Traumwandler. Julia Skye
Читать онлайн книгу.blitzte in ihnen auf.
Es war nur für den Bruchteil einer Sekunde zu sehen, doch es reichte, um mich vollkommen aus der Bahn zu bringen. Ich hatte nicht erkennen können, was es war, doch es schien beinahe… als hätte sie mich schon einmal gesehen?
Unmöglich.
Nun war ich so nervös, dass ich mir nicht einmal darüber Gedanken machen konnte – was im Nachhinein betrachtet vermutlich besser gewesen wäre.
Plötzlich wünschte ich mir, sie säße auf einem Thron. Dann hätte ich sie wenigstens als arrogante Monarchin abstempeln können. So war sie einfach eine wunderschöne Elfenkönigin.
Die zufällig die Mutter meines Gefährten war.
Weggefährten natürlich.
Solas blieb wenige Meter vor ihr stehen; stolpernd tat ich es ihm gleich.
Eine Weile musterten sich die beiden; wie lange hatten sie sich wohl nicht mehr gesehen? Ich fragte mich, warum sie sich nicht umarmten, in Tränen ausbrachen oder so. Vermutlich hatten sie sich schon Jahrzehnte nicht mehr gesehen – ich wollte mir gar nicht vorstellen, was meine Mum tun würde, wenn sie so lange von mir getrennt sein müsste.
Solas war der Erste, der sich äußerte. „Lilíth.“
„Solas“, erwiderte sie. „Du hast dich verändert.“
„Du hingegen überhaupt nicht“, sagte er und lächelte leicht, was das Eis ein wenig brach. Dann deutete er auf mich. „Das ist Rose, meine… Weggefährtin. Sie war mit mir oben im Norden.“
Ihr Blick schweifte kurz zu mir. Wieder sah ich dieses seltsame Aufblitzen, dann nickte sie mir allerdings freundlich zu. „Rose.“
Da ich nicht wusste, was ich sagen sollte, nickte ich ebenfalls nur leicht.
Außerdem hatte sie ihren Blick schon wieder von mir abgewendet, für den Moment schien sie mich nicht interessant zu finden. Was mir nur Recht war.
„Du warst also im Norden?“, sagte sie. „Hast du die Quelle des Unheils gefunden?“
Er nickte. Kurz warf er mir einen Blick zu. „Ja – und nein. Die gigantischen Wölfe, von denen dir sicherlich berichtet wurde, wurden von einer Höhle aus gesteuert. Uns gelang es, die Quelle in der Höhle zu zerstören. Allerdings… wissen wir nicht genau, was die Quelle war.“
Sie sah leicht irritiert aus. Ich könnte schwören, ihr Blick zuckte wieder zu mir.
„Die Quelle des Unheils“, wiederholte sie. „Ihr wisst nicht, was sie war? Woher weißt du dann, dass ihr sie zerstört habt?“
Sah sie schon wieder zu mir? Oder war ich nun paranoid?
Solas sah leicht verwirrt aus. „Die Wölfe sind tot“, sagte er. „Alle. Und auch die anderen Kreaturen, denen wir auf dem Weg begegnet sind.“
„Die Wölfe sind tot“, wiederholte sie. „Doch woher weißt du, dass nicht neue Kreaturen in diese Welt gelangen?“
„Dessen kann ich mir nicht sicher sein“, sagte Solas. „Deshalb sind wir hier. Um dich um Rat zu fragen – weißt du, woher diese Kreaturen kommen?“ Er schwieg kurz. „Ich dachte, wir würden etwas im Norden finden, ein Zeichen, einen Hinweis, doch dort war nichts.“
Lilìth löste sich von ihrer steifen Position und wanderte ein wenig im Saal umher.
„Die Quelle“, sagte sie schließlich wieder. „Du suchst nach der Quelle des Unheils, nicht wahr? Nach dem Portal, das das Böse in diese Welt gebracht hat? Dieses Mal manifestiert in der Form des Wolfes.“ Sie hielt kurz inne und plötzlich war ich mir absolut sicher, dass ihr Blick mich festhielt. „Vor wenigen Jahrzehnten in Form einer einfachen Frau.“
Und dann begriff ich es.
Melody. Sie sprach von Melody.
