herzenslust austeilen.“

      „Nun, mit dreiundzwanzig sind Sie ja schon nahe dran, nicht wahr?“ Er grinste frech und sie lachte schallend los, so schallend, dass etliche Köpfe auf der Tanzfläche zu ihr herumfuhren. Sie beruhigte sich wieder und murmelte: „So viel Aufsehen habe ich noch nie erregt…“

      „Gefällt Ihnen das?“

      „Ich glaube ja. Fromm dreinzusehen, damit Mama zufrieden ist, ist so unglaublich langweilig.“

      Der Ländler verklang und er brachte Miss Settinghurst zu ihrer Mutter zurück,


Скачать книгу