Der eiserne Gustav. Ханс Фаллада
Читать онлайн книгу.schon vor einer ganzen Weile ins Bett gegangen, Vater.«
»Ich will nachsehen!«
»Laß mich nachsehen, Vater – du weckst sie ja bloß. Nachher erzählt sie es noch Muttern ...«
Bubi schlüpft aus dem Bett und geht ins Nebenzimmer. Der Vater hockt halb in seinen Kissen.
Ich hätte selber gehen sollen, denkt er. Auf Bubi ist auch kein Verlaß.
Dann kommt Bubi zurück.
»Eva schläft, Vater.«
»Ist das auch bestimmt wahr?«
»Eva schläft ganz bestimmt. Sie schläft auf der Seite, sie schnarcht.«
»Na, denn is gut. Denn wollen wir auch schlafen. Gute Nacht, Bubi.«
»Gute Nacht, Vater! Schlaf auch schön.«
13
Gespräch im Dunkeln, zu zweien.
»Wat ick dir noch fragen wollte: Warum biste heute nachmittag nich jekommen, wie ick dir jewunken habe?«
»Vater war doch dabei!«
»So, dein Vater is dir also mehr als icke!«
»Und ich mußte Otto doch adieu sagen, Otto ist doch fort in den Krieg.«
»So, dein Bruder is dir also ooch mehr als icke!«
»Ich konnte doch nicht anders, Eugen, quäl mich doch nicht so! Du tust mir weh!«
»Jetzt wer ick dir mal was sagen, Mächen, von wejen weh tun un so! Wenn de von jetzt an nich kommst, wenn ick pfeife, weg von Vätern un Muttern un deine janze Mischpoke, denn roocht's! Haste det vastanden?«
»Ja, Eugen!«
»Denn roocht's, ha'ick jesacht!«
»Ja, Eugen!«
»Ja, Eugen, imma: ja, Eugen! Weeßte aber ooch, wie det is, wenn et bei mir roocht, haste da'n Bejriff von?«
»Ja, Eugen!«
»Wirste allet tun, wat ick dir sare?«
»Ja, Eugen!«
»Bin ick dir lieber als Vater un Mutter un Bruder?«
»Oh, Eugen! – Ja, Eugen!«
»Det hat wohl weh jetan? Sag doch: ja, Eugen.«
»Ja, Eugen!«
»Det soll dir noch viel weher tun – heute nacht bleibste hier bei mir ...«
»Oh, Eugen, Vater ...«
»Wat is Vater?! Wat is Vater?! Wat is Vater?!«
»Eugen!«
»Sag gleich, auf der Stelle sagste: ›Vater is'n Dreck.‹ Sag det oder – ick kenn mir nich vor Wut! Sag ...«
»Vater ist ein Dreck.«
»Jut. Heute nacht bleibste hier bei mir.«
»Ja, Eugen.«
»Un wenn dein Oller dir morjen rausballert, kommste bei mir.«
»Ja, Eugen!«
»Du kommst doch jerne bei deinen Eugen?«
»Ja, Eugen.«
»Ick bin dir doch lieber wie Vater un Mutter?«
»Ja, Eugen.«
»Siehste, wie zahm de schon wirst? Solche wie dich, da nehm ick sechse von uff mir. Du sollst sehn, det jefällt dir noch. Du sollst sehen, ick jefall dir ooch noch! Jefall ick dir, Evchen ...?«
»Ja, Eugen.«
»Dowe Nuß! Los, nimm deine Klamotten. Zieh dir an, hau ab bei deinen Ollen. Mach schnell, hörste?! Du ödest mir. Hauste ab?«
»Ja, Eugen.«
»Ick denk, du sollst hierbleiben?«
»Ja, Eugen.«
»Un jetzt willste abhauen?«
»Wie du willst, Eugen.«
»Na, denn hau ab, Dowe! Aba wenn ick pfeife ...«
»Ja, Eugen, dann komm ich.«
14
Der Junge in Feldgrau sprang in großen Sätzen die Treppe hinauf, er nahm zwei Stufen auf einmal. An der Tür drückte er, ohne sich zu besinnen, den Klingelknopf mehrere Male, und noch ein paarmal, als nicht sofort geöffnet wurde. Er sah flüchtig die Schilder unter den Namen an, sehr viele Schilder, sehr große, aber nüchterne Schilder, schwarze Buchstaben auf weißer Emaille: »Justizrat Dr. Meier – Rechtsanwalt und Notar. – Geschäftsstunden von 10-1, 3-6. – Mitglied des Reichstags.«
Er näherte den Finger wieder dem Klingelknopf – da ging die Tür auf.
