Die Göttliche Komödie. Dante Alighieri

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Die Göttliche Komödie - Dante Alighieri


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" Dis genannt,

       Die scharenweis unselge Bürger füllen."

       Und ich: "Mein Meister, deutlich schon erkannt

       Hab ich im Tale jener Stadt Moscheen,

       Glutrot, als ragten sie aus lichtem Brand."

       Drauf sprach mein Führer: "Ewge Flammen wehen

       In ihrem Innern, drum im roten Schein

       Sind sie in diesem Höllengrund zu sehen."

       Bald fuhren wir in tiefe Gräben ein,

       Den Zugang sperrend zu dem grausen Orte;

       Die Mauer schien von Eisen mir zu sein.

       Dann aber hörten wir des Steurers Worte,

       Nachdem vorher wir auf dem Pfuhle weit

       Umhergekreuzt: "Steigt aus, hier ist die Pforte."

       Wohl tausend standen auf dem Tor bereit,

       Vom Himmel hergestürzt. Es schrien die Frechen:

       "Wer wagts, noch lebend, voll Verwegenheit

       Ins tiefe Reich der Toten einzubrechen?"

       Mein Meister aber, ihnen winkend, lud

       Sie klüglich ein, ihn erst geheim zu sprechen.

       Da legte sich ein wenig ihre Wut.

       Sie sprachen: "Komm allein, laß gehn den Toren,

       Der hier hereindrang mit so keckem Mut.

       Find er den Weg, den sich sein Wahn erkoren,

       Allein zurück—erprob er doch, wie er

       Sich durch die Nacht führt, wenn er dich verloren."

       Und nun bedenk, o Leser, wie so schwer

       Mich der Verdammten Rede niederdrückte,

       Denn ich verzweifelt an der Wiederkehr.

       "Mein teurer Führer, du, durch den mirs glückte,

       Daß ich gerettet ward schon siebenmal,

       Des Schutz mich drohender Gefahr entrückte,

       Verlaß mich", sprach ich, "nicht in dieser Qual,

       Und darf ich auch nicht weiter vorwärts dringen,

       So komm mit mir zurück durchs dunkle Tal."

       Und er, befehligt, mich hierher zu bringen,

       Sprach: "Fürchte nichts; erlaubt hat unsern Gang

       Er, dem nichts wehrt, drum wird er wohl gelingen.

       Hier harre mein, und ist die Seele bang,

       So magst du sie mit guter Hoffnung speisen,

       Denn nicht verlass ich dich in solchem Drang."

       So ging er.—ich, getrennt von meinem Weisen,

       Dem süßen Vater, fühlte Ja und Nein

       Beim Zweifelkampf in meinem Haupte kreisen.

       Nicht hört ich, was sein Antrag mochte sein,

       Allein er blieb bei jenem Volk nicht lange,

       Denn alle rannten in die Stadt hinein

       Und schlugen ihm das Tor im wilden Drange

       Vorm Antlitz zu und sperrten ihn heraus.

       Da kehrt er sich zu mir mit schwerem Gange.

       Den Blick gesenkt, die Braun verstört und kraus,

       Ließ er in Seufzern diese Worte hören:

       "Wer schließt mich von der Stadt der Schmerzen aus?"

       Und dann zu mir: "Nicht mög es dich verstören,

       Wenn du mich zürnen siehst—ich siege doch,

       Wie keck sie auch dort drinnen sich empören.

       Schon früher stieg ihr kecker Mut so hoch,

       An einem Tor, nicht so geheim gelegen,

       Und ohne Schloß und Riegel heute noch,

       Am Tor, von dem die schwarze Schrift entgegen

       Dem Wandrer droht—doch diesseits schon von dort

       Kommt, ohne Leitung, auf den dunkeln Wegen

       Ein andrer her und öffnet uns den Ort."

      Neunter Gesang

      Weil ich vor Angst und banger Furcht erblich,

       Als ich den Herrn sah sich zurückbewegen,

       Verschloß Virgil die eigne Furcht in sich.

       Aufmerksam stand er dort, wie Horcher pflegen,

       Denn, weit zu schaun, war ihm die Dunkelheit

       Der schwarzen Luft und Nebelqualm entgegen.

       Er sprach: "Wir siegen doch in diesem Streit—

       Wenn nicht—doch hab ich nicht ihr Wort vernommen?

       Er säumt fürwahr doch gar zu lange Zeit."

       Ich sah es deutlich ein, zurückgenommen

       Sei durch der Rede Folge der Beginn,

       Da beide mir verschieden vorgekommen.

       Drum lauscht ich sorgenvoll und zagend hin,

       Denn ich erklärte mir vielleicht noch schlimmer,

       Als er es war, des halben Wortes Sinn.

       "Kommt wohl ein Geist in diese Tiefe nimmer

       Vom ersten Grad, wo nichts zur Qual gereicht,

       Als daß erstorben jeder Hoffnungsschimmer?"

       So fragt ich ihn, und jener sprach: "Nicht leicht

       Geschiehts, daß auf dem Weg, den wir durchliefen,

       Ein andrer meines Grads dies Land erreicht.

       Wahr ists, daß ich vordem in diesen Tiefen

       Durch der Erichtho Zauberein erschien,

       Die oft den Geist zum Leib zurückberiefen.

       Kaum war mein Geist vom Fleisch entblößt, als ihn

       Die Zauberin beschwor in jene Mauer,

       Um eine Seel aus Judas Kreis zu ziehn.

       Dort ist die tiefste Nacht, der bängste Schauer,

       Am fernsten von des Himmels ewgem Licht.

       Ich weiß den Weg—drum scheuche Furcht und Trauer.

       Der Sumpf hier, welcher Stank verhaucht, umflicht

       Die qualenvolle Stadt, durch deren Pforten

       Man ohne Zorn die Bahn sich nimmer bricht."

       Mehr sprach er, doch mich zog von seinen Worten

       Der hohe Turm und bannte mit Gewalt

       Den Blick ans Feuer auf dem Gipfel dorten.

       Drei Höllenfurien sah ich dort alsbald,

       Die, blutbefleckt, grad aufgerichtet, stunden,

       Und Weibern gleich an Haltung und Gestalt,

       Mit grünen Hadern statt des Gurts umbunden,

       Mit kleinern Schlangen aber, wie mit Haar,

       Und Ottern rings die grausen Schläf umwunden.

       Und jener, dem bekannt ihr Anblick war,

       Der Sklavinnen der Fürstin ewger Plagen,

       Sprach: "Nimm die wilden Erinnyen wahr.

       Zur linken Seite sieh Megären ragen,

       Inmitten ist Tisiphone zu schaun,

       Und rechts Alecto in Geheul und Klagen."

       Die Brust zerriß sich jede mit den Klaun,

       Und sie zerschlugen sich mit solchem Brüllen,

       Daß ich mich an den Dichter drängt aus Graun.

      


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