Auferstehung. Лев Толстой

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Auferstehung - Лев Толстой


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auf, laß dir dein Vergnügen, dein Glück nicht entgehen. Und diese zweite Stimme übertönte die erste.

      Entschlossen näherte sich Nechljudow Katjuscha. Und ein furchtbares, überwältigendes, tierisches Gefühl bemächtigte sich seiner.

      Ohne sie aus seinen Armen zu lassen, setzte er sie auf das Bett, und da er fühlte, daß er noch etwas machen müsse, so setzte er sich neben sie hin.

      »Dmitrij Iwanowitsch, Lieber, bitte lassen Sie mich«, sprach sie mit kläglicher Stimme. »Matrjona Pawlowna kommt!« rief sie sich freimachend aus. Und wirklich näherte sich jemand der Thür.

      »So komm ich in der Nacht zu Dir . . . Du bist doch allein? . . . « sagte Nechljudow.

      »Was denken Sie? Auf keinen Fall! Nein, nein . . . « sprach sie, aber nur mit den Lippen, denn ihr ganzes aufgeregtes, erschüttertes Wesen sagte etwas anderes.

      Matrjona Pawlowna näherte sich in der That der Thür. Sie trat mit einer Decke in der Hand ins Zimmer und verwies Katjuscha ärgerlich, mit einem vorwurfsvollen Blick auf Nechljudow, daß sie nicht die richtige Decke genommen hätte.

      Nechljudow ging schweigend hinaus. Er schämte sich nicht einmal. Zwar sah er am Gesicht Matrjona Pawlownas, daß sie sein Benehmen mißbilligte und fühlte, daß sein Vorhaben ein schlechtes und ihre Mißbilligung eine berechtigte war. Aber das tierische Gefühl, das aus der früheren, reinen Liebe herausgewachsen war, hatte sich seiner bereits völlig bemächtigt und erkannte neben sich nichts mehr an. Er wußte jetzt, was er zur Befriedigung dieses Gefühls zu thun hatte und suchte nur nach einer Gelegenheit dazu.

      Den ganzen Abend war er außer sich, bald kam er zu den Tanten, bald ging er auf sein Zimmer oder auf den Flur und dachte nur daran, wie er sie allein treffen könnte. Aber sie mied ihn und Matrjona Pawlowna versuchte, sie nicht aus den Augen zu lassen.

      Siebzehntes Kapitel.

      So verging der ganze Tag und die Nacht brach herein. Der Arzt ging schlafen. Auch die Tanten legten sich zu Bette. Nechljudow wußte, daß Matrjona Pawlowna jetzt im Schlafzimmer der Tanten war und daß er Katjuscha im Mädchen zimmer allein treffen würde. Er ging wieder hinaus auf die Treppe. Draußen war es dunkel, feucht und warm. Jener weißliche Nebel, der im Frühling den letzten Schnee zerrinnen macht oder selbst durch den schmelzenden letzten Schnee entsteht, er füllte die ganze Luft. Vom Flusse her, der ungefähr hundert Schritt weit unterm Abhang am Hause vorbeifloß, vernahm man seltsame Töne: es war das berstende Eis.

      Nechljudow stieg die Treppe hinunter und ging über Pfützen und übereisten Schnee zum Fenster des Mädchenzimmers. Das Herz klopfte ihm in der Brust so stark, daß er es hörte; der Atem stockte ihm bald, bald entrang er sich in einem schweren Seufzer. Im Mädchenzimmer brannte eine kleine Lampe und Katjuscha faß allein am Tisch und sah in Gedanken versunken vor sich hin. Nechljudow betrachtete sie lange, ohne sich zu rühren; er wollte wissen, was sie wohl thun würde, während sie sich unbeobachtet glaubte. Etwa zwei Minuten blieb sie regungslos, dann erhob sie die Augen, lächelte und schüttelte wie im Selbstvorwurf den Kopf. Plötzlich änderte sie ihre Stellung, legte stürmisch, beide Arme auf den Tisch und begann wieder vor sich hinzustarren.

      Er stand da und betrachtete sie. Unwillkürlich hörte er zugleich das Pochen seines Herzens und die vom Fluß her kommenden Töne. Dort auf dem Fluß im Nebel ging eine rastlose langsame Arbeit vor sich, bald hörte man ein Schnaufen, bald ein Krachen und Rieseln und das gläserne Klirren der dünnen Eisschollen.

      Er blickte auf das verträumte, von innerer Arbeit gemarterte Gesicht Katjuschas und sie dauerte ihn; aber seltsamerweise verstärkte dieses Mitleid nur sein Begehren.

