Schaum-Welt-Komfort. Paul-Heinz Schwan

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Schaum-Welt-Komfort - Paul-Heinz Schwan


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beförderten

      zellkerne atompilze rötgenaufnahmen

      computertomographien galaktische photographien

      alles keine natur der ersten tage

      sie sind es nicht!

      gräben trennen es von menschlichen umblicken

      in vertraute umstände

      woher all das

      aus dem unbewußten dem schlaf dem unwissen der verborgenheit

      oder aus irgendeinem noch-nicht

      unser gehirn unser genom unser immunsysteme

      stehen auf epedemischen bühnen

      die „modernen“ außer atem gehalten gebracht

      das 20.jhrdt. zahlt den preis für verfremdung

      keine epoche zeigt eine solche expertise

      in der kunst vitale existenzprämissen zu vernichten

      die kehrseite macht sie sichbar:

      die erhaltungsbedingungen kultureller Räume

      technisch künstlich gestaltbar alles muss verhandelt werden

      jeder kann und keiner will ein wörtchen mitreden

      es gab kein revolution:

      oben und unten tauschten nicht die Plätze

      nichts wurde vom kopf auf die füße gestellt

      nirgendwo wurden die letzten die ersten

      nichts wurde umgewältzt nichts im kreis gedreht

      nicht revolution eher routine in explikation

      werden ist auch katastrophe

      unser zeitalter walzt zustände aus

      das monströse ins alltägliche

      tasten bahnen leichten zugriff auf bisher unmögliches

      das zeitalter sagt den seinen:

      ohnmacht gibt es nicht

      was du nicht kannst kannst du lernen

      PROLOG Schaumgeborenheit

      Schäume sind Träume: hier wurden zwei Arten von Nichtigkeit gleichgesetzt. Eine Unterwanderung des Soliden durch das Unhaltbare. So haben nicht nur die Akademiker in Platons Nachfolge gedacht. Ein populärer Biedersinn machte Front gegen Schaumiges, Leichtes, Allzu-leichtes.

      Zwischen der klassischen Metaphysik alles habe im runden Welt-Kosmos seinen festen Platz und dem volksontologischen Alltag, in dem streng darüber gewacht wird, das alle ihren Platz einhalten, herrschte über tiefe Differenzen hinweg von alters her ein Einvernehmen, das man den ernsten Charakter an seiner Schaumverachtung erkenne. Alles um den Schaum herum war Verrat am festen, seriösen, bestehenden, vererbbarem. Am Schaum konnte kein Strick halten und wer auf Gott vertraut der hatte nicht auf flüchtigen Sand gebaut. Das konnte man nur auf Felsen, wenn man selber einer war.

      Schaum, eine reale Gegebenheit, jedoch ein berührungsscheues Gebilde, das sich beim leisesten Zugriff aufgibt und zerplatzt. Durch Zuschlag von Luft verliert ein Flüssiges, ein Festes seine Dichte; was eigenständig, homogen, solide schien, verwandelt sich in aufgelockerte Strukturen. Er deutet an, dass unter ungeklärten Umständen das Dichte, Kontinuierliche, Massive einer Invasion durch das Hohle erläge.

      Schaum ist also„Luft an unerwarteter Stelle“

      Doch die Rache des Soliden lässt nicht lange auf sich warten. Sobald die mischende Agitation zu Stehen kommt, fällt die Schaumherrlichkeit schnell in sich zusammen.

      Des Nachts geben die Menschen den Phantomen Kredit, in der Dämmerung den Utopien; doch kommt die Wachwelt und die Morgensonne, „zerfließt's wie eitel Schaum“. (Heinrich Heine)

      Auch die Materie, die fruchtbare Matrone, die an der Seite des Logos ein ehrbares Leben führt, durchleidet eine hysterische Krise und wirft sich der erstbesten Illusion in die Arme. Enttäuschung ist also garantiert, wo Schaum aufquillt. Den Schäumen fehlt alles, was mit den achtunggebietenden Sphären des Dauerhaft-Gültigen in Verbindung gebracht werden durfte.

      Heraklits Mahnung dem Gemeinsamen zu folgen, wurde ein Weltalter lang als Aufforderung wahrgenommen, sich fernzuhalten vom Nächtlichen und Nur-Privaten, dem Traumhaften und Schaumhaften, diesen Agenten des Un-Gemeinsamen, Unöffentlichen, Unweltlichen.

