Friedrich Gerstecker: Streif- und Jagdzüge durch die Vereinigten Staaten von Amerika 1837-43. Friedrich Gerstecker

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Friedrich Gerstecker: Streif- und Jagdzüge durch die Vereinigten Staaten von Amerika 1837-43 - Friedrich Gerstecker


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an die sie von Kindheit auf gewöhnt waren, entbehrend, sich höchst unglücklich zu fühlen schienen. Für einen einzelnen Mann geht es schon, sich im Deck durchzuschlagen, ja es ist sogar höchst interessant, all dies Leben und Treiben einmal mitzumachen. Ich selber möchte um alles in der Welt nicht in der Kajüte gereist sein; für eine Frau jedoch ist das eine ganz andere Sache, denn was dem Manne zum Spaß und zur Unterhaltung dient, kann die Frau oft verletzen und zurückschrecken.

      Nicht so ängstlich dachten übrigens einige Oldenburger Mädchen über das Leben im Zwischendeck. Diese schienen ganz in ihrem Fahrwasser zu sein, und je toller, je wilder, je lärmender es zuging, desto mehr lachten und tobten sie selber mit. Auch Israels Stamm hatte einige 60 Repräsentanten und Repräsentantinnen im Zwischendeck der „KONSTITUTION“.

      Schon ein paar Tage hatte dies wilde Leben so gedauert, als endlich der Lotse an Bord kam und die Anker gelichtet wurden.

      Jetzt ward Leben im Schiffe, alles drängte froh und jubelnd durcheinander, niemand wollte unten im Raume bleiben, und das Verdeck wimmelte.

      Mit ziemlich gutem Winde segelten wir aus und erreichten in kurzer Zeit die Nordsee. Der Landstreifen, den wir noch sahen, wurde schmäler und schmäler, der Lotse stieg in seinen kleinen Kutter und verließ uns. Auch dies Fahrzeug wurde kleiner und kleiner. Jetzt schaute nur noch ein dünner, blauer Streifen mit einem schwarzen Punkte darauf hervor: Es war der Kirchturm von Wangerooge, und auch dieser wurde endlich immer unbestimmter.

      Dort schwand die Heimat – das verlassene Vaterland. – In der blauen Ferne, dort hinter jenen dünnen Wolken, die sich auf dem Wasser lagerten, lebte alles, was mir auf dieser Welt lieb und teuer war, alles – und ich hatte nicht einmal eine Träne, als das letzte vom heimischen Strande im Nebel zerfloss. Es war, als ob der Quell versiegt sei, und mit trockenen Augen starrte ich noch lange, lange nach der teuren Himmelsgegend.

      Es dunkelte, und ich ging früh zu Bett. Ich sehnte mich heute danach, ruhig und ungestört meinen Gedanken nachhängen zu können. Auch im übrigen Zwischendeck war es heut weit stiller als die früheren Tage. Der Abschied von der Heimat mochte doch auch manchem ans Herz gerückt sein, und die weite, öde Wasserwüste, die uns umgab, hatte überhaupt etwas Bewältigendes, geheimnisvoll Großartiges, das den leichten Scherz und Spott eben nicht aufkommen ließ.

      Das Schiff fing jetzt an, von günstigem Winde geschaukelt, ziemlich unruhig zu gehen, und ein unerträgliches Gefühl weckte mich in der Nacht. Ich erwachte und fühlte, dass ich mit dem Kopf viel niedriger als mit den Füßen lag. Wir lagen nämlich auf der Steuerbordseite (Die rechte Seite vom Schiffe, wenn man am Steuerruder steht und nach vorn sieht. Backbord oder Larbord heißt die linke Seite.) des Schiffes, mit dem Kopfe, der frischeren Luft wegen, dem offenen Gangwege zu; der Wind aber kam jetzt aus Nordost, und das Schiff lag ziemlich schräg auf die Backbord- oder linke Seite hinüber, wodurch unsere Beine natürlich in die Höhe kamen. Unter Lachen und Fluchen und nicht ohne bedeutende Schwierigkeiten veränderten wir unsere Lage und befanden uns dann etwas behaglicher – wenn man das eben behaglich nennen kann, dass wir jetzt mit den Köpfen in dem engen, dunstigen Raum an der Schiffswand lagen und kaum atmen konnten.

      Die nächste Morgensonne beschien manches leichenblasse, ellenlange Gesicht. Die See ging hoch, das Schiff schwankte und schaukelte furchtbar und hatte die unangenehmste Bewegung, die es haben kann, indem es von den Wellen vorn hoch emporgehoben wurde und dann wieder tief in sie hineinschlug, und zwar so reißend schnell, dass einem der Atem bei manchen Sprüngen verging. Diese Bewegung blieb nicht ohne Folgen. Der Magen der meisten unserer lieben Unglücksgefährten, zwar an eine anständige Bewegung, aber keineswegs an dieses Herumwerfen und Auf- und Abschütteln gewöhnt, revoltierte, und fürchterlich war das Ergebnis.

      Wie ich schon erwähnt habe, hatten wir eine sehr große Menge Juden, mit wenigen Ausnahmen aus der niedrigsten Klasse, an Bord. Diesen Leuten war nun von ihrem Rabbiner das Speckessen während der Reise erlaubt, wie sie behaupteten, und den meisten hatte der schöne, süße Speck, den wir bekamen, so gut gemundet, dass sie sich die Mägen, wenn nicht überladen, doch wenigstens vollgefüllt hatten. Die Strafe folgte auf dem Fuße; da war kein Winkel auf dem ganzen Schiffe, in dem nicht ein Seekranker mit seinem zinnernen Eimerchen saß oder sich verzweifelnd über Bord lehnte und kläglich der See sein Opfer brachte.