»Warum denn so eilig?« fragte der Öffnende mit tiefer Stimme. »Herr Justizrat ist jetzt doch nicht zu sprechen – ach, du bist es, Erich. Komm herein – ich sage dem Doktor gleich Bescheid.«
»Ich sag's ihm selber!« rief Erich und lief schon in das Zimmer des Abgeordneten.
Der schwere, dunkle Mann las in einer Zeitung. »Ich wünsche jetzt nicht gestört zu werden«, sagte er, erkannte aber schon den Eindringling. »Ach, Erich! Erich in Uniform! Das hast du aber schnell geschafft! Ich höre, die Regimenter können sich vor Freiwilligen nicht retten. Wo bist du angekommen?«
»Bei einem Ersatzbataillon in Lichterfelde. Von dreitausend, die sich gemeldet haben, haben sie hundertfünfzig genommen!«
»Und dich darunter. Sehr schön. Ich habe es immer gesagt: Was du wirklich willst, führst du auch durch. – Und so hast du dich uns also in Uniform zeigen wollen, uns roten Genossen? Gut siehst du aus! Schneidig – was ja wohl das Höchste an Preußentum bedeutet.«
»Ich bin nicht gekommen, weil ich mich in Uniform zeigen wollte! So albern bin ich doch nicht, Herr Doktor!«
»Vielleicht ist das gar nicht so albern, Erich? Es muß für viele heute ein schönes Gefühl sein, die Uniform zu tragen. Ihr verteidigt uns doch, ihr wollt doch sogar für uns sterben!«
»Natürlich freue ich mich auch, daß ich Soldat bin. Aber doch nicht wegen der Uniform!«
»Und der Ton bei deinen Preußen – er gefällt dir? Anschnauzer waren doch sonst für dich, was das rote Tuch für den Stier ist! Oder wird nicht mehr geschnauzt ...?«
»Doch«, gab Erich zu. »Es ist elend, manchmal kann ich mich kaum beherrschen. Und das Gemeinste ist nicht das Schnauzen, sondern das Spötteln und Triezen, wenn einer nicht so kann, wie er soll! Manche können doch wirklich nicht, die nie geturnt haben und so ... Stundenlang geht es über die her, alle Tage!«
Der Abgeordnete sah aufmerksam in das erregte Gesicht. »Nun, mein Erich«, sagte er. »Ich hoffe, du kannst die Schnauze halten, wie man auf preußisch sagt. Die Kriegsartikel sind recht scharf, und Rebellion ist heute etwas Todeswürdiges. – Ich sagte dir wohl schon mal, daß du eigentlich ein Rebell bist«, setzte er hinzu. »Du wirst immer gegen jeden Zwang antoben, bis zur eigenen Vernichtung.«
»Ich kann aber jetzt die Schnauze halten, Herr Doktor!« rief Erich stolz. »Man kann alles, wenn die Sache es lohnt! Ich denke immer: Ein Vierteljahr werden wir nur ausgebildet, dann kommen wir doch an die Front und können kämpfen!«
»Vielleicht werdet ihr noch eher herauskommen, Erich. England hat uns jetzt auch den Krieg erklärt, weißt du es schon?«
»England auch?« rief der Junge bestürzt. »Aber warum denn? Unsere Vettern, gleichen Blutes, und der Kaiser ist ganz nahe mit denen verwandt! Warum denn?«