Sie wusste, wer ich war. Sie wusste, was ich war.
Panik kam in mir auf. Nein! Verdammt, verdammt, sie hatte es schon gewusst, seit ich in diesen Saal getreten war! Ich merkte, wie das Blut in meinen Adern gefror. Was machte ich nun? Sie würde es Solas sagen; sicherlich würde sie es ihm sagen.
Schon jetzt sah ich, wie auch ihm auffiel, dass sie mich ansah, während sie sprach. Sein Blick war verwirrt.
Musste ich dann zurück? Solas würde mich hassen. Ich würde vielleicht zurückmüssen, wo sie mich anblaffen würden, dass ich mich verraten hatte. Hieß das, sie würden es danach irgendwie verhindern, dass ich hierher kam? Ich wusste jetzt, dass ich es selbst kontrollieren konnte, wann ich hierher kam; das bedeutete nicht, dass sie nicht irgendwelche Wege besaßen, mich von hier fernzuhalten. Meine Gedanken überschlugen sich; fieberhaft suchte ich nach einem Plan, etwas, das ich sagen oder tun konnte, damit Lilìth mein Geheimnis nicht preisgab.
„Wovon sprichst du?“, durchbrach Solas‘ Stimme schließlich die Stille. Sein Blick huschte zwischen mir und ihr hin- und her. Er schien absolut nichts zu verstehen.
Jetzt noch.
„Melody.“
Der Name stach durch mich wie ein Schwert. Ich öffnete den Mund; wollte ihr zuvorkommen, wollte etwas sagen, etwas lügen. Doch mein Gehirn funktionierte nicht mehr. Also stand ich nur da und starrte sie an. Das Einzige, was jetzt noch helfen konnte, war das Flehen, das sie sicherlich in meinen Augen sah.
„Du meinst die Frau, die Vater -“ Solas brach ab. Seine Stimme klang leicht zornig.
„Du suchst die Quelle, Solas“, sagte sie wieder. Nun richtete sie ihren Blick wieder auf ihn.
Erleichtert entspannte ich mich.
Dann bohrten sich ihre nächsten Worte wie ein Messer in mich. „Dabei bist du die ganze Zeit mit ihr unterwegs.“
Stille.
Es war, als würde sich mein ganzer Körper langsam mit einer Eisschicht überziehen. Mir wurde kalt. Ich wollte etwas sagen; dass sie log; mich verteidigen. Stattdessen starrte ich sie nur an.
Aus dem Augenwinkel merkte ich, wie Solas begriff. Sein Blick wanderte von seiner Mutter zu mir. Er starrte mich an. „Wie bitte?“ Er klang vollkommen verblüfft.
Ich wollte den Blick drehen, doch ich traute mich nicht, ihn anzusehen.
„Das stimmt nicht“, hörte ich mich schließlich flüstern.
Lilíth‘ Blick bohrte sich in mich hinein. „Ihr seid also nicht Melodys Schwester?“
„Doch, aber -“
„Und Ihr habt nicht die Mission bekommen, die Elfen zu töten?“
„Doch, aber -“
„Ihr kommt nicht aus einer anderen Welt?“
„Doch, aber -“
„Ihr habt nicht den Auftrag bekommen, meinen Sohn in den Norden zu bringen, damit er dort ermordet werden kann; weil Eure Schwester nach Rache aus ist?“
Woher wusste sie das alles?!
„Doch, aber -“
„Wie bitte?“ Solas klang nun erschüttert. Fassungslos blickte er zwischen mir und seiner Mutter hin und her. „Was ist hier los?“ Seine Stimme klang scharf.
Schließlich blieb sein Blick auf mir haften; ungläubig. „Rose.“ Ich hörte ihm an, dass er sich wünschte, ich würde ihm sagen, dass es nicht stimmte.
Darüber hätte ich mich freuen sollen.
Doch ich tat es nicht. Stattdessen starrte ich ihn nur an. „Es tut mir leid“, flüsterte ich nur.
Er schien noch immer nicht zu verstehen. „Du bist Melodys Schwester? Du kommst aus einer anderen Welt?“
„Und sie ist die Quelle, die das Unheil hierher bringt“, fügte Lilíth hinzu.
Super,