      Und doch: mit Hegel kam eine neue Mehrwertigkeit in den Blick. Ist er, der Schaum, das Lufthaltige, nun der Dritte, der die binäre (zweiseitige) Idiotie überwinden konnte? Ein Mittleres zwischen Geist und Stoff? Etwas zwischen den Extremen?

      Schaumdeutung

      Im Weltbildwandel des 19. und 20. Jahrhunderts -der sogenannten „Moderne“- konnten Träume und Schäume nicht auf ihren hinteren Plätzen bleiben. Das gehört zur intimen Signatur dieser neuen Zeit.

      Die Wiener Psychoanalyse entdeckte die Träume als Königsweg zum Unbewussten. Eine Subversion des Ernst-Systems und des Schwergewichtigen. Ein Vorgang von Kultur-umstürzender Tragweite. Nun werden kaum bemerkte Zeichen lesbar, die privatesten Einfälle, Tics, Ausschläge und Fehlleistungen in subversive Bedeutungsvermutungen gestellt. Das Unbedeutende konnte mit dem Bedeutenden alte Rechnungen begleichen. Jetzt sind Träume keine Schäume mehr.

      In seinem Gefolge gelang eine umfassende Theorie der Moderne: von den Intentionen eines nichtverfälschten Nietzsche; den Entfaltungen der Husserlschen Impulses; vom Perspektivismus des 19'wie von der Chaostheorie des 20'Jhdt; von der Promotion des Surrealen wie von der Erhebung des Atmosphärischen zur Theoriewürde; von der Mathematisierung des Unscharfen, den gekerbten Strukturen, den unregelmäßigen Mengen; der Revolte des Unauffälligen und den unscheinbaren Indizien die Trendzeichen des Weltlaufes zeigen wie die Entdeckung des Unbestimmten und damit des Nicht-Nichts, das Beinahe-Nichts, das Zufällige und das Formlose Anschluss an die theoriefähigen Wirklichkeiten gefunden haben.

      Insgesamt wurde somit der Ernst zwar neu verteilt. Dennoch liegt auf den modernen Theorien und den Theorien der Moderne der lange Schatten des (Materie-) Substanzdenkens, das dem "zufällig auftretenden" -dem Akzidentiellen- so wenig Geschmack abgewinnt.

      Sowie Ernst Bloch dem Tagtraum seine Würde als utopische Potenz und wirklichkeit-setzende Projektmacht verlieh, so müsste sich die Schaumdeutung als politische Ontologie der animierten Binnen-Räume konstituieren. In ihr würde das Zerbrechlichste als das Herzstück des Wirklichen begriffen. Wenn der Nachweis gelänge, dass das Schaumartige das Zukunftsträchtige sein kann, zeugungsmächtig ist, wäre dem substanzialistischen Vorurteil die Grundlage entzogen. Eben dies wird im Band III unternommen.

      Das weltalterlang Verächtlich-Gemachte, das scheinbar Frivole, das nur auf seine Implosion hin Existierende gewänne seinen Anteil an der Definition des Realen zurück. Man begreift dann: Das Schwebende ist Grundgebendes der besonderen Art; das Hohle eine Erfülltheit eigenen Rechts; das Fragile als Ort und Modus des Wirklichen zu bedenken; das Unwiederholbare gegenüber dem Seriellen das höhere Phänomen. Aber: ein „wesentlicher Schaum“? geht denn das?

      Fruchtbare Schäume – Mythologisches Zwischenspiel

      Sobald man vor die Epoche volksontologisch und substanzmetaphysisch motivierter Schaumverachtung zurückgeht, zeigt sich die Relevanz der Figur des „fruchtbaren Schaums“.

      Hesiod hat um 700 vor Christus, in der Erzählung von der Schaumgeburt der Göttin Aphrodite, die Liaison von Schaumgeburt und generativer Potenz für die westliche Überlieferung unvergesslich gemacht. Dem Dichter gelingt das Denkbild eines Schaums, dem nicht nur Formkraft zukommt, sondern auch Geburtsfähigkeit und generative Wirksamkeit


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