      Er klopfte ans Fenster. Wie von einem elektrischen Schlage zuckte sie mit dem ganzen Körper zusammen und Entsetzen zeigte sich auf ihrem Antlitz. Dann sprang sie auf, trat an das Fenster heran und drückte das Gesicht an die Scheibe. Der Ausdruck des Entsetzens verließ ihr Gesicht auch dann nicht, als sie ihn erkannte, indem sie die beiden Handflächen wie Scheuklappen an die Augen hielt. Sie hatte ein ungewöhnlich ernstes Aussehen — so ernst war sie ihm noch nie vorgekommen. Sie lächelte nur, weil sie sein Lächeln gesehen, sie that es, als unterwürfe sie sich ihm, aber in ihrer Seele war kein Lächeln, da war nur Furcht. Er winkte ihr mit der Hand, hinauszukommen. Aber sie schüttelte den Kopf und blieb am Fenster stehen. Er näherte sein Gesicht noch einmal dem Fenster und wollte ihr sagen, daß sie kommen solle, aber in diesem Augenblick drehte sie sich nach der Thür um — offenbar hatte jemand nach ihr gerufen.

      Nechljudow trat vom Fenster zurück. Der Nebel war so dicht, daß Nechljudow, als er kaum fünf Schritt gemacht hatte, das Fenster nicht mehr erblicken konnte, sondern nur eine schwarze Masse sah, aus der die Flamme der Lampe rot und riesenhaft glühte. Vom Flusse her tönte dasselbe Schnaufen und Rieseln, das Klirren und Krachen des Eises. Nicht weit auf dem Hofe schrie aus dem Nebel heraus ein Hahn, in der Nähe antwortete ein anderer und weither aus dem Dorfe hörte man einander über tönende und in eins verschmelzende Hahnenrufe. Im übrigen war rings umher alles außer dem Flusse still. Die Hähne aber hatten bereits zum zweiten Male gekräht.

      Nechljudow ging hinter der Hausecke ein paar mal hin und her, wobei er zuweilen in Pfützen geriet und kehrte wieder zum Fenster zurück. Die Lampe brannte noch immer und Katjuscha saß wieder wie unschlüssig am Tisch. Kaum hatte er sich dem Fenster genähert, als sie zu ihm hinblickte. Er klopfte ans Fenster. Und ohne hinzusehen, wer da klopfte, lief sie sogleich zum Mädchenzimmer hinaus. Nechljudow hörte, wie die Thür sich mit einem Schnalzen loslöste und dann knarrte. Er erwartete sie bereits auf der Treppe und empfing sie stumm. Sie drückte sich fest an ihn, erhob das Köpfchen und fing mit den Lippen seinen Kuß auf. Sie standen auf einer aufgetauten trockenen Stelle hinter der Ecke. Er war erfüllt von einem quälenden, unerfüllten Verlangen.

      Plötzlich schnalzte und knarrte die Thür mit demselben Ton und die ärgerliche Stimme Matrjona Pawlownas ließ sich hören:

      »Katjuscha!«

      Sie riß sich von ihm los und lief ins Mädchen zimmer zurück. Nechljudow hörte wie der Riegel zuschlug. Dann wurde alles still, das rote Auge im Fenster verschwand, es blieb nur der Nebel und das Treiben auf dem Fluß.

      Nechljudow trat ans Fenster heran, aber es war niemand zu sehen. Er klopfte, keine Antwort. Dann kehrte er von der Paradetreppe ins Haus zurück, aber legte sich nicht zu Bett. Er zog die Stiefel aus und ging barfuß auf dem Korridor zu Katjuschas Thür, deren Zimmer sich neben dem Matrjona Pawlownas befand. Er hörte, wie Matrjona Pawlowna ruhig schnarchte und wollte eintreten, als sie plötzlich zu husten begann und sich in dem knarrenden Bett umdrehte. Wie erstarrt hielt er inne und blieb so etwa fünf Minuten stehen. Als wieder alles still wurde und das ruhige Schnarchen von neuem ertönte, ging er weiter, indem er vorsichtig die nicht knarrenden Dielenbretter aussuchte. Er stand vor Katjuschas Thür, alles war still. Sie schien nicht zu schlafen, wenigstens konnte man ihren Atem nicht hören. Kaum aber hatte er ihre Namen flüsternd gerufen, als sie schon aufgesprungen war und ihn hinter der Thür, wie es ihm schien mit ärgerlicher Stimme, zu bereden suchte, wegzugehen.

      »Was soll denn das sein? Wie kann man nur? Die Tanten könnten es hören . . . « — so sprach ihr Mund, während ihr ganzes Wesen ihm sagte: »ich bin Dein, Dein!«

      Und Nechljudow verstand nur dieses Letztere.

      »Nur auf einen Augenblick . . . öffne . . . Ich bitte dich . . . « stammelte er leidenschaftlich.

      Sie regte sich nicht. Dann hörte er das Geräusch einer Hand, die den Thürhaken suchte. Der Haken klirrte und er drang durch die geöffnete Thür ein.

      Er ergriff sie, wie sie war, hob sie empor und trug sie fort.

      »Ach! Was thun Sie?« flüsterte sie.

      Aber er beachtete ihre Worte nicht und trug sie in sein Zimmer.

      »Ach nein . . . Lassen Sie mich«, sprach sie, während sie sich selbst fester an ihn schmiegte.

      Als sie zitternd und schweigend, ohne auf seine Worte


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