      Glücklicherweise blieb ich selber, mit H. und dem Doktor, vollkommen von der Seekrankheit frei und gewöhnte mich auch sogar bald daran, das Elend um mich her ruhig und ungerührt mit ansehen zu können. Auf Mitleid darf überhaupt kein Seekranker Anspruch machen; man weiß, dass die Krankheit nicht lebensgefährlich ist und bald wieder vorübergeht, und eher gewinnt bei den Gesunden eine gewisse Schadenfreude die Oberhand.

      Angenehm war die Lage der Gesunden an Bord übrigens auch nicht, wenn auch immer noch beneidenswert gegenüber der Kranken. Der Regen kam nämlich in Strömen nieder, und so fatal die Nässe sein mochte, war es doch in dem unteren Raume mit all den Kranken gar nicht auszuhalten.

      Ein paar Tage vergingen so in wirklich trauriger Art, und nur der rege Wellentanz draußen in See entschädigte mich etwas für das verzweifelte Leben an Bord. Die See fing auch nach und nach an, sich wieder etwas zu beruhigen, und am Sonntagnachmittag fanden sich zuerst wieder einige Gruppen hier und da zusammen. Die Leute fühlten, dass sie verzweifeln müssten, wenn sie nicht gesellig würden, dennoch störte ein plötzlicher Ausbruch der Seekrankheit gar oft ganz fröhlich begonnene Unterhaltungen. Die Herzhafteren wagten nun auch schon, wieder ein wenig aufs Verdeck zu gehen, mussten aber manchmal ihre Kühnheit teuer büßen, wenn eine etwas außergewöhnlich große Welle, vom Schiff gebrochen, über das Deck fegte und alle in ihrem Bereich Befindlichen bis auf die Haut durchnässte. Gegen Abend heiterte es sich etwas auf, und ich mischte mich vorn unter die Matrosen, ihren Erzählungen, Liedern und See-Anekdoten lauschend.

      Den nächsten Tag war es wieder dasselbe Spiel, die See rauer und wilder denn je, und die Seekrankheit auf dem höchsten Punkte. Die Sache begann mich anzuekeln, und ich kletterte in die Marsen (Mastkorb) hinauf, um wenigstens außer dem Bereiche der Kranken zu sein. Ich kam auch nicht eher wieder aufs Verdeck, bis das „Schaffen“ des Kochs etwas Warmes für den inneren Menschen verkündete, das übrigens diesen Mittag nur von dem kleinsten Teile der Passagiere beachtet wurde.

      Hier wäre es nun wohl am Platze, auch etwas über die Kocherei und Art der Bewirtung auf den Schiffen, die sich auf den meisten gleich ist, zu sagen. Die Küche selber ist ein kleines Bretterhaus, auf dem Verdeck aufgerichtet und mit Klammern und Tauen so befestigt, dass ihm die über das Schiff schlagenden Wellen nichts anhaben können. Der Verschlag besteht aus zwei Teilen; in dem einen ist ein großer Kochofen für die Kajüte, in dem anderen ein gemauerter Herd mit einigen ungeheuren Kesseln für die Zwischendecks-Passagiere.

      Morgens gibt es Kaffee, der reichlich und dünn ausgeteilt wird; man muss aber zu viel Wasser trinken, um eine Tasse Kaffee zu bekommen, und die einzige Rettung war, ihn so heiß wie möglich zu verschlucken. Es gehört dann wirklich ein Feinschmecker dazu, starken von schwachem zu unterscheiden. Zu diesem Gebräu verarbeiteten wir eine braune bimssteinartige Masse, die „Schiffszwieback“ genannt, aber erst, in heißem Kaffee aufgeweicht und mit Butter gestrichen, genießbarer wird, als sie auf den ersten Anblick verspricht. Butter wird übrigens alle Sonnabende, nach dem Schiffsausdruck „gefasst“, und es war daher nötig, ein Gefäß mit Deckel dafür zu haben, wie auch eine eigene Kaffeekanne. Die Butter, die wir bekamen, war gut und auch reichlich, dass man, wenn man nicht gar zu dick aufstrich, wohl eine Woche damit auskommen konnte; doch wird sie nicht jedem Manne einzeln, sondern immer für fünf gegeben, wobei es wieder ein Glück war, dass wir uns unsere Gesellschaft vorher ausgesucht hatten und jetzt nicht verpflichtet waren, mit Krethi und Plethi Haus zu halten. Sehr gut kam es uns auch zu statten, dass wir Zucker mitgenommen hatten, denn außer etwas Sirup zum Pudding, der sonntags ausgeteilt wird, gibt es weiter nichts Süßes. Der Zerbrechlichkeit der Kaffeetassen wegen hatten wir uns mit Zinnbechern versehen, die auch den Dienst sehr gut verrichten; doch schmeckt der Kaffee und Tee schlecht aus diesen blechernen Gefäßen.

      Am Mittag hatten wir gelbe Erbsen und Speck, das gewöhnliche Montagsessen, dienstags Bohnen und Pökelfleisch, mittwochs graue Erbsen und Speck, donnerstags Erbsen und Pökelfleisch, freitags Sauerkraut und Speck, sonnabends Pflaumen und Reis mit Fleisch,


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